Ein GAU für jeden Kämmerer

Sebastian Scheel

Eine einmalige Jahresrechung steht heute zur Debatte. Einmalig deshalb, weil erstmalig im Beschlusstext auf das Sündenregister der Stadtverwaltung Bezug genommen wird.

Eine einmalige Jahresrechung steht heute zur Debatte. Einmalig deshalb, weil erstmalig im Beschlusstext auf das Sündenregister der Stadtverwaltung Bezug genommen wird. Das ist ob der Tragweite der Feststellungen auch dringend notwendig gewesen. Wenn die Rechnungsprüfer von nicht unerheblichen Mängeln sprechen, und dass die „tatsächlichen Verhältnisse der Finanzlage“ nicht wiedergegeben werden, so ist das der GAU für jeden Kämmerer.
In jedem Unternehmen würden solche Prüfvermerke zur Nichtentlastung der Betriebsleitung führen. Wir sollen nun aber feststellen.
Nun kann man das begründen mit einem besonders schweren Jahr, dass durch eine „Steuerreform“ mit riesigen Steuereinnahmeverlusten für die Kommunen geprägt war. So steht Leipzig vor der Tatsache, in 2001 ein Loch von 147,8 Mio. DM stopfen zu müssen. Hinzu kamen fehlerhafte Planansätze in Haushaltspositionen. Einige davon sind schon zur Haushaltsplanerstellung bekannt gewesen und wurden geduldet. Geduldet, um Verschiebungen zugunsten anderer Aufgaben vornehmen zu können. Solche Spiele haben sich in Zeiten nicht ganz so karger Jahre eingebürgert, sind jedoch nicht zu verantworten. „Die Verwaltung wird schon eine Deckung finden!“, ist ein Ausspruch, der oft zu hören ist. Für all diejenigen Stadträte, die immer noch meinen, dass sich ihr Entscheidungsspielraum durch falsche Haushaltsansätze erweitert, sei an dieser Stelle deutlich gesagt: Das, was sie in der Haushaltsplanaufstellung hinnehmen, um Handlungsmöglichkeiten zu gewinnen, wird ihnen spätestens bei der Aufstellung von Haushaltssicherungskonzepten mitten im Jahr wieder weggenommen. Denn das Haushaltssicherungskonzept für 2001 haben Sie, meine Damen und Herren, nur zur Kenntnis genommen und so manche Kröte schlucken müssen. Doch war die Dimension der Unterdeckung nicht mehr durch versteckte Reserven abzusichern, was den Kämmerer veranlasste, anderweitig nach Tarnelementen zu suchen, um das Jahresergebnis schöner zu gestalten.
Unter dem Motto „Schöner Haushalt“ wurde der Betriebsvorschuss für das Klinikum St. Georg um ganze 3,5 Mio. DM gekürzt mit dem Hinweis auf die zu erwartenden Einnahmen aus dem US-Leasing Geschäft. Dieses kam aber nicht 2001, sondern erst im Jahr 2002 zustande. Trotz alledem wurden die Mittel gestrichen, nun allerdings aus der Substanz des Unternehmens. Wie schon 2000 haben sich auch für das Jahr 2001 mal wieder nebenbei etwas mehr als 13 Mio. DM in alten Verwahrkonten gefunden, die nicht ordnungsgemäß in Abgang gestellt wurden. Nach Aussage des zuständigen Amtes scheint sich im Fall der Verwahrkonten zumindest Besserung abzuzeichnen. Dann werden einfach so über fünf Millionen DM aus der Veräußerung der Strombörse aus 2002 ins alte Jahr gemogelt. Schlimm genug, dass diese Einnahen zur allgemeinen Deckung des Haushaltes herhalten müssen und nicht weiteren Projekten der Wirtschaftsförderung zur Verfügung stehen.
Doch der wohl härteste Brocken ist nicht nur in der Größenordnung, sondern auch in der Dreistigkeit des Vorgehens, die 48 Mio. DM „Zinsforderung gegenüber der LVV“. Sicherlich haben unsere Unternehmen auch die Aufgabe, sich nach ihren Kräften für die Stadt einzusetzen und wir wissen das auch zu schätzen. Aber eine Forderung, die nicht im Haushaltsplan steht, erst im Dezember des Folgejahres eingeht und Ende 2001 auf Grundlage eines einseitig festgestellten Besserungsfalls durch den Kämmerer begründet ist, auch noch zur Deckung des Defizits des Vorjahres zu nutzen, geht weit über die Experimentierklausel der Sächsischen Gemeindeordnung hinaus, Herr Bürgermeister Kaminski.
Wahrscheinlich verstehen Sie diese Kritik als Schuss vor den Bug. Doch sie soll vielmehr der Leuchtturm, der das Schiff vor den Klippen warnt, sein. Bei allem Verständnis für die zum Großteil unverschuldete finanzielle Schieflage Leipzigs darf das nicht zu gesetzwidrigem Verhalten in der Kämmerei führen. Die Vortäuschung von Haushaltssituationen mit solchen Mitteln gehen zu Lasten der Handlungsfähigkeit in der Zukunft. Jede Mark, jeder Euro, der 2001 angeblich erzielt wurde, geht zu Lasten der künftigen Jahre und täuscht ein Bild vor, dass uns nicht in die Lage versetzt, die notwendigen Entscheidungen zu treffen. Das Hoffen auf bessere Zeiten ist immer ein schlechter Ratgeber, Herr Oberbürgermeister. Unsere Leidensfähigkeit in Bezug auf solches Gebaren ist erreicht.Wir sind es leid, jedes Jahr aufs Neue auf die gesetzlichen Zeitvorgaben hinzuweisen. Wir sind es leid, auf die realistische Planung der Aufgaben zu pochen. Und wir sind es leid, Ihre Zaubertricks im Nachhinein alimentieren zu müssen.
In Zeiten solch angespannter Haushaltslagen ist es nicht mehr nur nicht hinnehmbar, blind in die nächste Haushaltsberatung zu gehen, sondern geradezu kriminell. Deshalb fordern wir Sie auf, die fristgerechte Abgabe der Jahresrechung zu garantieren, um die Haushaltsbeschlussfassung für 2004 nicht in Gefahr zu bringen. Gerade im Hinblick auf die wichtigen Aufgaben, die vor uns stehen, muss Schluss mit Gaukeleien und Selbstbetrug sein.