Warum wollen wir unseren Wählerinnen und Wählern nicht zeigen, wie schwer und schön unsere Arbeit hier im Stadt-Parlament ist?

William Grosser

Ich bin froh, dass mit der Vorlage 971 jetzt endlich die Stadtverwaltung die Initiative in Sachen Live-Stream übernommen hat, auch wenn noch einmal ein halbes Jahr vergehen musste, bis die Vorlage jetzt in der Ratsversammlung ist.
Noch vor kurzer Zeit schien dies eine Utopie zu sein. Meine Fraktion DIE LINKE sah sich deshalb mehr oder weniger gezwungen, mit unserem Antrag A 1188 „Speicherung des Livestream auf der Website der Stadt Leipzig oder im ALLRIS zur Verwendung für die Arbeit der Stadträtinnen und Stadträte“ im März 2015 einen neuen Impuls zu setzten.
Deshalb verstehe ich diese Vorlage auch als einen, wenn auch verspäteten, Verwaltungsstandpunkt zu unserem Antrag.

Zur Vorlage selbst möchte ich folgendes sagen:
Es handelt sich um eine gute Vorlage, die durch den Änderungsantrag 1 von SPD, LINKEN und Bündnisgrünen noch weiter optimiert würde. Einigen von uns mag sie nicht weit genug gehen, anderen ist sie vielleicht zu einschneidend. Aus meiner Sicht aber werden alle berechtigten Bedenken hinsichtlich eines demokratiefeindlichen Missbrauchs weitgehendst ausgeräumt und die Persönlichkeitsrechte der Stadträtinnen und Stadträte beachtet. Die Stadt als Träger der Nutzungsrechte hat die Pflicht und das Recht, jeden Missbrauch zur Anzeige zu bringen.
Es ist eine gute Vorlage, weil die finanzielle Belastung des städtischen Haushaltes sehr moderat ist.
Es ist eine gute Vorlage, weil sie endlich die in unserem Haus vorhandene Übertragungstechnik nutzt, die bislang nur Kosten verursacht hat und keinerlei Nutzen. Vielleicht können wir mit der hauseigenen Übertragungstechnik auch auf eine bessere Bildqualität hoffen.

Zu den anderen Änderungsanträgen:
Dem Änderungsantrag 2 der AfD-Fraktion stimmen wir nicht zu, weil der Empfang auf allen internetfähigen Geräten, unabhängig vom Betriebssystem, schwerlich umzusetzen ist, mindestens aber eine Kostenhürde darstellt, die wir derzeit nicht überspringen wollen. Und wir gehen davon aus, dass alle Werbemöglichkeiten der Stadt für die Popularisierung der Live-Stream-Übertragung der Stadtratssitzung genutzt werden. Das ist eigentlich Verwaltungshandeln, welches man ggf. im Fachausschuss Allgemeine Verwaltung anmahnen muss. 
Der Änderungsantrag von Frau Wohlfarth will die Live-Stream-Übertragung für die Öffentlichkeit beenden und statt dessen nur noch die Bereitstellung der Aufzeichnungen im Intranet der Stadt gewährleisten. Damit würde die Öffentlichkeit, also unsere Wählerinnen und Wähler, digital ausgeschlossen.
Das, liebe Kollegin, verstehe ich nicht und deshalb kann man ihrem Änderungsantrag auch nicht zustimmen.
Stadträtinnen und Stadträte werden durch Bürgervotum in den Stadtrat gewählt. Das ist ein öffentlicher Vorgang, dem wir uns alle hier gestellt haben. Wir waren und sind uns alle bewusst, dass damit auch ein gewisser Einschnitt in unsere Persönlichkeitsrechte einhergeht. Trotzdem, der Schritt sich als Kandidatin oder Kandidat für den Stadtrat aufstellen zu lassen, war ein freiwilliger und bewusster Akt.
Warum, zum Teufel gibt es dann einige Kolleginnen und Kollegen, die jetzt offenbar Angst vor dieser Öffentlichkeit haben? Warum wollen sie unseren Wählerinnen und Wählern nicht zeigen, wie schwer und schön unsere Arbeit hier im Stadtparlament ist und wie verantwortungsbewusst wir diese Arbeit machen? Ich bitte Sie, geben sie sich einen Ruck und sperren Sie sich nicht weiter! 

Eines allerdings stört mich an der Vorlage auch. Ich stelle fest, dass in manchen Vorlagen der letzten Zeit immer wieder die Kenntnisnahme eines Vorganges beschlossen werden soll. Was soll das? Niemand braucht hier einen Beschluss über eine Kenntnisnahme und auch die Stadt nicht. Deshalb sollte der 1. Beschlusspunkt entfallen. 
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte, Sie dem Änderungsantrag 1 von SPD, LINKEN und Bündnisgrünen zuzustimmen.
Wenn die Vorlage 971 positiv votiert wird, ziehen wir selbstverständlich unseren Antrag A 01188 vom März 2015 zurück.

William Grosser: Rede zur DS Nr.: VI-DS-00971 „Evaluation der Live-Stream-Übertragung der Ratsversammlung“