Die Beschlusskompetenz beim Aufsichtsrat anbinden

Dr. Ilse Lauter

Eigentlich könnte ich meine Rede vom 18. Januar dieses Jahres – damals zum Gesellschaftsvertrag der Sankt-Georg GmbH - vortragen, dort ging es um dasselbe Problem.

Was ist der Streitpunkt?

Wer ist für das strategische Unternehmenskonzept zuständig – der Aufsichtsrat, wie der Kodex vorsieht – oder die Gesellschafterversammlung, wie es der Oberbürgermeister in dieser Vorlage davon abweichend will.

Und wer ist für den darauf fußenden jährlichen Wirtschaftsplan zuständig - der Aufsichtsrat, wie der Kodex vorsieht – oder die Gesellschafterversammlung, wie es der Oberbürgermeister in dieser Vorlage davon abweichend will.

Unser Änderungsantrag möchte den Kodex konsequent umsetzen und die Verantwortung und damit die Beschlusskompetenz beim Aufsichtsrat anbinden, selbstverständlich nach vorheriger Abstimmung mit der Gesellschafterversammlung.

Was ist nun das eigentliche Wesen dieses Streits?

Im Kern geht es um die Kompetenz, Entscheidungsfähigkeit und letztlich die Macht von Aufsichtsrat einerseits oder Gesellschafterversammlung andererseits. Wenn die Gesellschafterversammlung letztendlich auch gegen den Willen des AR entscheiden kann, wozu haben wir dann noch Anteilseignervertreter im Aufsichtsrat? Und wer ist eigentlich die Gesellschafterversammlung? Wer hat Stimmrecht? Der OBM allein bzw. ein Fachbürgermeister in seiner Stellvertretung? Oder der Stadtrat?

Ein Stadtrat, der im Unterschied zu den kommunalen Aufsichtsräten nicht über die notwendige Kompetenz verfügen muss und den betroffenen kommunalen Unternehmen nicht aufsichtsführend und beratend zur Seite steht. Ein Verwaltungsausschuss, der statt einer ausführlichen und aussagekräftigen Vorlage eine PowerPoint Präsentation zur Kenntnis nimmt.

Und es wird das Tor geöffnet für Änderungsanträge der Fraktionen zu Wirtschaftsplänen der kommunalen Unternehmen. Nicht zum Nutzen und zur nachhaltigen Entwicklung der kommunalen Unternehmen.

Doch die Verwaltung will den Kodex in diesen Punkten nicht umsetzen.

Welche Gründe liefert sie uns?

Etwa die in der Überschrift angekündigte Anpassung der Gesellschafter-verträge an die Novellierung des Gemeinderechts?

„Weder das Gesellschaftsrecht noch das Mitbestimmungsrecht oder die SächsGemO sehen eine explizite Zuweisung der Beschlusskompetenz über den Wirtschaftsplan oder das strategische Unternehmenskonzeptes an den Aufsichtsrat oder die Gesellschafterversammlung vor“. [1] Daran haben auch die Novellierungen des sächsischen Gemeindewirtschaftsrechts nichts geändert. Und zu mitbestimmten Unternehmen äußert sich die Sächsische Gemeindeordnung gleich gar nicht.

Entgangen ist der Verwaltung zudem, dass das Staatsministerium des Inneren gemeinsam mit dem Sächsischen Städte- und Gemeindetag und dem Sächsischen Landkreistag schon im November 2014 einen Leitfaden zum kommunalen Beteiligungsmanagement herausgab. Darin ist ein Mustergesellschaftsvertrag enthalten, der (in den §§ 9 (3) 2. und 12) eines ganz klar vorsieht: Die Beschlussfassung des Wirtschaftsplans durch den Aufsichtsrat!

Davon sind die Beteiligten seitdem auch nicht abgegangen.

Damit ist der vorliegende Gesellschaftervertrag nicht an sächsische Regelungen angepasst worden, sondern weicht von ihnen ab.

Völlig inkonsequent ist zudem, dass der Oberbürgermeister bei dieser Vorlage – Gesellschaftervertrag der LVV – dem Aufsichtsrat die Kompetenz zur Beschlussfassung über das strategische Unternehmenskonzept entzieht, das beim nachfolgenden Gesellschaftervertrag der Lecos GmbH aber nicht

tut.[2]

Und mehr noch:

In der Begründung des dritten Gesellschaftervertrages, dem der Aufbauwerk Region Leipzig GmbH argumentiert die Verwaltung – ich zitiere – „Da die ARL keinen Aufsichtsrat hat, befinden sich die Beschlusszuständigkeiten für den Wirtschaftsplan und das strategische Unternehmenskonzept bei der Gesellschafterversammlung.“ [3]

Heißt ja wohl im Umkehrschluss: Wenn sie einen Aufsichtsrat hätte, würde dieser über beides beschließen.

So haben wir drei Vorlagen mit drei einander widersprechenden Konstellationen:

  1. Die LVV hat einen Aufsichtsrat. Dieser darf weder über das strategische Unternehmenskonzept bestimmen noch über den Wirtschaftsplan. Beides tut die Gesellschafterversammlung.
  2. Die Lecos hat einen Aufsichtsrat. Dieser darf über das strategische Unternehmenskonzept bestimmen, nicht aber über den Wirtschaftsplan. Letzteres tut die Gesellschafterversammlung.
  3. Da die ARL keinen Aufsichtsrat hat, bestimmt die Gesellschafterversammlung über strategisches Unternehmenskonzept und Wirtschaftsplan.

Und das sollen schlüssige Argumente sein?

Liebe Kolleginnen und Kollegen Stadträte, geben Sie die Kompetenz für den Wirtschaftsplan und das strategische Unternehmenskonzept dorthin, wo sie hingehört – in den Aufsichtsrat. Setzen Sie so den Kodex um. Stimmen Sie für unseren Änderungsantrag.

 

[1] DS VI 3434, S. 2

[2] DS VI VI-4818, Anlage 1, § 14 (7)

[3]  DS 4959, s: !

 

Rede zur Drucksache DS VI-4309 „Anpassung des Gesellschaftsvertrags der LVV an die Änderungen der Sächsischen Gemeindeordnung und Umsetzung des Leipziger Corporate Governance Kodexes“.