Für die kommunale Steuerung des Jobcenters!

Dr. Volker Külow

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Stadträtinnen und Stadträte,
 

eines vorneweg: Wir freuen uns als Linke außerordentlich, dass unsere Forderungen nach einer kommunalen Steuerung des Jobcenters endlich Form annehmen und Eingang in die Leipziger Verwaltungspraxis finden.

Auch wenn der Weg, sagen wir es mal vorsichtig, beschwerlich war, so möchten wir aber dennoch in Richtung des Wirtschaftsbürgermeisters unseren Dank für den Aufbruch in eine auf kommunale Bedürfnisse der Leipziger Unternehmungen und Menschen ausgerichtete Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik betonen und unseren Zuspruch ausdrücken. Danke, dass Sie hier tätig wurden und unsere Forderungen erfüllt haben.
Bereits mit Einführung der Agenda 2010 und der Entscheidung, dass die damalige Arbeitsgemeinschaft, kurz ARGE, eine gemeinsame Einrichtung wird, hatten wir als LINKE Bauchschmerzen. Das hat sich auch mit der Namensänderung 2011 in „Jobcenter“ nicht geändert. Bedauerlicherweise besteht seit dem 31. Dezember 2015 nicht mehr die Möglichkeit, dass Leipzig eine sogenannte Optionskommune bzw. ein zugelassener kommunaler Träger wird, damit wir hier vor Ort in alleiniger Verantwortung die Grundsicherung für Arbeitssuchende durchführen können. Nun müssen wir mit den bestehenden Regularien und einer baldigen kommunalen Geschäftsführung einen sozialen Wirtschaftsstandort in Leipzig durch das Jobcenter stützen.

Eine lokale Beschäftigungspolitik - gesteuert aus irgendeiner Zentrale der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg - ohne die tatsächlichen Gegebenheiten vor Ort, die Bedürfnisse der Unternehmen und nicht zuletzt der Menschen zu kennen, ist von vornherein zum Scheitern verurteilt. Die Zahlen geben uns leider Recht.  Die Problemlagen unserer Stadt, die insbesondere auf die Arbeitslosigkeit zurückzuführen sind, sind seit Jahren dem Sozialreport zu entnehmen. Alljährlich wiederholen wir bei der Einbringung desselbigen die Alarmsignale und predigen schon fast gebetsmühlenartig, dass wir uns endlich dem Kern der Problemlagen nähern müssen. Fast zehn Prozent Schulabbrecher, jedes fünfte Kind in Hartz IV bzw. Bürgergeld, eine steigende, im bundesweiten Vergleich hohe Jugendarbeitslosigkeit, fast zehn Prozent Unterbeschäftigung, über 53.000 Menschen, die von Bürgergeld abhängig sind und so weiter und so fort… Was ist in den letzten Jahren aus dem Jobcenter heraus geschehen? Zu wenig bis gar nichts!

Arbeitslosigkeit und Armut sind in Leipzig eben kein Einzelschicksal und begrenzen tausende Familien über Generationen hinweg. Und ja, das sage ich, bevor Herr Morlok gleich aufspringt: Es gab natürlich arbeitsmarktpolitische Erfolge und einen Rückgang der Arbeitslosigkeit in Leipzig. Das wollen wir nicht verhehlen. Aber ob dies wirklich auf die ARGE, später Jobcenter, zurückzuführen ist, und nicht etwa auf die günstigen „Produktionsfaktoren“ wie billige Bodenpreise, Dumpinglöhne, billiger Wohnraum, geringe gewerkschaftliche Organisierung Anfang der 2000er und Investoren aus der Automobilindustrie, da haben wir mit Blick auf die „geschönten“ Statistiken der Jobcenter erhebliche Zweifel.

Die Arbeitslosigkeit steigt seit geraumer Zeit jedoch wieder kontinuierlich; derzeit auf fast zehn Prozent Unterbeschäftigung[1]. Eine hohe Anzahl an Schulabbrechern, steigende Zahlen von jungen Menschen ohne Arbeit erfordern langfristige kommunale Konzepte. Zeitgleich erleben wir in der Arbeitsmarktpolitik einen sozialen Kahlschlag nach dem anderen. Rückgänge bis hin zur Einstellung von sinnhaften Maßnahmen und Projekten (siehe 16i in Schulen, Stadtreinigung und Co.) erfordern mehr denn je, dass gemeinsam mit dem Dezernat Jugend und Schule in Federführung des Dezernates Wirtschaft endlich ein Präventionskatalog mit sinnhaften Ideen, wie wir diesen Problemen in Leipzig begegnen wollen, auf den Tisch kommt.

Bei der Auswahl einer neuen kommunalen Geschäftsführung, welche ein kommunales Profil sowie ausgewiesene Kompetenzen in der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik mitbringen muss, werden wir konstruktiv, kooperativ, aber aus kommunaler Sicht eben auch kritisch den Prozess und die Auswahl um die beste Geschäftsführung begleiten.

Wir danken der Verwaltung für die nochmalige Überarbeitung der Vorlage und möchten damit schließen, dass wir auch weiterhin, trotz des Wechsels des Vorsitzes das Dezernat Wirtschaft, Arbeit und Digitales, also Sie, Herrn Schülke, an vorderster Stelle und Verantwortung in der Steuerung des Jobcenters sehen. Der Wechsel des Vorsitzes der Trägerversammlung wird nichts an dieser Verantwortung ändern.

Unsere Unterstützung, Herr Jung und Herr Schülke, haben Sie dafür auch weiterhin. Vielen Dank!

 

 

 


[1] Arbeitslose plus arbeitslose Menschen, die sich in Maßnahmen befinden (verdeckte Arbeitslosigkeit)