A 01967 Strukturwandel beschleunigen - Zukunftsbranchen gezielt fördern

Fraktion DIE LINKE

Die Stadt Leipzig prüft die Ergänzung der Kriterien und Fördermaßnahmen des Mittelstandsförderprogramms und der Clusterförderung mit dem Ziel der gezielten Förderung von Unternehmen mit Hauptsitz in Leipzig und Start-up-Unternehmen in zukunftsfähigen, nachhaltigen und lukrativen Branchen und Geschäftsfeldern, Transformation von ansässigen Unternehmen von reinen Produktionsstandorten zu Produktions- und Entwicklungsstandorten zur Schaffung hochwertiger, anspruchsvoller, stabiler Arbeitsplätze durch den Aufstieg von Neugründungen und Bestandsunternehmen auf höhere Stufen der Wertschöpfung, Stärkung der Resilienz von Unternehmen und damit des Wirtschaftsstandorts Leipzig, Weiterführung der derzeitigen Förderung für klein- und mittelständische Unternehmen (KMU) über das derzeit gültige Mittelstandsförderprogramm hinaus.

Die Stadt Leipzig prüft die individuell ausgeschütteten Fördersummen und die Anpassung an den realen Finanzierungsbedarf der Unternehmen.

Die Stadt Leipzig fördert damit zukunftsfähige, hochwertige Arbeitsplätze und stärkt die lokale Wirtschaft, indem die einseitige Fixierung auf den Bereich Automotive allmählich zurückgefahren bzw. gezielt durch die Orientierung auf tragfähige Entwicklungsrichtungen im Antriebsbereich mit Ausstrahlung auf die Energie- und Mobilitätswende und Wirkung gegen den Klimawandel abgelöst wird.

Begründung:

Unsere Stadt hat nach der Deindustrialisierung in den 90er Jahren keine eigenständigen größeren Unternehmen (ausgenommen VNG) mehr. Erst mit den Ansiedlungserfolgen von BMW und Porsche erfuhr Leipzig wieder Aufmerksamkeit und hat eine wirtschaftliche Grundlage. Neben diesen global Playern sind auch DHL und der Flughafen Leipzig/Halle Träger eines wirtschaftlichen Aufschwungs. Mit der vorsichtigen wirtschaftlichen Konsolidierung geht auch eine Stabilisierung des Handwerks und der klein- und mittelständischen Wirtschaft einher. Leider hat aber auch der Niedriglohnsektor immer noch ein nicht akzeptables Ausmaß.

Für unsere Stadt und ihre Region ist die Abhängigkeit von der Krisenfestigkeit der großen Konzerne eminent. Da diese ihren Firmensitz nicht in Leipzig haben, besteht die Gefahr, dass hier im Krisenfall zuerst Arbeitsplätze abgebaut und Produktionsstandorte geschlossen werden.

 

Mit der Covid-19-Pandemie und den damit einhergehenden temporären Schließungen der Produktionsstandorte in Leipzig sowie Ausfällen bei der Gewerbesteuer und der Aufträge für Zulieferbetriebe wurde das Ausmaß der Abhängigkeit von der Automobilindustrie sichtbar. Hinzu kommt, dass die Automobilbranche vor radikalen Veränderungen, die ihre Geschäftsmodelle beeinflussen, steht. Weltweit geht man von einer fallenden Nachfrage in der Automobilwirtschaft aus. Gründe hierfür sind die global schwächelnde Konjunktur sowie Marktsättigung und die hohe Anzahl an Wettbewerbern. Obwohl bei den BMW- und Porsche-Standorten Leipzig nicht von Personalkürzungen ausgegangen wird und derzeit hohe Investitionen in den Umbau der Produktionsstraßen auf batterieelektrisch betriebene Fahrzeuge (BEV) getätigt werden, besteht die Gefahr eines Rückgangs der Vergabebudgets an Zulieferbetriebe, die beispielsweise Fahrzeugkomponenten herstellen. Der Produktionsaufwand eines BEVs ist deutlich geringer als für ein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor. Außerdem werden Vergabeumfänge zur Auslastung der eigenen Belegschaft ingesourct. Dies gilt ebenso für die Entwicklungsaufwände. Neben Zulieferern aus der Stahlindustrie sind auch Unternehmen aus chemischer Industrie und Maschinenbau betroffen sowie diverse kleine und mittelständische Unternehmen. Hieraus resultiert ein dringender Handlungsbedarf für die Stadt Leipzig, um den Wohlstand und die Industriekultur der Stadt zu erhalten.

Die Schließung des Traditionsunternehmens Gusswerke Leipzig GmbH, das Motorblöcke gebaut hat, ist eine von vielen drohenden kommenden Insolvenzen, die aus dem Strukturwandel in der Automobilbranche resultiert. Die Corona-Pandemie hat die Situation zusätzlich beschleunigt. Kurzfristige Mittelstandsfördermaßnahmen, resultierend aus der Covid-19-Krise, sind somit als Symptombekämpfung zu verstehen und bekämpfen nicht die Ursache.

Gerade bei klein- und mittelständischen Betrieben muss das Augenmerk auf die Bestandsfähigkeit am Markt gelegt werden. Nicht immer besitzen diese ausreichende finanzielle Mittel, um sich aus der Abhängigkeit von einer Branche loszulösen. Hier bedarf es entsprechender Förderprogramme, die über das Mittelstandsförderprogramm und Clusterförderung hinausgehen. Aktuell fördert das Mittelstandsförderprogramm Klein- und Kleinstunternehmen. Aus dem Monitoring 2015 und 2019 geht hervor, dass knapp 75 % der Unternehmen in der Förderung 1 - 4 Mitarbeiter haben; 2019 betrug die durchschnittliche Fördersumme je Förderfall 3.354 €. Unternehmen, die einem Cluster angehören, bewegen sich in einer ähnlichen Größenordnung. Für größere Unternehmen erweisen sich die Fördersummen als zu gering. Die Stadt Leipzig soll ausgehend von der geschilderten wirtschaftlichen Entwicklung der Automobilindustrie eine Änderung der Kriterien und Fördermaßnahmen des Mittelstandsförderprogramms prüfen. Das Mittelstandsförderprogramm muss gezielt Einfluss darauf nehmen, quantitativ und qualitativ die Schaffung von Arbeitsplätzen dahingehend zu favorisieren, dass innovative Kleinstunternehmen mittelfristig ihre ausgeprägte Kleinteiligkeit überwinden können, in gewichtigere Größenklassen aufsteigen und damit den Wirtschaftsstandort insgesamt und seine Steuerkraft stärken. Hierfür spricht auch, dass Leipzig mit der Clusterförderung bereits einen wichtigen Ansatz zur Förderung von Mittelstandsunternehmen in Zukunftsbranchen fährt und Aufgabenfelder wie z. B. Wissens- und Innovationstransfer unterstützt.

Ziel ist, Leipziger Unternehmen und Zulieferer bei der Transformation in zukunftsfähige Unternehmen zu unterstützen und durch konsequente Ausrichtung auf ökologische Aspekte des Wirtschaftens und entsprechend bestandsfeste Arbeitsplätze gezielt den ökosozialen Strukturwandel zu fördern:

  • Weg von reinen Produktionsstandorten mit geringeren Stundensätzen hin zu Entwicklungsstandorten, dadurch Fachkräftesicherung mit Schaffung hochwertiger Arbeitsplätze.
  • Anpassung des Portfolios der Unternehmen auf zukunftsfähige Leistungsumfänge, die nicht von Near- und Offshoring bedroht sind.
  • Qualifizierung und Transformation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ermöglichen.

Da seitens der Stadtverwaltung keine Strukturpolitik betrieben werden kann, sind mit Bezug auf die Förderpraxis von KMU vor allem solche Unternehmen zu berücksichtigen, die

  • bereits über ein entwickeltes Produkt- und Leistung-Portfolio, vor allem unter ökologischen und ressourcenschonenden Aspekten, verfügen,
  • ein Potenzial bei der Schaffung von Arbeitsplätzen und Wertschöpfung aufweisen,
  • mit regionalen Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen kooperieren,
  • regionale Verbundprojekte entwickeln und entsprechende Kooperationen anbahnen bzw. ausbauen.

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