Primat beim Matthäikirchhof hat die Entwicklung eines multifunktionalen Quartiers mit vielfältiger Erinnerung

Siegfried Schlegel

Die städtebauliche Entwicklung eines multifunktionalen Stadtquartiers auf dem Areal des Matthäikirchhofs im Stadtzentrum unter breiter Bürgerbeteiligung ist seit Jahren ein Anliegen aller Fraktionen im Stadtrat. Nutzungsvorschläge für eine Schule oder eine Kita kamen frühzeitig von den Fraktionen DIE LINKE und  Bündnis 90/Die Grünen schon vor 2017. Bei der Grundsatzbeschlussfassung im Oktober 2017 hatten zahlreiche Stadträte auf die vielfältige historische Bedeutung des Matthäikirchhofs beginnend vor 1.000 Jahren als Wiege von Leipzig, als Stadtquartier des 18. und 19. Jahrhunderts mit der im 2. Weltkrieg zerstörten Matthäikirche und einer repräsentativen Treppe in das Ringgrün im Bereich der ehemaligen Stadtbefestigung, mit einem Richard-Wagner-Denkmal. Das existierte Jahrzehnte nur fragmentarisch und wurde erst in den zurückliegenden Jahren komplettiert und an dem geplanten Standort aufgestellt. Am Ende des 2. Weltkrieges befanden sich dort kurzzeitig die US-Militärkommandantur und später die Bezirksbehörde der Deutschen Volkspolizei sowie die Bezirksstelle des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR. Breites Unverständnis in der Stadt gab es bezüglich des Büroneubaus des MfS, der jegliche Stadtstruktur missachtend  auch in der Architektur als reiner Zweckbau dem Ort nicht angemessen war.  


Dieser Bau wurde nach 1990 vielfältig genutzt. In den Historischen Altbau  zogen bekanntlich die  Außenstelle der Behörde des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (BStU) für den Bezirk Leipzig, das Archiv Bürgerbewegung Leipzig e.V., das Bürgerkomitee Leipzig e.V. – als Träger der Gedenkstätte Museum in der "Runden Ecke" mit dem Museum im Stasi-Bunker, sowie Schulmuseum Leipzig als Werkstatt für Schulgeschichte ein.  Das Areal soll in den kommenden Jahren, einschließlich der Erinnerungsstätten an die Friedliche Revolution in der Runden Ecke im Rahmen von Bauleitplanungen schrittweise entwickelt  werden. Es soll wie die anderen Stadtquartiere im Leipziger Stadtzentrum aber gleichzeitig vielfältige Funktionen und Nutzungen aufweisen und für seine Bürgerinnen, Bürger und Gäste vielfältig erlebbar sein. Darüber gab es bisher Einigkeit im Stadtrat.
Für uns ist Leipzig aber kein Selbstbedienungsladen, der fremdbestimmt genutzt wird. Deshalb wollte Leipzig nach 1990  keine, auch nicht sächsische Hauptstadt werden, in der bekanntermaßen nur zwei das Sagen haben, der Herr  Hinz und der Herr Kunz. Auch ist keine Überladung des relativ kleinen Stadtquartiers mit zusätzlichen Behörden und keine flächenmäßig extremen Vergrößerung für vorhandener Institutionen anzustreben.  Dafür sollten alternative innerstädtische Standorte und bzw. mit ÖPNV gut erreichbare untersucht werden.  Deshalb haben wir den Änderungsantraggestellt, dass die zweite Projektphase wird zeitgleich mit der Projektphase 1 gestartet, um der Beschlusslage Rechnung zu tragen, dass wie in den anderen Stadtquartieren im Leipziger Stadtzentrum auch der Matthäikirchhof vielfältige Funktionen und Nutzungen aufweist. Dabei sollen einschließlich der Grundstücke der vorhandenen Gebäude für das „Forum für Freiheit und Bürgerrechte“, der Grundflächenanteil ein Drittel des Gesamtareals nicht übersteigen, damit der Standort inhaltlich nicht überfrachtet wird. Auch auf diesem Areal soll der Wohnflächenanteil mindestens 30 % betragen, einschließlich einem Drittel förderfähiger und geförderter Sozialwohnungen, die dringend benötigt werden.
Der Beschlussfassung 2017 war eine breite öffentliche Debatte vorausgegangen. Dies soll und muss auch so bleiben. Die Öffentlichkeitsbeteiligung im weiteren Verfahren darf keine Alibiveranstaltung werden. Wenn klarstellend der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Grüne darauf zielt, dass bei der Erarbeitung des Beteiligungskonzeptes das neu eingerichtete Sachverständigenforum "Bürgerbeteiligung und bürgerschaftliches Engagement“ neben anderen, wie den Stadtbezirksbeirat und die Fachausschüsse Stadtentwicklung und Bau sowie Kultur wirkungsvoll einzubeziehen sind, werden wir das unterstützen.  

Rede zur Drucksache DS-06745 „Nationale Projekte des Städtebaus – Fördermittel für die Entwicklung des Matthäikirchhofs und Projektstruktur“.