Kapazitätsgrenzen in den Kindertagesstätten sind erreicht, der Bedarf ist aber weiter gestiegen

Rüdiger Ulrich

Um den ausgewiesenen Platzbedarf für Kinder bis 10 Jahren in den nächsten Jahren gerecht zu werden, bedarf es eines mittelfristigen Maßnahmeplanes

Die Ratsversammlung soll heute die Bedarfsplanung Kindertagesstätten für den Zeitraum August 2004 bis Dezember 2005 beschließen.
Wie in den vergangenen Jahren auch, ist es Ihnen, Herr Oberbürgermeister, Herr Jung, auch in diesem Jahr nicht gelungen, die Planung zu Beginn des Planungszeitraumes (sie hätte spätestens im Juli 2004 beschlossen werden müssen) vorzulegen. Wir kritisieren erneut dieses verspätete Verfahren, zumal aktualisierte Zahlen, die wir eingefordert haben, erst vorgelegt wurden, nachdem die Vorlage bereits in den Ausschüssen, Stadtbezirksbeiräten und Ortschaftsräten diskutiert wurde.
Die vorliegende Kindertagesstättenbedarfsplanung erhebt den Anspruch, dass jeder Leipziger Familie ein möglichst uneingeschränkter Zugang zu Kindergarten, Krippe/Tagespflege und Hort ermöglicht wird. Nach den langen Diskussionen im Stadtrat über die Einführung von Zugangskriterien und die Verringerung der Betreuungszeiten sind wir froh, und wir haben als PDS-Fraktion auch einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet, dass der politische Wille des Stadtrates und auch der Eltern nach freiem Zugang zu Kindertagesstätten für alle Kinder Leipzigs damit Berücksichtigung findet.
Dabei können wir sehr wohl einschätzen, dass eine Anhebung der Platzzahlen – wie in Leipzig vorgesehen – nicht selbstverständlich ist. In vielen anderen sächsischen Städten wird diese Priorität aufgrund der dramatischen Finanzsituation, mit der bekanntlich alle Städte zu kämpfen haben, nicht gesetzt. Dort sind Zugangsbeschränkungen, erzeugt auch durch eine lasche Gesetzesauslegung der Regierung in Sachsen, eingeführt. Wenn in der Vorlage im Zusammenhang mit einer quantitativen und qualitativen Kindertagesstättenbetreuung vom Alleinstellungsmerkmal oder von einem Wettbewerbsvorteil für den Standort Leipzig gesprochen wird, so sind aus der Diskussion der letzten Jahre durch die Stadtverwaltung die richtigen Schlussfolgerungen gezogen worden.
Diese positiven Grundansätze dürfen allerdings nicht darüber hinweg täuschen, dass die Kapazitätsgrenzen in den Kindertagesstätten erreicht sind, der Bedarf aber weiter ansteigen wird. Wenn einzelne Stadtbezirksbeiräte und Ortschaftsräte der Vorlage nicht zugestimmt haben, dann deshalb, weil in ihren Stadtgebieten schon jetzt der Bedarf nicht mehr ge-deckt ist. Reserven gibt es in der Stadt lediglich noch in den Stadtbezirken Ost und West. Im Krippenbe-reich ist die Lage besonders prekär. Bei weiter stei-genden Geburten, aber einer konstanten Platzzahl von 3400 Plätzen, wird die Warteliste immer länger. Hinzu kommt noch die Tatsache, dass Krippenplätze von Kindergartenkindern belegt werden. Dadurch stehen noch weniger Krippenplätze zur Verfügung, was bei weitem auch nicht durch steigende Tagespflegeplätze ausgeglichen wird. Meine Damen und Herren, aufgrund dieser Situation haben wir nun doch Beschränkungen. Zwar nicht per Beschluss verordnet, aber der Bedarfssituation geschuldet. Die Einrichtungen entscheiden, wer einen Platz bekommt und wer nicht.
Um den ausgewiesenen Platzbedarf für Kinder bis 10 Jahren in den nächsten Jahren gerecht zu werden, bedarf es eines mittelfristigen Maßnahmeplanes (s. Ergänzungsantrag der PDS-Fraktion). Gegenwärtig gibt es lediglich Absichtserklärungen, die weder planerisch noch finanziell untersetzt sind. Wir haben deshalb auch kein Verständnis dafür, wenn Initiativen von Vereinen und Verbänden oder Ortschaftsräten, die Vorschläge für eine Kapazitätserweiterung unterbreiten, wie z. B. in Wiederitzsch oder Holzhausen, zum Teil über Jahre auf eine Entscheidung war-ten müssen. Finanzkräftige ortsansässige Großbetriebe zeigen deutlich ihr Interesse an Kindertagesstättenplätzen. Der Weg kann allerdings nicht der sein, dass sie sich in bestehenden Einrichtungen einkaufen und so Plätze reservieren. Das führt zu Privilegierungen und löst das Problem nicht. Man kann sich leicht vorstellen, welche Kinder dann keinen Platz erhalten. Vielmehr sollten diese Betriebe in ihrem eigenen Interesse motiviert werden (Stichwort Betriebskindergarten), ihre finanziellen Möglichkeiten zu nutzen, um zusätzliche Plätze zu schaffen. Das Kindergartenprojekt der Uni Leipzig sollte auf jeden Fall unterstützt werden. ´
Meine Damen und Herren, wenn der Anspruch nach einem uneingeschränkten Zugang zu Krippe, Kindergarten und Hort nicht nur auf dem Papier stehen soll, dann sind noch große Anstrengungen zur Be-darfssicherung erforderlich. Natürlich werden sich nach der jüngsten OECD-Studie zur Kinderbetreu-ung wieder viele auf die Schulter klopfen und sagen, was wollt Ihr eigentlich, wir in Sachsen oder in Leipzig sind doch Spitze. Aber erstens ist das nicht in erster Linie Ihr Verdienst und zweitens muss ein Spitzenplatz durch viel Einsatz bei ständig schlechter werdenden Rahmenbedingungen immer wieder neu erkämpft werden. Für unsere Situation bedeutet das, dass weitere Plätze in den Kindertagesstätten der Stadt entstehen müssen, was nicht mehr allein durch die Erfüllung von Brandschutzauflagen zu realisieren ist.
Da alle Kinder von 0 bis 10 Jahren den gleichen Anspruch auf Bildung und Erziehung haben, müssen alle Eltern, die dies wünschen, die Möglichkeit erhalten, einen Platz in der dafür zur Verfügung stehenden Bildungseinrichten zu bekommen. Die Zustimmung zu unserem Änderungsantrag betrachten wir als Voraussetzung, der Vorlage insgesamt zustimmen zu können.