Zugangsbeschränkungen für die Kindertagesstätten werden in Leipzig nicht akzeptiert.

Rüdiger Ulrich

Erneut muss die Verwaltung die Kindertagesstättenplanung zurückziehen und überarbeiten. Da stellt sich die Frage, ob ihr das Gespür für das politisch Machbare verloren gegangen ist.

Erneut muss die Verwaltung die Kindertagesstättenplanung zurückziehen und überarbeiten. Da stellt sich die Frage, ob ihr das Gespür für das politisch Machbare verloren gegangen ist. Zugangsbeschränkungen für die Kindertagesstätten werden in Leipzig nicht akzeptiert. Das haben sowohl die Eltern, die Vereine und Verbände als auch der Stadtrat eindrucksvoll zum Ausdruck gebracht. Damit unterscheidet sich Leipzig wieder einmal wohltuhend von vielen anderen Landkreisen und kreisfreien Städten in Sachsen. Die Bürgerinnen und Bürger und ihr Stadtrat zeigen Charakter. Eine Eigenschaft der Leipzigerinnen und Leipziger, die Sie, Herr Oberbürgermeister, gegenüber den Medien immer wieder hervorheben.

Die Entscheidung gegen Zugangsbeschränkungen ist eine Ent-scheidung für die Kinder dieser Stadt in einer äußerst komplizierten Haushaltslage. Ich denke, dass ist schon bemerkenswert und einer kinderfreundlichen Stadt würdig, die Leipzig ja immer sein will. Im Zusammenhang mit der Versorgung mit Kindertagesstättenplätzen haben wir in der Stadt zwei große Probleme.

Erstens: Das hausgemachte Problem. Die Anzahl der Plätze in Krippe, Kindergarten und Hort reichen nicht mehr aus, um den Bedarf zu decken. Es müssten dringend weitere Kapazitäten geschaffen werden, Eltern, die einen Krippenplatz suchen, wissen wovon ich rede. Wenn der Nachtragshaushalt für 2003 auch deshalb notwendig wurde, weil die Belegungsquote in den Kindertagesstätten sich deutlich erhöht hatte und dadurch die Kosten stiegen, dann ist das Ausdruck der Fehlplanung in Ihrem Dezernat, Herr Jung. Die PDS-Fraktion hat jährlich auf diese Problematik hingewiesen. Sie haben entweder nicht richtig zugehört oder das Problem klein gerechnet.
Wenn Sie jetzt in der neuen Vorlage die Anzahl der Krippenplätze bis 2007 bei 3.400 Plätzen festschreiben, obwohl Sie wissen, dass die Geburten weiter ansteigen, dann bestätigt dies meine eben gesagten Worte.

Zweitens zum nicht hausgemachten Problem.Die Kosten für die Bildung und Erziehung in den Kindertagesstätten steigen seit Jahren an. Herr Billig, die Aktion der Jungen Union vor dem Bildermuseum mag ja sehr medienwirksam gewesen sein, aber wir wissen doch beide, dass in diesem Fall nicht der Oberbürgermeister, sondern der Ministerpräsident der Adressat hätte sein müssen.
Ich bitte Sie einfach, Ihre jungen Leuten aufzuklären, dass die CDU-regierte Landesregierung die Zuschüsse für die Betreuung in den Kindertagesstätten gekürzt und dass mit der Pauschalfinanzierung, die mit dem neuen Kindertagesstättengesetz eingeführt wurde, speziell die Krippenplätze nicht finanziert werden können, zumal steigende Kosten unberücksichtigt bleiben. Das ist wieder ein Beispiel dafür, wie Kosten für übertragene Aufgaben auf die Kommunen abgewälzt werden.

Kindertagesstätten sind nicht zur Aufbewahrung von Kindern da. Sie sind Bildungseinrichtungen mit einem eigenständigen Bil-dungs- und Erziehungsauftrag. Wenn wir dies erkennen, dann kann es nicht sein, dass Kinder aus sozialen Gründen von diesem Bildungsbereich ausgeschlossen werden. Ulrich Gintzel, Prof. für Sozialpädagogik und Leiter der Expertenkommission, die den 2. Sächsischen Kinder- und Jugendbericht vorgelegt hat, weist darauf hin, dass „gerade Kinder, die in Armutsverhältnissen leben, eine besondere Entwicklungshilfe benötigen, da ihre Familien das allein nicht leisten können.“Dr. Gerd E. Schäfter, Prof. für Frühpädagogik an der Uni Köln beschreibt in seinem Buch „Bildung beginnt mit der Geburt“, dass frühkindliche Bildung nicht erst mit 18 Monaten beginnt und schon gar nicht nach der 2. Klasse endet.
Die PISA-Studie hat deutlich gemacht, dass Kinder in Armutsverhältnissen bei der Erlangung von Bildung benachteiligt sind. Alle diese Erkenntnisse werden mit der Einführung von Zugangsbeschränkungen über den Haufen geworfen. Dabei spielt Leipzig mit der Initiierung des Modellprojekts zur Umsetzung des Bildungsauftrages in Kindertagesstätten in Sachsen, vielleicht sogar in der Bundesrepublik, im Prozess der aktuellen Bildungsdiskussion eine Vorreiterrolle. Diese wird man ihr aber nur abnehmen, wenn die Erkenntnisse aus dem Modellprojekt im eigenen Handeln Anwendung finden. Es ist deshalb gut, dass der Verwaltung geholfen wurde, auf den richtigen Weg zurück zu finden.

Folgende Positionen möchte ich noch einmal zusammenfassend benennen:

• Wir erwarten, dass zukünftig die Kindertagesstättenbedarfsplanung vor Beginn des Planungszeitraumes, spätestens im Juli eines jeden Jahres, beschlossen wird.

• Wir erwarten, dass die Stadt mit dem Land in Verhandlung tritt (evtl. unter Einbeziehung des Städtetages), um zu erreichen, dass der Landeszuschuss an den steigenden Kosten und den konkreten örtlichen Gegebenheiten angepasst wird.

• Wir erwarten, dass die Stadtverwaltung im nächsten Jahr nicht erneut die Einführung von Zugangsbeschränkungen auf die Tagesordnung setzt. Gehen Sie schon heute davon aus, dass die PDS-Fraktion diesen auch im nächsten Jahr nicht zustimmen wird.

• Es ist zu begrüßen, wenn Frau Orosz, Sozialministerin im Land Sachsen äußert, „Zugangsbeschränkungen im Kita-Bereich seien schizophren. Einen Ausschluss von Kindern aus sozial schwachen Familien werde sie auf keinen Fall akzeptieren.“ Wenn daraus aber keine landesrechtlichen Vorgaben erwachsen, dann nützt die Erkenntnis der Ministerin wenig.