Ausgrenzung ganzer Gruppen als Lösungsvorschlag

Rüdiger Ulrich

Um Ruhe und Ordnung im Wohngebiet herzustellen, sollen alle vermeintlichen Krachmacher, wie z. B. Kinder und Jugendliche, Sportgruppen u. a. an Wohngebietsrandbereiche verbannt werden.

Herr Obser,ich habe lange überlegt, ob man auf so einen Antrag, der sich selbst disqualifiziert, überhaupt reagieren muss, bin aber dann zu der Überzeugung gekommen, dass die Denkrichtung, die in diesem Antrag deutlich wird, geradezu eine Reaktion herausfordert.
Um Ruhe und Ordnung im Wohngebiet herzustellen, sollen alle vermeintlichen Krachmacher, wie z. B. Kinder und Jugendliche, Sportgruppen u. a. an Wohngebietsrandbereiche verbannt werden. Die Ausgrenzung ganzer Gruppen ist Ihr Problemlösungsvorschlag.
Insbesondere die Kinder und Jugendlichen werden es Ihnen danken, können sie doch entsprechend Ihrem Vorschlag nun endlich frei von jeglicher Gängelei und Einflussnahme der Erwachsenen tun und lassen was sie wollen. Und auch die älteren MitbürgerInnen sind zufrieden, sie haben endlich ihre Ruhe.

Dabei löst sich in einigen Stadtteilen – wie z. B. Grünau – Ihr Heimatstadtteil, Herr Obser, das Problem von allein. Wie im Bericht zum Stadtumbau in Plattenbausiedlungen zu lesen ist, wurde in wenigen Jahren aus dem „jungen Stadtteil Grünau“ – noch 1997 mit überdurchschnittlich vielen Kin-dern und Jugendlichen – ein Stadtteil, in denen Kinder und Jugendliche nun erheblich unterrepräsentiert sind. Das Ziel muss es doch aber sein, damit der Stadtteil überleben kann, die Attraktivität des Stadtteils für Familien mit Kindern zu erhalten. Ihr Vorschlag, Herr Obser, steht dem entgegen. Er ist auch nicht zielführend im Zusammenhang mit dem Lärmproblem. Eine Verlagerung von Sport- und Freizeiteinrichtungen führt auch nicht automatisch dazu, dass die Kinder und Jugendlichen damit verschwunden sind, weil sie evtl. den Einrichtungen hinterhergezogen sind. Im Gegenteil, die Probleme würden sich verschärfen, weil ihnen sinnvolle Freizeitangebote weggenommen werden würden. Einrichtungen sind dort, wo Bedarf besteht und wo diese entsprechend angenommen werden.
Natürlich muss auch dem Ruhebedürfnis älterer Bürger im Rahmen der Polizeiverordnung entsprochen werden. Hier sind aber vor allem die Betroffenen vor Ort gefordert (SozialarbeiterInnen, Ämter, Polizei, Stadtbezirksbeirat und die Bürger selbst). Die Probleme mit ruhestörendem Lärm, wie sie auch von der Bürgerinitiative „Ruhe im Wohnumfeld“ artikuliert wurden, sind nur über Gespräche aller Beteiligten vor Ort zu klären, wenn diese auch mitunter langwierig und schwierig sind. Pauschalanträge, die letztendlich Personengruppen ausgrenzen, sind dagegen untauglich.

Meine Damen und Herren, die Stadtverwaltung ist beauf-tragt, alle Vorlagen des Oberbürgermeisters einer Kinderfreundlichkeitsprüfung zu unterziehen. Ich schlage Ihnen vor, dass zukünftig auch alle Anträge der Fraktionen und Stadträte einer solchen Prüfung unterzogen werden sollten. Der Antrag von Herrn Obser macht deutlich, dass dies erforderlich ist.

Anmerkung

Der Antrag von Stadtrat Obser, Fraktion CDU/DSU, wurde mehrheitlich abgelehnt.