Das Jahrtausendfeld – ein Stück „Lucky Leipzig“

Volker Külow

Das Jahrtausendfeld an der Karl-Heine-Straße ist mit 2,5 Hektar die letzte große Brache im Leipziger Westen. Spätestens seit der EXPO 2000 steht das Areal als sehr bewusst wahrgenommener „Möglichkeitsraum“ im Fokus der Öffentlichkeit. Das Jahrtausendfeld ist ein Stadtbaustein mit viel Potenzial, ein Experimentierfeld im wahrsten Sinne des Wortes für eine zukunftsfähige Stadtentwicklung. Viele Akteurinnen und Akteure gibt es hier, die sich seit Jahren um das Jahrtausendfeld ehrenamtlich kümmern und vor Ort engagieren.

Bislang fehlen jedoch substanzielle städtebauliche Zielsetzungen weitgehend. Im aktuellen Flächennutzungsplan ist das gesamte Jahrtausendfeld lediglich als „Fläche für Gemeinbedarf (Schule/Bildung)“ ausgewiesen, obgleich für eine Schule maximal ein Drittel der Fläche benötigt würde.  Auch deshalb hat die Linksfraktion einen Antrag eingebracht, das Jahrtausendfeld bis Ende 2022 kooperativ mit der Stadtgesellschaft und dem Eigentümer gemeinsam zu entwickeln; das schließt ein bürgernahes Dialogverfahren und im Anschluss die Aufstellung eines B-Planes ein. Ein solches Herangehen ist nach unserer festen Überzeugung am besten geeignet, einen fairen Interessenausgleich zwischen dem Flächeneigentümer, der Stadt Leipzig sowie den lokalen Akteurinnen und Akteure herzustellen. 

Die künftige Nutzung umfasst viele städtebauliche Fragestellungen und kreist um zwei Pole: die maximale bauliche Ausnutzung ist der eine Pol und der Erhalt einer als „offen“ wahrgenommen Freifläche ist der andere. Es geht primär um die angemessene städtebauliche Dichte, um eine sinnvolle Nutzungsmischung, es geht um mehr als nur einen etwaigen Schulstandort plus Wohnungsbau; es geht auch und gerade um stadtökologische Aspekte wie eine Frischluftschneise und den Grünflächenanteil. 

Vor diesem Hintergrund halte ich einige kritische Bemerkungen zum Verwaltungsstandpunkt für notwendig. Er irritiert uns durch seine sehr defensive Ausrichtung – sowohl inhaltlich als auch zeitlich, denn es wird keinerlei Frist gesetzt. Die Verwaltung macht deutlich, dass sie nicht gestalten will und den Status quo noch möglichst lange so beibehalten will. Wohlwollend könnte man mit Karl Valentin sagen: „Mögen hätt’ ich schon wollen, aber dürfen hab ich mich nicht getraut!“ 

Der Verwaltungsstandpunkt SP hat aus unserer Sicht auch zu viele Schlupflöcher. Über das avisierte Gutachterverfahren soll zunächst nur mit dem Eigentümer verhandelt werden. Als Grundlage dafür dient „eine angemessene und wirtschaftlich tragfähige bauliche Entwicklung der Fläche“ heißt es etwas kryptisch unter 2. Am Verwaltungsstandpunkt überrascht uns besonders, dass er nur zu einem informellen Planungsinstrument greift, für das es im Baugesetzbuch keine rechtliche Grundlage gibt - das schon erwähnte Gutachterverfahren. Es hat sicher seine Qualitäten, aber das Ergebnis informeller Planungen bietet keine Garantie für deren Umsetzung, wenn sich die Entscheider nicht verpflichtet fühlen oder z.B. der Eigentümer wechselt. 

Wir hingegen sehen die Stadt am Jahrtausendfeld in der städtebaulichen Pflicht, Flagge zu zeigen. Im Vergleich zu anderen Städten - darauf haben die Grünen in ihrem HH-Antrag für vier zusätzliche Stellen im Stadtplanungsamt zu Recht aufmerksam gemacht - werden in Leipzig zu viele städtebaulich prägende Vorhaben nach § 34 BauGB entwickelt. Das wollen wir ändern. Auch gerade am und mit dem Jahrtausendfeld. Die im Gutachterverfahren zu klärenden Fragen können selbstverständlich alle im von uns vorgeschlagenen Dialogverfahren und dem anschließenden B-Planverfahren problemlos geklärt werden.

Vor einigen Monaten gab es auf dem Jahrtausendfeld unter dem Titel „Welcome to Lucky Town“ eine spektakuläre Tanztheaterperformance. Die Westernstadt aus Hüpfburgen bildete eine phantastische Stadt ab und war zugleich eine Allegorie für die Verteidigung des öffentlichen Raumes für alle. Dieser künstlerische Ansatz wies auffällige Parallelen zu unseren politischen Überlegungen zur Zukunft des Jahrtausendfeldes auf. Tragen wir mit der heutigen Beschlussfassung dazu bei, an der Nahtstelle zwischen der homogenen Blockstruktur des 19. Jahrhunderts entlang der Karl-Heine-Straße, dem Freiraumsystem des Karl-Heine-Kanals und den heute neu genutzten Baukörpern des ehemaligen Industriegebietes weiter ein Stück „Lucky Leipzig“ zu gestalten.