Wirtschaftsförderung soll der Wirtschaft helfen, damit es uns allen bessergeht!

William Grosser

„Wirtschaftsförderung zukunftsfähig gestalten – Fokus Bestandsförderung“, das Ziel klingt gut, ist gut und wenn es die Verwaltung komplex angehen würde, wären es noch besser. Ich meine Wirtschaftsförderpolitik darf nicht allein dem Wirtschaftsdezernat überlassen werden. Jede Verwaltungseinheit betreibt, wenn sie effektiv arbeitet, Wirtschaftsförderung!
Es geht damit los, dass Herr Bonew das Amt für Wirtschaftsförderung finanziell so ausstattet, dass dieses überhaupt Wirtschaft effektiv fördern kann.
Es geht weiter, dass Frau Dubrau bei der Stadt- und Verkehrsplanung die Erforderlichkeiten der innerstädtischen Wirtschaftsverkehre beachtet.
Es setzt voraus, dass Herr Albrecht nun endlich für ein flächendeckendes schnelles Internet sorgt und nunmehr eine Liegenschaftspolitik betreibt, die nicht nur den schnellen finanziellen Gewinn verspricht, sondern der Stadt nachhaltigen Nutzen bringt.
Und es beginnt und endet beim Oberbürgermeister, der die wirtschaftliche regionale Verknüpfung in der Region mit den Landräten sichern muss um der Metropolregion neue Impulse zu verleihen.
Dass die Wirtschaftslage in unserer Stadt derzeit gute Steigerungsraten ausweist, bedeutet leider noch keine nachhaltige wirtschaftliche Stabilität.
Jüngstes Beispiel ist die Entscheidungen von Siemens. Trotz einer Steigerung von 11 % Gewinn nach Steuern auf satte 6,2 Milliarden Euro im Geschäftsjahr 2016/2017, sollen vor allem die ostdeutschen Standorte geschlossen werden.
Auch das Leipziger Werk ist von dieser Entscheidung betroffen. 270 Menschen könnten ihre Arbeit verlieren.
So funktioniert Kapitalismus. Im Vordergrund steht ausschließlich der Profit, das Wohl des Volkes steht hinten an.
Aber auch die Insolvenz des Leipziger Stahlbauunternehmens IMO zeigt ein zentrales Dilemma an. Die IMO scheiterte nicht an der deutschen Energiepolitik oder wegen der Sanktionen gegen Russland, wie Wolfgang Topf meint, sondern deshalb, weil die bundesdeutsche und sächsische Wirtschaftspolitik schon lange keine Planungssicherheit mehr verheißt.
Wenn politische Entscheidungen gefällt werden, dann müssen im Gegenzug Möglichkeiten geschaffen werden, damit vor allem kleine und mittelständische Unternehmen mit geringer Kapitaldecke, Verluste kompensieren können.
Keine Frage, die großen Ansiedlungen der vergangenen Jahre, wie Porsche, BMW, DHL, Schenker u. a. haben für die Stadt und die Region einen wesentlichen Impuls erzeugt. Was jetzt noch fehlt, ist die Stabilisierung der klein- und mittelständischen Wirtschaftsstruktur.
Zwar ist auch hier eine gewisse Konsolidierung sichtbar, aber mit der derzeitigen Wirtschaftsförderpolitik gibt es leider strukturell bedingte Nachteile für Kleinunternehmen, für Kleingewerbetreibende und Neugründungen.
Zukunftsfähige städtische Wirtschaftsförderung muss hier ansetzen! Notwendig ist eine fundierte Analyse der regionalen Wirtschaftskreisläufe um Handlungsfelder für die Wirtschaftsförderung zu definieren, die über die bestehenden Cluster hinauswirken.
In diesem Zusammenhang ist es leider nicht zu verstehen, dass der Haushaltsantrag meiner Fraktion „Mikrokredite für Kleingewerbetreibende und KMU“ nicht in den Haushalts 2017/2018 aufgenommen wurde.
Durch die Haltung der Banken Kredite im Niedrigbereich zu verweigern sind Kleinst- und Kleinunternehmen sowie Neugründungen im wettbewerblichen Nachteil. Deshalb hat der Stadtrat bereits im März 2010 mit Hilfe von Förderprojekten des Bundes „Mikrofinanzierung in Quartieren“ (MIQUA) und „Mikrokreditfonds Deutschland“ (ESF-Mittel) die Finanzierung solcher Kredite beschlossen. 2015 stellte leider der Bund die Förderprojekte ein. Danach schlief die Mikrofinanzierung sang- und klanglos ein. Und wir, die Verantwortlichen in dieser Stadt, geben uns bis heute damit zufrieden und tun nichts. 
Nur, die Situation für Kleinunternehmen ist nicht besser geworden!
Im Zusammenhang mit der, immer noch überdurchschnittlich großen, Langzeitarbeitslosigkeit in unserer Stadt (Oktober 2017: 15.230) und der gesellschaftlichen Integration von geflüchteten Menschen wäre die Annahme dieses HH-Antrages ein Signal mit positiver Wirkung gewesen.
Nun wird Herr Albrecht entgegnen, dass die Stadt ja ein Mittelstandförderprogramm hat, an dem auch kleine Unternehmen partizipieren können.
Ja, das stimmt. Das Mittelstandförderprogramm regelt Zuwendungen der Stadt an Unternehmen für besondere Leistungen. Zum Beispiel gibt es Geldprämien für die Verlegung eines Hauptsitzes oder einer Niederlassung nach Leipzig. (von 5.000 € bis 20.000 €, je nach Beschäftigtenzahl) Es gibt für die Teilnahme an Messen Zuschüsse und gefördert wird auch Innovation und Technologietransfer. Das ist gut, reicht aber für kleine Unternehmen meist nicht aus. Sie müssen nämlich erst eine quantitative und qualitative Stufe erreicht haben um überhaupt die Vorteile des Mittelstandförderprogammes nutzen zu können. (kritische Masse) Deshalb braucht es die Möglichkeit der Mikrokreditvergabe.
Ja, Leipzig boomt aber das sollte uns nicht die Augen verschließen, dass es  noch immer 47.548 erwerbsfähige Leistungsberechtigte nach Sozialgesetzbuch gibt und 37.791 Bedarfsgemeinschaften, die den städtischen Haushalt belasten. Zu viele der Leipziger Arbeitsplätze bewegen sich im Niedriglohnsektor. So bleibt Leipzig die sächsische und deutsche Armutshauptstadt. Nach jüngsten statistischen Erhebungen ist die Leipziger Armutsquote seit 2005 sogar angestiegen.
Meine Damen und Herren,
Wirtschaftsförderung soll der Wirtschaft helfen, damit es uns allen bessergeht!
Wirtschaft zum Selbstzweck wollen wir nicht fördern!
Alle Unternehmen, die sich nicht an die hart erkämpfte deutsche Tarifpolitik halten wollen, brauchen unsere Hilfe nicht!
Wenn etwas zukunftsfähig sein soll, muss es auch immer sozial sein!
Die städtische Wirtschaftsförderung muss letztlich allen Menschen in unserer Stadt dienen!

Rede zur wirtschaftspolitischen Stunde.