Mit Rassisten, die Menschen systematisch die Würde absprechen, gibt es keinerlei Brücken zu bauen

Juliane Nagel

Ich bin ehrlich gesagt empört, dass die CDU nicht die Größe besessen hat, den Antrag zur Abwahl von Mohammed Okasha vom Vorsitz des Migrant*innenbeirats, zurückzuziehen. Dieser Antrag weist den Weg von Ausschluss statt Verständigung, von Unterordnung statt Augenhöhe. Und ich unterstelle, dass es Ihnen hier besonders wichtig ist, weil es um einen engagierten Menschen mit Migrationsgeschichte und um den Migrant*innenbeirat geht.

 

Kommunikation statt Anprangern wäre in diesem Fall wirklich erkenntnisreich für Sie gewesen. Sowohl in persönlichen Gesprächen, im Migrant*innenbeirat und in anderen Formaten gab es infolge des falschen, zurückzuweisenden Instagram-Post fruchtbare, kontroverse und solidarische Debatten. Debatten, in denen die eigene Perspektive infrage gestellt, korrigiert und ergänzt wurde. Und es wurde geschafft, was zumeist nicht gelingt: Brücken zu bauen und Kritik an Antisemitismus mit Kritik an Rassismus zu verbinden.

 

Dass sie dann aber noch die Frechheit besitzen, Mohammed Okasha als Demokraten und emphatischen Streiter für die Belange von Menschen mit Migrationsgeschichte auf eine Stufe mit einem Faschisten zu stellen, das schlägt dem Fass schon so richtig den Boden aus. Es gibt eine Differenz zwischen der Leugnung von Antisemitismus samt Häme über die durch das Attentat von Halle bedrohten Jüdinnen und Juden einerseits und einer impulsiven emotionalen Äußerung über das Leiden in Gaza andererseits. Es gibt eine Differenz zwischen offensiver NS-Verherrlichung eines Roland Ulbrich und einer kritischen Reflexion, der sich Mohamed Okasha unterzogen hat. Und mehr noch: Letzterer ist jemand, der versucht, die verschiedenen Perspektiven auf den schwelenden Nahost-Konflikt, der seine Spuren bis hierher, auch in unsere Stadt zieht, zusammenzubringen und Polarisierung aufzulösen. Und genau das muss uns gelingen: uns klar gegen Antisemitismus und für das Existenzrecht Israels und die Unversehrtheit seiner Einwohner*innen zu positionieren, auf der anderen Seite aber das Ungerechtigkeitsempfinden und den Schmerz von Palästinenser*innen über Vertreibung, Ausgrenzung und Bombardements nicht nur zu hören, sondern dem auch empathisch zu begegnen. Nicht jedes Wort, nicht jeder Protest gegen Bomben auf Gaza ist antisemitisch, nicht jede Parteinahme für Israel gleichbedeutend mit der Parteinahme für Nethanjahu und das brutale israelische Vorgehen in Gaza.

Nun aber noch zu den weiteren vorliegenden Änderungsanträgen: Wir können dem Antrag der Grünen für den Ausschluss der AfD-Mitglieder aus dem Migrant*innenbeirat durchaus zustimmen. Mit Rassisten, die Menschen systematisch die Würde absprechen, diese deportieren und ausschließen wollen, gibt es keinerlei Brücken zu bauen. Und auch, wenn sich die Faschisten hier hinstellen und leugnen und bagatelliseren: Auch in Leipzig hetzten sie Menschen gegen Geflüchtete und Muslim*a auf, machen ihre widerliche Propaganda auf dem Rücken von schutzsuchenden Menschen und huldigen auf der anderen Seite Kriegstreibern wie Putin oder Assad.

Sicher sind unsere Mitglieder im Migrant*innenbeirat stark und offensiv genug, um das in den Sitzungen zurückzuweisen. Doch ihre Ideologie gehört nicht in ein Gremium, was verbinden und dabei beitragen soll, unsere Stadt inklusiver zu machen.

Klar, ein Ausschluss der AfD aus dem Migrant*innenbeirat bleibt symbolisch, ein beschlossener Ausschluss bedeutet auch nicht, dass Hass und Hetze verschwinden. Er darf uns nicht davon entbinden, im Alltag gegen Rassismus und Ausgrenzung aktiv zu sein und dazwischen zu gehen, wenn Menschen in ihrer Würde verletzt werden.