Fachplan entspricht keinen hohen Ansprüchen

Rüdiger Ulrich

Ein Anhörungsverfahren nutzt allerdings nicht sehr viel, wenn die Verwaltung die kritischen Hinweise und Anmerkungen und auch die Festlegungen zur Überarbeitung negiert.

Lassen Sie mich zunächst etwas zum Verfahren im Zusam-menhang mit der zu beschließenden Vorlage „Fachplan Hilfen zur Erziehung; Fortschreibung ...“ sagen. Diese Vorlage sollte bereits im Frühjahr dieses Jahres im Jugendhilfeausschuss beraten und noch in der alten Wahlperiode beschlossen werden. Dazu kam es allerdings nicht, weil die Vorlage über Monate in der Dienstberatung des Oberbürgermeisters hängen blieb. Dann aber im Oktober sollte es sehr schnell gehen. Deshalb wurde diese Vorlage nun als „Eilbedürftig“ eingestuft. Unter Umgehung des gesetzlich vorgeschriebenen Beteiligungsverfahrens – bei der Jugendhilfeplanung sind die anerkannten freien Träger in allen Phasen der Planung vom Jugendhilfeausschuss anzuhören – sollte nun ein Beschluss herbei geführt werden.
Dieses Verfahren kann nicht akzeptiert werden. Für die zukünftige Entscheidung bei der Jugendhilfeplanung erwarten wir, dass die Beteiligungsverfahren sowohl zeitlich als auch inhaltlich in die Beratungsfolge einzuplanen sind. Dabei sollte die Anhörung der freien Träger bereits vor der Beratung in der Dienstberatung des Oberbürgermeisters erfolgen. Nur so besteht die Möglichkeit, die fachliche Kompetenz der zu beteiligenden Personen und Gremien in die Vorlage einfließen zu lassen.
Ein Anhörungsverfahren nutzt allerdings nicht sehr viel, wenn die Verwaltung die kritischen Hinweise und Anmerkungen und auch die Festlegungen zur Überarbeitung negiert. Wir sind darüber ziemlich verärgert.

Die PDS-Fraktion hat grundsätzlich Probleme mit den vorliegenden Materialien. Jugendhilfeplanung hat den Bestand an Einrichtungen und Diensten festzustellen, den Bedarf zu ermitteln und die zur Befriedigung des Bedarfs notwendigen Vorhaben rechtzeitig und ausreichend zu planen. Diesem Anspruch entspricht der Fachplan Hilfen zur Erziehung nicht. Er beschäftigt sich auf vielen Seiten mit Grundsätzen der steuernden Einflussnahme im Leistungsbereich Hilfen zur Erziehung. Dabei sind die entscheidenden Leistungsparameter die Absenkung der Fallzahlen sowie des Finanzbedarfs. Ein Fachplan ist aber kein Wirtschaftsplan. In ihm müssen auch solche Fragen beantwortet werden wie:

• Entsprechen die vorgehaltenen Angebote quantitativ und qualitativ dem Bedarf?
• Nach welchen Qualitätskriterien werden stationäre und ambulante Hilfen in einem bekanntermaßen sehr sensiblen Bereich eingeschätzt?
• Wo gibt es Defizite? Wie können sie abgebaut werden?
• Wie sind die Fachstandards als verbindliche Arbeitsgrundlage definiert?
• Wie erfolgt die Zusammenarbeit mit anderen Ämtern, Bereichen und Institutionen?

Diese Fragen werden entweder gar nicht oder sehr unkonkret im Plan beantwortet. Obwohl es ähnlich lautende kritische Hinweise von fast allen Seiten gab (Jugendhilfeausschuss, die entsprechenden Fach-AG’s der freien Träger, Stadträte verschiedener Fraktionen), hat sich die Stadtverwaltung sehr schwer getan, Überarbeitungen bzw. Ergänzungen vorzunehmen. Genau dies muss aber in einem Jugendhilfeplanverfahren möglich sein. Zu begrüßen ist die Tatsache, dass sich Jugendhilfeausschuss und Verwaltung zur letzten Sitzung des Ausschusses noch verständigt haben, ein Konzept zur Entwicklung eines Verfahrensvorschlages zur weiteren Evolution der Wirksamkeit von Hilfen zur Erziehung zu erarbeiten sowie jährlich einen Bericht zur Umsetzung des Teilfachplanes Hilfen zur Erziehung vorzunehmen. Damit ist zu erwarten, dass wir zukünftig besser darüber befinden können, ob das Hilfesystem in der Stadt Leipzig dem Bedarf entspricht.

Der grundlegenden Zielstellung Hilfen familienbefähigend zu gestalten und das Familiensystem zu stärken, können wir zustimmen. Es wird uns aber mit dem Plan nicht vermittelt, ob die qualitativen und quantitativen Rahmenbedingungen stimmen. In einer Dienstanweisung des Jugendamtes sind Fachstandards und Leistungsbestandsteile der jeweiligen Hilfe definiert. Warum sind diese nicht Bestandteil des Hilfeplanes?

Um es noch einmal auf den Punkt zu bringen: Wir haben den Eindruck, dass fiskalische Gründe bei der Entscheidung über die Hilfeform einen entscheidenden Anteil haben, uns andererseits nicht vermittelt wird, dass allein das Wohl des Kindes im Mittelpunkt jeder Entscheidung stehen muss. Dieser Eindruck wird verstärkt, wenn völlig realitätsfern im Haushaltssicherungskonzept vorgeschlagen wird, im Bereich der wirtschaftlichen Jugendhilfe 500.000,- Euro einzusparen. Heute werden wir noch eine Dringlichkeitsvorlage zu beschließen haben. Dort geht es um einen Mehrbedarf im laufenden Haushaltsjahr im Bereich Hilfen zur Erziehung von ca. 3,5 Mio. Euro. Gründe sind steigende Fallzahlen im stationären Bereich, die Kompliziertheit der Fälle und die damit verbundene höhere Intensität des Hilfebedarfs und die verschlechterten Einkommensverhältnisse der Zahlungspflichtigen. Den Kostendruck hier weiter zu verstärken hieße für uns, das Wohl des Kindes zu gefährden, aber auch die Sozialarbeiterin, die mit dem Einzelfall betraut ist, in äußerst schwierige Gewissensentscheidungen zu bringen.
Die PDS-Fraktion trägt das nicht mit. Wir erwarten, dass der Fachplan eine qualitative Überarbeitung erfährt, um zukünftig transparent und plausibel die Leistungen im ambulanten, teil-stationären und stationären Bereich darzustellen. Das vorliegende Material wird diesem Anspruch nicht gerecht. Wir werden deshalb dem Plan auch nicht zustimmen.