VII-F-09830 Wie weiter mit dem Mietspiegel?

Fraktion Die Linke

Derzeit läuft am Amtsgericht eine Vielzahl Klageverfahren des Immobilienkonzern BCRE (Brack Capital Real Estate) gegen Mieter*innen, die vorausgegangenen Begehren von Mieterhöhungen nicht zugestimmt hatten. Der LVZ war am 22. Januar zu entnehmen, dass es sich um eine dreistellige Zahl von Klagen handelt. Die Klageverfahren haben eine große Bedeutung für den Leipziger Wohnungsmarkt, da die Anerkennung des Mietspiegels 2020 im Mittelpunkt steht. Der Immobilienkonzern lässt den Verweis der Mieter*innen darauf nicht gelten, erkennt diesen nicht als Richtwert an, sondern beruft sich stattdessen auf drei Vergleichsmieten. Genau das soll durch einen Mietspiegel verhindert werden.

Letzte Woche hat BCRE vor Gericht einen Erfolg in der Sache erzielt: „In einem aktuellen richterlichen Hinweis, welcher der LVZ vorliegt, wird eine Mieterhöhung vom April 2023 nun prinzipiell für rechtmäßig erklärt. Es sei ‚nicht zu beanstanden‘, dass der Hausbesitzer seine Forderung nach mehr Geld auf drei Vergleichswohnungen gestützt habe, heißt es in dem richterlichen Hinweis. Denn der damals geltende Leipziger Mietspiegel 2020 ‚war nicht (mehr) qualifiziert‘“ (LVZ-Artikel vom 09.02.24 siehe Anhang)

Wir fragen daher:

  1. Welche Rechtsauffassung vertritt die Stadt Leipzig zu der Auslegung, dass der Mietspiegel August 2022 bis Juni 2023 nicht qualifiziert ist? (Wir bitten um Erörterung beider Rechtsaufassungen.)
  2. Welche Auswirkungen hätte eine Entscheidung des Landgerichts als nächsthöhere Instanz, der Auffassung von Tristan Capital Partners/BCRE zu folgen, für den darauffolgenden qualifizierten Mietspiegel und alle weiteren?
  3. Welche Möglichkeiten haben Mieterinnen und Mieter nach Auffassung der Stadt Leipzig sich gegen Mieterhöhungsbegehren anhand dreier Vergleichswohnungen zur Wehr zu setzen?
  4. Könnte die Stadt Leipzig für einen fehlerhaft erstellten qualifizierten Mietspiegel durch die betroffenen Mieterinnen und Mieter schadenersatzpflichtig werden? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, in welchem Umfang?
  5.  Im Oktober 2024 steht die nächste Datenerhebung für einen neuen Mietspiegel an. Wie sieht das Verfahren dazu aus?

Antwort

Welche Rechtsauffassung vertritt die Stadt Leipzig zu der Auslegung, dass der Mietspiegel August 2022 bis Juni 2023 nicht qualifiziert ist? (Wir bitten um Erörterung beider Rechtsaufassungen.)

Die Stadt Leipzig ist nicht Beteiligte in dem von der LVZ im Artikel vom 09.02.2024 benannten Mietrechtsstreit. Sie hat keine unmittelbare Kenntnis von den rechtlichen Erwägungen des Amtsgerichts Leipzig. Ob und in welchem Umfang die Darstellung der LVZ vom 09.02.2024 inhaltlich zutreffend ist, kann seitens der Stadt Leipzig nicht beurteilt werden.

Nach der Berichterstattung der LVZ soll insbesondere die Fristenregelung nach § 558d Abs. 2 BGB strittig sein. Die Stadt Leipzig geht davon aus, dass der Mietspiegel 2020 bis zu seiner Ablösung am 15.06.2023 durch den Mietspiegel 2022 qualifiziert war.

Der Leipziger Mietspiegel 2020 wurde zum Stichtag 01.08.2020 neu erstellt und am 24.06.2021 veröffentlicht. Der Leipziger Mietspiegel 2022 wurde zum Stichtag 01.10.2022 neu erstellt und am 15.06.2023 veröffentlicht.

Beide Mietspiegel sind unabhängig voneinander und getrennt zu beurteilen. Ein neu erstellter Mietspiegel kann den vorangegangenen Mietspiegel nur durch Veröffentlichung ablösen. Ein vermeintlich fehlerhaft gewählter Stichtag des Mietspiegels 2022 führt auch nicht zur Aberkennung oder Verkürzung des Zeitraums der Qualifizierung des Mietspiegels 2020.

Beide Mietspiegel 2020 und 2022 sind gänzlich neu erstellte Mietspiegel und keine Anpassungen i.S.d. § 558d Abs. 2 S. 1 BGB. Sie unterliegen daher keinen gemeinsamen Fristen, außer der aus § 558d Abs. 2 S. 3 BGB, nach der eine Neuerstellung binnen vier Jahren erfolgen muss. Zwischen der Datenerhebung für den Mietspiegel 2020 und den Mietspiegel 2022 lagen zwar 26 Monate, zwischen den beiden Veröffentlichungen jedoch fristgerecht nur zwei Jahre.

Aus diesem Grund sind beide Mietspiegel bzgl. der einzuhaltenden Fristen formal rechtmäßig.

Welche Auswirkungen hätte eine Entscheidung des Landgerichts als nächsthöhere Instanz, der Auffassung von Tristan Capital Partners/BCRE zu folgen, für den darauffolgenden qualifizierten Mietspiegel und alle weiteren?

Das Landgericht kann erst eine Entscheidung treffen, wenn eine Entscheidung des Amtsgerichts angegriffen wird. Eine solche gibt es – soweit bekannt – nicht.

Eine Entscheidung des Landgerichts Leipzig hätte keine Auswirkungen für den darauffolgenden Mietspiegel und alle weiteren.

Welche Möglichkeiten haben Mieterinnen und Mieter nach Auffassung der Stadt Leipzig sich gegen Mieterhöhungsbegehren anhand dreier Vergleichswohnungen zur Wehr zu setzen?

Mieter/-innen haben die Möglichkeit, dem Mieterhöhungsverlangen des/der Vermieters/-in nicht zuzustimmen. Über die Erfolgsaussichten einer etwaig daraufhin folgenden Klage des/der Vermieters/-in kann aufgrund des jeweils maßgeblichen Einzelfalls keine Prognose abgegeben werden.

Könnte die Stadt Leipzig für einen fehlerhaft erstellten qualifizierten Mietspiegel durch die betroffenen Mieterinnen und Mieter schadenersatzpflichtig werden? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, in welchem Umfang?

Nach Berichterstattung der LVZ soll das Amtsgericht Leipzig nicht von einem fehlerhaft erstellten Mietspiegel ausgegangen sein.  Der Mietspiegel 2020 soll seine Qualifizierung aufgrund Zeitablaufs verloren haben. Damit ist nach Auffassung der Stadt Leipzig kein Wegfall der Qualifizierung gegeben.

Es besteht keine Pflicht der Stadt Leipzig zur Erstellung eines qualifizierten Mietspiegels, so dass auch bei Zeitablauf keine Pflichtverletzung der Stadt Leipzig vorliegt.

Im Oktober 2024 steht die nächste Datenerhebung für einen neuen Mietspiegel an. (Wie sieht das Verfahren dazu aus?)

Für die Erhebung zum Mietspiegel 2024 wird erstmalig die in Art. 238 § 2 EGBGB vorgesehene Auskunftspflicht für Mieter/-innen und Vermieter/-innen zur Anwendung kommen. Bei fehlender, nicht rechtzeitiger oder fehlerhafter Auskunft liegt eine Ordnungswidrigkeit vor, die mit einem Bußgeld geahndet werden kann. Um darüber im Vorfeld ausreichend aufzuklären, ist eine umfassende Öffentlichkeitsarbeit geplant. Um die Befragten ausreichend auf die Auskunftspflicht hinzuweisen, wird nicht nur einmal, sondern bei Bedarf ein zweites Mal erinnert, bevor ein Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet wird. Unterstützungs- und Informationsangebote für Mieter/-innen als Hilfestellung beim Ausfüllen des Fragebogens werden deutlich erweitert.

Für den Mietspiegel 2022 konnte die Auskunftspflicht noch keine Anwendung finden, weil hierfür keine Rechtsgrundlage existierte. Das Sächsische Mietspiegelzuständigkeitsgesetz trat erst zum 31.12.2022 in Kraft.

Durch die Anwendung der Auskunftspflicht kann, wie Erfahrungen aus anderen Städten bestätigen, die Rücklaufquote der Befragung deutlich gesteigert und die Datenqualität weiter verbessert werden.