VII-F-09714 Rüstungskonzern Serco als Betreiber von Asylunterkünften in Leipzig?

Fraktion Die Linke

Das Unternehmen European Homecare wurde kürzlich für 40 Millionen Euro von dem börsennotierten Konzern Serco übernommen (siehe https://www.saechsische.de/politik/asylpolitik/investmentfirma-uebernimmt-grossen-asylheimbetreiber-in-sachsen-5958243-plus.html und LVZ vom 30. Januar 2024, Seite 16).

Serco ist in England einer der größten privaten Dienstleister für die öffentliche Hand und fungiert auch für weitere Staaten wie die USA oder Australien als Auftragnehmer für den Bau und Betrieb von (Abschiebe)Gefängnissen und Asylunterkünften, für die Produktion und das Management von Verteidigungstechnik, für die Entwicklung und das Management in Kriegsgebieten. Auch im Bereich der Rüstungsindustrie ist Serco aktiv und an der Entwicklung, Produktion und Wartung von Atomwaffen beteiligt. In einer Liste der 100 größten Rüstungsunternehmen rangierte es im Jahr 2020 auf Platz 62 (siehe 

https://www.sipri.org/sites/default/files/2021-12/fs_2112_top_100_2020.pdf).

Dieser Konzern soll nun in Deutschland und dabei auch in Sachsen und Leipzig die Aufgabe der Flüchtlingsunterbringung übernehmen. Nicht nur dass dieser Deal zeigt, wie Unternehmen Profit aus humanitären Aufgaben schlagen, halten wir einen Konzern mit diesem militaristischen, repressiven Aufgabenspektrum für ungeeignet, in unserer Stadt Asylunterkünfte zu betreiben und die soziale Betreuung von Schutzsuchenden zu übernehmen.

Wir fragen daher:

  1. Wann und wie hat die Stadt Leipzig Kenntnis von der Unternehmensübernahme erhalten und gibt es schon Kontakte mit den neuen Betreibern?
  2. Welche Auffassung vertritt die Stadt Leipzig zu dieser Übernahme bzw. zur Perspektive, dass ein u. a. Rüstungskonzern neun Einrichtungen für Schutzsuchende, darunter auch vulnerable Menschen, in Leipzig betreiben soll?
  3. Wie lange betragen konkret die Vertragslaufzeiten in den besagten neun Einrichtungen und welche Möglichkeiten sieht die Stadt Leipzig, die Verträge mit Serco vorzeitig zu beenden bzw. nicht zu verlängern, wenn sie auslaufen?
  4. Sind dann neue Ausschreibungen geplant bzw. wird die Stadt Leipzig entsprechende Bemühungen in diese Richtung unternehmen?
  5. Welche Auswirkungen hat die Konzernübernahme auf das Personal in den betreffenden Asylunterkünften?

    Antwort

  1. Wann und wie hat die Stadt Leipzig Kenntnis von der Unternehmensübernahme erhalten und gibt es schon Kontakte mit den neuen Betreibern?

Die Stadt Leipzig erhielt mit Schreiben vom 14.12.2023 und der Medieninformation des Unternehmens vom gleichen Tag Kenntnis von der Unternehmensübernahme. Es wurde darüber informiert, dass die European Homecare GmbH durch die Serco Group am 13.12.2024 übernommen wurde. Konkret wurde mitgeteilt, dass geplant sei, das Unternehmen European Homecare GmbH mit der Refugee Services (ORS Group mit Sitz in der Schweiz) unter dem Dach der Serco Group zusammenzuführen. Die laufenden Verträge des Unternehmens European Homecare GmbH würden ohne Änderungen weitergeführt und die der Stadt Leipzig bekannten Kontakte zum Unternehmen European Homecare GmbH bestehen unverändert fort.

2. Welche Auffassung vertritt die Stadt Leipzig zu dieser Übernahme bzw. zur Perspektive, dass ein u. a. Rüstungskonzern neun Einrichtungen für Schutzsuchende, darunter auch vulnerable Menschen, in Leipzig betreiben soll?

Die Prüfung der Zulässigkeit einer Gesellschafsübernahme obliegt den Wettbewerbsbehörden. Die Stadt Leipzig darf als Auftraggeberin keinen Einfluss auf wirtschaftliche Entscheidungen von Vertragspartnern ausüben.

Der Übernehmer tritt in alle Rechte und Pflichten aus bestehenden Vertragsbeziehungen ein. Die Stadt Leipzig überprüft regelmäßig, ob die vertraglichen Vereinbarungen eingehalten werden.

3. Wie lange betragen konkret die Vertragslaufzeiten in den besagten neun Einrichtungen und welche Möglichkeiten sieht die Stadt Leipzig, die Verträge mit Serco vorzeitig zu beenden bzw. nicht zu verlängern, wenn sie auslaufen?

Die European Homecare GmBH betreibt im Auftrag der Stadt Leipzig aktuell acht Gemeinschaftsunterkünfte. Die Vertragslaufzeiten sind je Objekt und Beginn der Vertragsbeziehung unterschiedlich.

An den Tierkliniken 48: 29.02.2028

Bernhardstraße 21: 31.03.2028

Blücherstraße 47/47a: 31.01.2028

Eutritzscher Straße 17/19: 31.03.2028

Muldentalstraße 91-93: 31.01.2030

Pittlerstraße 5/7: 31.07.2024

Sommerfelder Straße 36: 31.03.2028

Torgauer Straße 290/292: 31.05.2028

Eine vorzeitige Beendigung aufgrund einer Unternehmensübernahme ist nicht möglich. Sollte das Unternehmen gegen vertragliche Verpflichtungen verstoßen, kann eine vorzeitige Beendigung der Vertragsbeziehung geprüft werden.

4. Sind dann neue Ausschreibungen geplant bzw. wird die Stadt Leipzig entsprechende Bemühungen in diese Richtung unternehmen?

Rechtzeitig vor Auslaufen bestehender Betreiberverträge erfolgen Ausschreibungen entsprechend den Regelungen über die Vergabe öffentlicher Aufträge (Vergabeverordnung – VgV) in Verbindung mit der Hauptsatzung der Stadt Leipzig.

5. Welche Auswirkungen hat die Konzernübernahme auf das Personal in den betreffenden Asylunterkünften?

Laut Medieninformation des Unternehmens werden „mit dem bestehenden Management die laufenden Mandate“ weiter fortgeführt. Auswirkungen der Konzernübernahme auf das Personal von European Homecare GmbH bedürfen nicht der Prüfung oder Zustimmung durch die Stadt Leipzig.

In den Betreiberverträgen zwischen der European Homecare GmbH und der Stadt Leipzig ist geregelt, dass die Qualifikation und/oder die besondere Eignung von Mitarbeitenden der Stadt Leipzig vor Abschluss der Arbeitsverträge nachzuweisen ist und der Personaleinsatz vorab von der Stadtverwaltung bestätigt werden muss. Bislang wurden der Stadt Leipzig keinerlei personelle Änderungen angetragen.