VII-F-10185 Ehemaliges Postgebäude in Grünau-Mitte und Umgang mit Stadtratsbeschlüssen

Fraktion Die Linke

Nachdem der Beschluss zum Tausch des ehemaligen Postgebäudes in Leipzig-Grünau mit drei Flurstücken stellen wir folgende Nachfragen:

  1. Wann wurden in den letzten zehn Jahren mit der Stadtbau AG Gespräche zum Komplex ehemalige Post in Grünau geführt, wer nahm daran teil und welche Ergebnisse gab es?
  2. Welche konkreten Nutzungsideen sind aus der internen Ämterabfrage für das ehemalige Postgebäude bekannt?
  3. Welche Ämter haben sich im internen Abstimmungsverfahren gegen den Flächentausch ausgesprochen und mit welcher Begründung?
  4. Hatte das ehemalige Postgebäude in Grünau im Zusammenhang mit anderen Nutzungsideen seitens der Stadtverwaltung eine Rolle gespielt? Welche waren das?
  5. Zu welchem Datum endet die Veränderungssperre für ein Teilgebiet des Bebauungsplans 466 (VII-DS-06613), die am 14.04.2022 durch den Stadtrat beschlossen wurde?
  6. Sieht die Stadtverwaltung vor, die Veränderungssperre nach § 17 BauGB zu verlängern?
  7. Wie ist der Bearbeitungsstand des Bebauungsplans 466 – wann soll die Satzung dem Stadtrat zur Beschlussfassung vorgelegt werden?
  8. Gibt es für die Flurstücke in diesem Bereich Kaufabsichten, wenn ja welche?
  9. Gehört es in Leipzig zur Amtssprache dazu, wenn bei Grundstücksgeschäften lapidar von: „Wer soll den Spaß eigentlich bezahlen?“ gesprochen wird?

Antwort

1. Wann wurden in den letzten zehn Jahren mit der Stadtbau AG Gespräche zum Komplex ehemalige Post in Grünau geführt, wer nahm daran teil und welche Ergebnisse gab es?

In den Jahren 2015 und 2016, nach dem Kauf des Gebäudes der ehemaligen Post durch die Stadtbau AG, fanden Gespräche zwischen Vertretern der Stadtverwaltung (Amt für Gebäudemanagement, Amt für Stadtentwicklung und Wohnungsbau, Sozialamt) mit Vertretern der Stadtbau AG statt, um die städtischen Nutzungsmöglichkeiten der Immobilie zu eruieren. Zur damaligen Zeit war die Stadtbau AG nicht zu einem Weiterverkauf bereit, daher wurden Mietoptionen geprüft, die letztlich nicht umgesetzt wurden.

Am 20.11.2023 fand ein Gespräch zwischen Vertretern der Stadtbau AG (Herr Fahrenkamp), dem Liegenschaftsamt (Herr Kaufmann) und dem Stadtplanungsamt (Herr Boldt) statt. Darin wurden – ohne konkrete Ergebnisse – die Perspektiven des Objekts der ehemaligen Post Grünau, der kommunalen Flächen an der Antonienstraße und der Sachstand zum Bildungs- und Bürgerzentrum ausgetauscht (siehe ausführlicher VII-F-09414-AW-01).

Am 16.04.2024 sprachen Vertreter der Stadtverwaltung – Bürgermeister Dienberg und Herr Kaufmann – erneut mit Herrn Fahrenkamp über die Optionen einer Nutzung des ehemaligen Postgebäudes in Grünau.

Weitere mögliche Gespräche zwischen der Stadtverwaltung und der Stadtbau AG zum Thema sind nicht dokumentiert.

2. Welche konkreten Nutzungsideen sind aus der internen Ämterabfrage für das ehemalige Postgebäude bekannt?

Bereits im Verwaltungsstandpunkt VII-A-08262-VSP-01 vom 16.06.2023 legte die Verwaltung dar, dass zum Zeitpunkt der Beschlussfassung kein kommunaler Bedarf für die „Alte Post Grünau“ bekannt war. Eine Bedarfsprüfung, die gemäß § 89 der Sächsischen Gemeindeordnung (SächsGemO) vor Grunderwerbs- und Grundstücks-tauschgeschäften durchzuführen ist, konnte erst nach der Beschlussfassung vollständig durchgeführt werden. Mittlerweile ist diese Bedarfsprüfung abgeschlossen.

Ein konkreter kommunaler Bedarf an einer Einrichtung für soziale, kulturelle oder sportliche Zwecke konnte für diesen Standort nicht ermittelt werden. Absehbar besteht bei keinem Fachamt die Bereitschaft zur Übernahme, Sanierung, Ertüchtigung und Bewirtschaftung des Objektes. Eine Inbestandnahme des sanierungsbedürftigen Objektes führt neben den einmaligen Erwerbsaufwendungen zusätzlich zu hohen Folgekosten für die Sicherung und Instandhaltung sowie die notwendige Sanierung und Modernisierung. Die geschätzten Kosten für eine Komplettsanierung bzw. -modernisierung des Gebäudes belaufen sich dabei auf mindestens 6.250.000 €. Eine Finanzierungsgrundlage besteht dafür aktuell nicht. Ein Ankauf als fiskalische Liegenschaft wird aufgrund der fehlenden Nutzungsperspektive und aus Gründen der Wirtschaftlichkeit prinzipiell nicht empfohlen.

3. Welche Ämter haben sich im internen Abstimmungsverfahren gegen den Flächentausch ausgesprochen und mit welcher Begründung?

Bei der Bedarfsprüfung wurden der Bedarf an den konkreten Grundstücken und Objekten erfragt, nicht eine Zustimmung zum Flächentausch. Gegen eine Veräußerung der Grundstücke in Kleinzschocher sprachen sich das Stadtplanungsamt und das Verkehrs- und Tiefbauamt aus.

Für die antragsgegenständlichen Flurstücke 302/b, 599/1, 599/2 der Gemarkung Kleinzschocher lag bereits zum Zeitpunkt der Beschlussfassung keine Entbehrlichkeit vor. Im Nachgang zur Beschlussfassung sowie zum ersten Verhandlungsgespräch mit der Eigentümerin der „Alten Post Grünau“ wurde eine vollständige Prüfung durchgeführt. Im Ergebnis ist weiterhin keine Entbehrlichkeit der städtischen Flurstücke gegeben.

Die antragsgegenständlichen Flurstücke sind im Eigentum der Stadt Leipzig und befinden sich im Geltungsbereich des sich in Aufstellung befindlichen B-Plans Nr. 466 „Quartiere an der Antonienstraße/Klingenstraße“. Das B-Planverfahren Nr. 466 ist eine der ersten Planungen in einem Bestandsquartier, die unter dem übergeordneten Thema der doppelten Innenentwicklung steht und der Sicherung einer standortspezifisch angemessenen, städtebaulichen Dichte i. V. m. festzusetzenden Grünflächen Rechnung tragen soll. Ein entsprechender Aufstellungsbeschluss wurde am 21.04.2021 durch die Ratsversammlung gefasst und im Leipziger Amtsblatt Nr. 9/2021 vom 08.05.2021 bekannt gemacht. Das Verfahren wird aktuell ohne Vertragspartner/Vorhabenträger allein auf Initiative der Stadt Leipzig durchgeführt und steht erkennbaren Einzelinteressen entgegen. In diesem Zusammenhang ist durch die Ratsversammlung am 14.04.2022 für einen Teilbereich des B-Plans eine Veränderungssperre beschlossen und im E-Amtsblatt Nr. 9/2022 vom 30.04.2022 bekannt gemacht.

Folgende Aspekte sollten in diesem Zusammenhang noch einmal benannt werden:

  • Neben den Zielen des Bebauungsplanes zu einer geordneten städtebaulichen Entwicklung unter Klärung der städtebaulichen Raumkantenbildung sowie Berücksichtigung stadtklimatischer Aspekte, ist die Sicherung der Nahversorgung innerhalb des Quartiers ein weiteres Ziel der Planung. Vor dem Hintergrund unterdurchschnittlich quantitativer Ausstattungskennziffern für den Ortsteil Kleinzschocher ist daher die Prüfung und Sicherung des Nahversorgungsstandortes im Rahmen des B-Planverfahrens angezeigt. Im Vorentwurf wurde der Standort eines Nahversorgers auf den städtischen Flächen geprüft.
  • Ein Verbleib des Nahversorgers der Firma ALDI auf den Flurstücken 938/1, 937/2, 598/4 der Gemarkung Kleinzschocher ist kein Planungsziel. Die Firma ALDI ist Mieter am Standort und der Lieferverkehr wird aktuell über die Röckener Straße (Ladestraße Ost) gewährleistet. Dies widerspricht den Zielen des in Aufstellung befindlichen B-Plans 380.1 „Grüner Bahnhof Plagwitz – Nordteil“ (Aufstellungsbeschluss 12.12.2014). Aus diesem Grund ist eine künftige Erschließung des Quartiers zwingend über die Klingen- und Antonienstraße zu sichern.
  • Ein weiteres Ziel des B-Planes ist zudem die Sicherung einer öffentlichen Fuß- und Radwegeverbindung zwischen Klingenstraße und den Grün- und Freiflächen des „Grünen Bahnhofs Plagwitz“ im Bereich der städtischen Flurstücke. Dies steht einem Verkauf oder Tausch entgegen bzw. würde diesen belasten. Hierdurch würde die Umsetzung mindestens eines Planungszieles erschwert.
  • Aus einer möglichen Neubebauung bzw. Nachverdichtung im Bereich der Antonienbrücke sollten keine Eingriffe in den Brückenbau resultieren. Hier ist sicherzustellen, dass keine Grundstücke, die Bauteile der Brücke enthalten, veräußert werden oder entsprechende Grunddienstbarkeiten wie eine Betretungserlaubnis vereinbart werden.

4. Hatte das ehemalige Postgebäude in Grünau im Zusammenhang mit anderen Nutzungsideen seitens der Stadtverwaltung eine Rolle gespielt? Welche waren das?

In den Jahren 2015 und 2016 wurden im Zuge der Prüfung von Mietoptionen in der ehemaligen Post Grünau gesondert betrachtet, ob die Unterbringung der Abteilung Migrantenhilfe des Sozialamts dort möglich ist.

Seit einigen Jahren trägt sich die Stadt mit der Absicht, das Bildungs- und Bürgerzentrum Grünau (BBZ) zu errichten. Dieses soll als großes Stadtteilzentrum sowohl mit Verwaltungs- als auch Bildungseinrichtungen errichtet werden. Nach zahlreichen Standortprüfungen, darunter auch die ehemalige Post Grünau, wurde gemäß Beschluss des Stadtrats nur der Standort Stuttgarter Allee 13-15 weiterverfolgt. Der Planungsbeschluss Bildungs- und Bürgerzentrum (VII-DS-08973) hierzu wurde in der DB OBM am 19.03.2024 bestätigt und geht nun zur Beschlussfassung in die Ratsversammlung.

5. Zu welchem Datum endet die Veränderungssperre für ein Teilgebiet des Bebauungsplans 466 (VII-DS-06613), die am 14.04.2022 durch den Stadtrat beschlossen wurde?

Die Satzung tritt mit Ablauf des 29.04.2024 außer Kraft.

6. Sieht die Stadtverwaltung vor, die Veränderungssperre nach § 17 BauGB zu verlängern?

Nein, eine Verlängerung wird weder beabsichtigt noch wäre dies rechtlich möglich.

7. Wie ist der Bearbeitungsstand des Bebauungsplans 466 – wann soll die Satzung dem Stadtrat zur Beschlussfassung vorgelegt werden?

Es wird aktuell die Vorlage zum Billigungs- und Auslegungsbeschluss für den Entwurf zum Bebauungsplan erarbeitet. Die Einbringung der Vorlage in den Stadtrat ist für das III. Quartal 2024 geplant. Der Satzungsbeschluss soll bis zur Sommerpause 2025 erreicht werden.

8. Gibt es für die Flurstücke in diesem Bereich Kaufabsichten, wenn ja welche?

Es besteht die Absicht, die Flächen an der Antonienstraße für die Verlagerung des rückwärtigen ALDI-Marktes zu nutzen und hierfür z.B. hier einen Grundstückstausch mit Flächen innerhalb des Plangebietes zu organisieren. Darüber hinaus besteht seitens der Stadtbau AG grundsätzlich ein Interesse am Erwerb der Flurstücke.

9. Gehört es in Leipzig zur Amtssprache dazu, wenn bei Grundstücksgeschäften lapidar von: „Wer soll den Spaß eigentlich bezahlen?“ gesprochen wird?

In der internen, informellen und elektronischen Projektkommunikation zwischen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung erhält im Rahmen der vertrauensvollen Zusammenarbeit gelegentlich auch Alltags- und Umgangssprache Einzug. In diesem konkreten Fall handelt sich offenkundig um eine umgangssprachliche Zuspitzung des Umstandes, dass eine Mittelverfügbarkeit weder für den Liegenschaftstausch noch für die zu erwartenden Folgekosten eines Umbaus des Objektes „Alte Post Grünau“ gegeben ist. Die gewählte Formulierung bringt insbesondere die haushälterische Herausforderung zum Ausdruck, die mit der Beschlussumsetzung verbunden ist. Umgangssprachliche Formulierungen aller Art sind grundsätzlich nicht Bestandteil der formellen Amtssprache, die in amtlichen Bekanntmachungen, Schreiben, Stellungnahmen etc. Anwendung findet. Die allgemeine Diskrepanz zwischen formeller Amtssprache und alltäglicher Kommunikation wird übrigens auf der Website der Stadt Leipzig unter https://www.leipzig.de/buergerservice-und-verwaltung/stadtverwaltung/amtsdeutsch schlaglichtartig und mit dezentem Humor gewürdigt.