Es gehören unbedingt Lösungsansätze in den Sozialreport!

Dr. Volker Külow

Beim Sozialreport 2019 handelt es sich wie bei seinen bisherigen 12 Vorläufern seit 2004 um ein immenses Fleißwerk, das einen soliden Überblick über die wesentlichen sozialpolitischen Entwicklungen in unserer Stadt gibt. Deshalb möchte ich zunächst den sieben Frauen und fünf Männern der dezernatsübergreifenden Arbeitsgruppe „Sozialberichterstattung“ für diese umfangreiche Informationsvorlage ganz herzlich danken. Besonders für die Linksfaktion bietet dieses Zahlenmaterial viel anregenden Stoff; es bildet nämlich ab, wie 2018 in Leipzig ganze 999,2 Mio. Euro - das sind immerhin 59 Prozent des städtischen Gesamthaushaltes – für sozialpolitische Aufgaben aufgewendet wurden.

 

Bei den Ergebnissen liegen Licht und Schatten eng beieinander und es wird sicher niemanden hier im Saal verwundern, wenn ich etwas genauer auf die kritischen Entwicklungen eingehe, die nicht so recht in das von der Stadtspitze gern gezeichnete Bild vom blühenden Leipzig passen. Wie die vorliegenden Zahlen unstrittig belegen, vertieft sich trotz der verbesserten Wirtschaftssituation die von uns immer wieder beklagte soziale Spaltung der Stadtgesellschaft. Bei den Nettoeinkommen vergrößert sich die Schere zwischen arm und reich; auch der Einkommensunterschied zwischen Frauen und Männern erhöht sich. Die Frage, ob die deutliche Senkung der Arbeitslosigkeit nur um den Preis niedriger Löhne erkauft wurde, drängt sich damit förmlich auf. Dann aber verblasst der Erfolg der vielen neuen Arbeitsplätze.
 

Auch anderswo ist die Bilanz sehr ambivalent. Nur die Hälfte der potenziell Leistungsberechtigten für Bildung und Teilhabe stellen Anträge, Tendenz sinkend. Der Anteil der eingeschulten Kinder, die keine Regelschulempfehlung erhalten haben, verbleibt stabil hoch zwischen 14 und 16 Prozent. Diese Problemauflistung lässt sich leider noch lange fortsetzen.

 

Das will ich jetzt aber nicht tun, sondern stattdessen einige kritische Anmerkungen zu den methodischen Grundlagen des Sozialreports machen, wie das unsere Fraktion bekanntlich schon im letzten Jahr unternahm. Leider werden im Sozialreport kaum Handlungsfelder und Maßnahmen für die künftige Tätigkeit ausgewiesen. Es gibt auch keine Querverweise zu entsprechenden Handlungskonzepten und Initiativen der Stadt Leipzig an anderer Stelle. Kurz: man spürt im Sozialreport 2019 keinen Gestaltungswillen des federführenden Sozialdezernats. Am Ende bleibt für unsere Fraktion daher die Frage, was die Ergebnisse des Reports nun sozialpolitisch für die Stadt jetzt und in den nächsten Jahren bedeuten.

 

Von einer Sozialberichterstattung auf der Höhe der Zeit, die als Frühwarnsystem wirklich funktioniert, erwarten wir künftig mehr Impulse und Lösungsansätze, damit sich die Kommunalpolitik den großen sozialpolitischen Herausforderungen besser und möglichst offensiv stellen kann. Es findet in der Sozialwissenschaft zur Sozialberichterstattung dazu seit Jahren eine spannende Debatte statt, in der es darum geht, deren Potenzial für mehr Partizipation, Aufklärung, Politisierung und Aktivierung der Öffentlichkeit zu erschließen und zu nutzen. Es ist nach unserer Überzeugung die Grundaufgabe jeglicher Sozialberichterstattung, für soziale Probleme zu sensibilisieren und beizutragen, dass diese Probleme von möglichst vielen nicht fatalistisch als gesellschaftlicher Defekt hingenommen, sondern mit geeigneten sozialpolitischen Maßnahmen bekämpft werden.                

 

Bei anderen Berichten der Stadtverwaltung funktioniert das ja bekanntlich schon recht positiv. Ich weiß natürlich, dass der Suchtbericht nur bedingt mit dem Sozialreport vergleichbar ist. Dort gibt es aber in jedem Unterkapitel einen Standardabschnitt mit der Überschrift „Entwicklungen und neue Herausforderungen“, der grafisch sogar noch durch Kursivdruck besonders hervorgehoben wird. Das ist Sozialberichterstattung im besten Sinne des Wortes. Ein Musterbeispiel ist auch der Teilhabeplan der Stadt Leipzig 2017-2024, auf dem Weg zur Inklusion, den immerhin zwei von drei Autorinnen erarbeitet haben, die auch den Sozialreport 2019 mitverfassten. Das kompetente Personal ist also durchaus vorhanden. Das bewies vor einigen Wochen auch das gelungene Forum Sozialplanung in der Völkerfreundschaft in Grünau. Hier hat das Sozialdezernat gezeigt, über welches Potenzial es verfügt.

 

Daher zum Schluss folgendes Resümee: Auch den nächsten Sozialreport werden wir mit Spannung erwarten. Doch einmal im Jahr eine reine Situationsbeschreibung in zentralen Problembereichen mit teilweiser Verschlechterung der Lage - Stichwort: Einkommensschere - erstaunt zur Kenntnis zu nehmen, während in der übrigen Zeit vieles weiterläuft wie gehabt, ist unbefriedigend. Weil in vielen Bereichen der Bedarf so groß ist, gehören deshalb unbedingt Lösungsansätze in den Sozialreport. Ich hoffe, dass wir mit diesen Erwartungen bei der Verwaltung auf offene Ohren stoßen werden.

 

Rede zur Vorlage VII-Ifo-00333 "Sozialreport"