Ruhende Schulnamen

Dr.Dietmar Pellmann

Der Beschluss, den wir heute fassen sollen, scheint überfällig zu sein. Seit Schulnahmen in den Ruhestand versetzt wurden, sind inzwischen mehr als 12 Jahre vergangen.

Der Beschluss, den wir heute fassen sollen, scheint überfällig zu sein. Seit Schulnahmen in den Ruhestand versetzt wurden, sind inzwischen mehr als 12 Jahre vergangen. Handelt es sich daher nur um einen überfälligen Verwaltungsakt, dem man alternativlos folgen sollte? Immerhin hat es nach Informationen des Schulverwaltungsamtes keine Schule gegeben, die den ruhenden Schulnamen wieder aufleben lassen wollen. Sämtliche Schulkonferenzen, so geht es aus der Vorlage hervor, haben für die Ablegung des ruhenden Schulnamens plädiert.

Dennoch: So leicht sollten wir es uns nicht machen. Und so leicht hat es sich die PDS-Fraktion auch nicht gemacht! Wir haben lange über diese Vorlage diskutiert und werden uns mehrheitlich der Stimme enthalten; einige aus der Fraktion werden auch dagegen stimmen. In der Debatte haben wir uns eine Reihe von Fragen gestellt, die ich nun an uns alle reichten möchte. Ich sage dies nicht vorwurfsvoll, sondern durchaus auch selbstkritisch.

1. Wie ernsthaft und intensiv wurde die Auseinandersetzung um die jeweiligen Namen an den Schulen geführt? Ganz offensichtlich hat keine Schulkonferenz wirklich erwogen, einen bestimmten Namen auch künftig zu behalten. Aber wenn schon der bisherige Name abgelegt werden soll, kann es doch wohl nicht sein, dass man künftig lediglich mit einer Schulnummer zufrieden ist.

2. Wie haben wir uns als Stadtrat in diesen Prozess eingebracht? Selbstverständlich haben wir darüber zu entscheiden, welchen Namen eine Schule trägt. Aber das ist doch kein formaler Akt und kann nicht allein im Ermessen einer Schulkonferenz liegen. Denn ein Name soll doch zumindest für Jahrzehnte taugen und daher auch bewusst an die nächsten Generationen von Schülern, Eltern und Lehrern weiter gegeben werden.

3. Greift an unseren Schulen immer mehr eine Art Geschichtslosigkeit um sicht? Diese Frage eindeutig zu bejahen liegt mir fern und wäre gegenüber vielen Lehrern und Schülern, die sich ernsthaft um Geschichtsverständnis bemühen, eine nicht gerechtfertigte Unterstellung. Dennoch möchte ich auf Gefahren aufmerksam machen, die wir nicht unterschätzen dürfen. Dabei belegen Untersuchungen, dass das Wissen über die Geschichte, insbesondere des 20. Jahrhunderts, bei der heutigen Schülergeneration äußerst lückenhaft ist. Das betrifft insbesondere die Zeit des Faschismus, aber auch ein differenzierte und ausgewogene Sicht auf die deutsche Geschichte seit 1945.

4. Welche Vorschläge gibt es für neue Namen? Schulen sollen doch nicht ernsthaft lediglich nach Ortsteilen, Landschaftsbezeichnungen oder Märchen- und Sagenfiguren benannt werden. Das wäre bestenfalls der Weg des geringsten Widerstandes und liefe unserem Bemühen, eine weltoffene und ihren Traditionen verpflichtete Stadt zu sein.

5. Welches Zeichen senden wir heute mit diesem Beschluss aus? Am 19. September gelangte mit der NPD eine eindeutig rechtsextremistische, ja neonazistische Partei in den Sächsischen Landtag, die aus ihrer Ausländerfeindlichkeit keinen Hehl macht und sich bis hin zur Sprache einer Tradition aus der finstersten Zeit deutscher Geschichte bedient. Von den 27. Personen, deren Namen heute abgelegt werden sollen, wurden 12 durch den deutschen Faschismus ermordet. Wahrlich kein Ruhmesblatt für uns am Vorabend des 60. Jahrestages der Befreiung vom Faschismus! Gleiches gilt für die chilenischen Patrioten Salvador Allende oder Victor Jara.

Was bleibt? Wir sollten heute wenigstens bekunden, dass eine Reihe der heute durch Beschluss abgelegten Namen nicht für ewig und immer aus unserer Schullandschaft verbannt werden. Es gibt genügend Schulen, die in Leipzig lediglich eine Nummer haben. Wir alle stehen in der Verantwortung und sind aufgerufen, zur Vermittlung eines humanistischen und von demokratischen Grundwerten geprägten Geschichtsbildes in unseren Schulen beizutragen.