VII-F-09620 Umgang mit Antisemitismus und Rassismus im Kontext des Kriegen in Israel/ Gaza in Kita und Schule

Fraktion Die Linke

Das Massaker der Hamas in Israel und der Krieg in Gaza führen auch lokal zu Debatten und Konflikten. Dies betrifft auch Einrichtungen der frühkindlichen Bildung und Schulen.

Fragen an die Stadtverwaltung:

  1. Welche Kenntnis hat die Stadtverwaltung über Problemlagen im Umgang mit dem aktuellen Israel-Gaza-Konflikt in Kindertagesstätten, Horten, Schulen oder Einrichtungen der Jugendhilfe?
  2. Welche Angebote zur politischen Bildung, zur Sensibilisierung und zur Konfliktlösung welcher Träger gibt es für diese Einrichtungen?
  3. Welche Bedarfsmeldungen zur Ausweitung von entsprechenden Angeboten in Kita, Horten, Schulen oder Einrichtungen der Jugendhilfe gibt es?
  4. Welche Vorhaben gibt es seitens der Stadtverwaltung sich diesen Konfliktlagen stärker zu widmen, um damit auch präventiv gegen Diskriminierung, Antisemitismus und Rassismus vorzugehen?

 

Antwort

  1. Welche Kenntnis hat die Stadtverwaltung über Problemlagen im Umgang mit dem aktuellen Israel-Gaza-Konflikt in Kindertagesstätten, Horten, Schulen oder Einrichtungen der Jugendhilfe?

In den Einrichtungen der Abteilung Jugendhilfe sind Problemlagen nur punktuell in einzelnen Offenen Freizeittreffs (OFTs) aufgetreten. In diesem Zusammenhang handelt es sich um antisemitische Wortäußerungen sowie die Heroisierung der HAMAS.

In der Inobhutnahme- und Clearingeinrichtung „Am Mühlholz“ und der Wohngruppe Friesenstraße ist das Thema bisher nicht alltagsrelevant oder in besonderer Weise auffällig.

Von den Trägervertretenden der Jugendhilfe sind bisher auch keine Bedarfslagen bzw. Problemanzeigen zum o. g. Thema an den ASD herangetragen worden. Auch die Mitarbeitenden im ASD haben im Rahmen ihrer Fallbearbeitung bis dato keine Problemlagen signalisiert.

Aus den Einrichtungen des VKKJ werden aktuell zum o.g. Thema keine Konflikte oder Vorkommnisse gemeldet.

Ebenso liegen in den Bereichen Kommunale Horte und Kindertageseinrichtungen keine Problemanzeigen vor.

2. Welche Angebote zur politischen Bildung, zur Sensibilisierung und zur Konfliktlösung welcher Träger gibt es für diese Einrichtungen?

Allgemein werdenAnfragen in den Einrichtungen der Kinder- und Jugendförderung je nach konkreten Anliegen und Bedarfen von den sozialpädagogischen Fachkräften selbst bearbeitet bzw. externe Unterstützung durch Fachpersonal hinzugezogen. Hierbei ist bereits in vielfältiger Form die Auseinandersetzung mit demokratie- und menschenfeindlichen Einstellungen erfolgt.

Im Planungsraum Ost/Südost wurde mehrfach das Thema „pauschalisierende Ablehnungskonstruktionen“ und Weiterbildungen in diesem Themenfeld angeboten und durch Fachkräfte wahrgenommen. Zuletzt fand im November eine Fachtagung zum Thema „Antidemokratischen Herausforderungen in der Jugendhilfe und im Sport begegnen“ statt. Eine weitere Weiterbildung zum Umgang mit pauschalisierenden Ablehnungskonstruktionen in der Gesprächsführung der Fachkräfte ist bereits in 2024 geplant.

In Bezug auf politische Bildung, Sensibilisierung und Konfliktlösung existieren Angebote vom Haus der sozialen Vielfalt e. V. Diese umfassen Workshops in Zusammenarbeit mit der Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus, Synagogenbesuche in Kooperation mit dem Ariowitsch-Haus und Gedenkstättenfahrten mit Vor- und Nachbereitung zur Gedenkstätte Buchenwald. Unter anderem arbeitet die Inobhutnahme- und Clearingeinrichtung „Am Mühlholz“ und die Wohngruppe Friesenstraße intensiv mit dem Haus der sozialen Vielfalt e. V. zusammen und veranstalten gemeinsame themenbezogene Angebote und Projekte.

  • Die Maßnahme „HEROES – Gegen Unterdrückung im Namen der Ehre“ (RAA Leipzig e.V.) ist ein Gleichstellungsprojekt. HEROES sind junge Männer aus ehrkulturellen Milieus. Sie engagieren sich für ein gleichberechtigtes Zusammenleben aller Geschlechter, gehen in Schulen und andere Einrichtungen und führen Workshops für Gleichaltrige durch. Dabei werden im Dialog auf Augenhöhe schwierige Themen durch Denkanstöße und das Aufzeigen von Alternativen anhand von Rollenspielen zugänglich gemacht. Somit wird dazu motiviert gegen Unterdrückung Stellung zu beziehen und die Möglichkeit von Gleichberechtigung im Alltag zu reflektieren.
  • ZEOK e.V. arbeitet mit Kindern und Jugendlichen zu den Themen Identität, Vielfalt und Gleichberechtigung. Teilweise gab es Kooperationen mit den Planungsraum-Arbeitskreisen zu zwei Wanderausstellungen: „Mein Gott, Dein Gott, Kein Gott – Die Vielfalt der Religionen on tour für Schüler/-innen der Grundschule“ und „#Muslimisch_in_Ostdeutschland“.
  • Das Familienzentrum Tüpfelhausen (Tüpfelhausen – Das Familienportal e.V.) veranstaltet jedes Jahr das Fußballbegegnungsfest IFBF. Über den Sport wird Verständigung vermittelt. Jedes Jahr nimmt ein Team aus Israel teil und es wird in diesem Zusammenhang an den SK Bar Kochba Leipzig und seine Vergangenheit erinnert. Es wird aber auch darauf geachtet, dass Vereine aus der arabischen Welt (z.B. Jordanien) eingeladen werden oder Jugendliche mit muslimischen Migrationshintergrund aus Deutschland. 2024 wird die neue UMA-Unterkunft aus der Friesenstraße ein Team stellen.
  • Das Fußballfanprojekt (Outlaw e.V.) arbeitet im Rahmen sozialpädagogischer Jugendarbeit mit den Fanszenen von RasenBallSport Leipzig, BSG Chemie Leipzig und 1. Lokomotive Leipzig. Das Projekt bietet über Fußball und Sport zahlreiche Anknüpfungspunkte, um sich niedrigschwellig mit verschiedenen gesellschaftlichen Herausforderungen wie Diskriminierung, Intoleranz und Ausgrenzung, aber auch mit positiven Aspekten wie Teamplay, Wertschätzung und Mitbestimmung auseinanderzusetzen.
  • Die Kinder- und Jugendkulturwerkstatt JOJO führt jährlich eine deutsch-israelische, außerschulische Jugendbegegnung durch. Ziel ist hier, neben einem interkulturellen Austausch, auch die Vermittlung des Wissens über die Gegenwartsbedeutung der Vergangenheit. Themen wie Demokratie, Toleranzerziehung, Menschenrechte, Nahost-Konflikt und Antisemitismus spielen eine zentrale Rolle.
  • Der OFT Völkerfreundschaft hat sich aufgrund der Problematik erst kürzlich zum Thema Nahost fortgebildet.  https://plattform.fobizz.com/fortbildungen/1070-umgang-mit-dem-israelisch-palaestinensischen-konflikt-im-klassenzimmer

Die Abteilung Kindertageseinrichtungen hat Aufklärungsmaterial zu Antisemitismus der Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) vorliegen und verfügt über eine geschulte Mitarbeiterin zu Themen der Antidiskriminierungsarbeit und Vielfaltspädagogik. Im Konfliktfall moderiert eine Fachkraft aus der Abteilung oder eine Supervisorin/ein Supervisor aus dem Referenteninnen/Referenten-Pool.

In den Einrichtungen des VKKJ sind politische Bildung, Toleranz und Vermittlung gesellschaftlich-sozialer Normative grundsätzliche Bestandteile der Betreuung und Gesprächsführung mit jungen Geflüchteten und Kindern/Jugendlichen mit Migrationshintergrund, neben der Einzelfall- auch in der Eltern- und Familienarbeit.

Bei weitergehendem Unterstützungsbedarf gibt es für alle Bereiche die Möglichkeit, sich an das Referat Demokratie und gesellschaftlichen Zusammenhalt zu wenden.

3. Welche Bedarfsmeldungen zur Ausweitung von entsprechenden Angeboten in Kita, Horten, Schulen oder Einrichtungen der Jugendhilfe gibt es?

Aus den Bereichen Kommunale Horte und Kindertageseinrichtungen sowie den Einrichtungen des VKKJ liegen keine Bedarfsmeldungen vor.

Aus dem Bereich der Kinder- und Jugendförderung wird eine Erweiterung von Angeboten zur politischen Bildung und Sensibilisierung angezeigt, um gezielt auf die Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Israel-Palästina-Konflikt einzugehen.

4. Welche Vorhaben gibt es seitens der Stadtverwaltung sich diesen Konfliktlagen stärker zu widmen, um damit auch präventiv gegen Diskriminierung, Antisemitismus und Rassismus vorzugehen?

Die Integrierte Kinder- und Jugendhilfeplanung der Stadt Leipzig hat Prävention und demokratische Bildung als ein Kernarbeitsfeld der Kinder- und Jugendhilfe beschrieben. Alle Maßnahmen im Bereich der Kinder- und Jugendförderung gestalten ihre Angebote auf Grundlage dieses strategischen Handlungskonzepts. Hier heißt es u.a.:

„Die Kinder- und Jugendhilfe als Interessenvertretung wird zukünftig stärker darauf hinwirken müssen, dass durch einen aktiven und präventionsorientierten Umgang mit Vielfalt über Projekte, Maßnahmen und Angebote ein wichtiger Beitrag für den Zusammenhalt der Gesellschaft und für die Festigung von Demokratie und Zivilgesellschaft geleistet wird. Auftrag der Kinder- und Jugendhilfe ist es dabei auch, junge Menschen in ihrer individuellen und sozialen Entwicklung zu fördern und dazu beizutragen, Benachteiligungen zu vermeiden. Dort wo Benachteiligungen bestehen, sind diese abzubauen.“[1]

Zudem wird als eines der Grundprinzipien der Kinder- und Jugendförderung und damit als fachliche Grundlage für alle Maßnahmen Partizipation und demokratische Bildung genannt:

„Die Angebote der Kinder- und Jugendförderung übernehmen entsprechend ihres beteiligungsorientierten Verständnisses eine wichtige Funktion ein, um demokratische Grundprinzipien und Entscheidungsformen für junge Menschen entsprechend ihrer Themen und in Bezug auf ihren Lebensalltag erfahrbar zu machen. Dazu zählt sowohl eine Anerkennung und Wertschätzung unterschiedlicher sozioökonomischer Voraussetzungen, kultureller und geschlechtsbezogener Identitäten, sexueller Orientierungen, Biografieentwürfen und individueller Veranlagungen als auch die konkrete Erfahrung von gesellschaftlicher und politischer Teilhabe. Demokratische und politische Bildung wird in den Angeboten diskursiv gestaltet und erfolgt auf unterschiedlichen Ebenen. Sie findet in alltäglichen Aushandlungsprozessen in den Angeboten und Maßnahmen, in der gemeinsamen Verständigung zu ganz konkreten Anliegen und Lebensthemen junger Menschen sowie in spezifischen demokratiebildenden Angeboten und Projekten bis hin zur Ausgestaltung von Formen des sozialen Engagements statt.“[2]

Im Rahmen des anstehenden Förderverfahrens im Bereich der Kinder- und Jugendförderung für den Doppelhaushalt 2025/26 werden alle eingehenden Anträge geprüft, ob die Maßnahmen und Angebote an den Bedarfen und Maßgaben der Integrierten Kinder- und Jugendhilfeplanung ausgerichtet sind und die fachinhaltlichen Handlungsempfehlungen der Leistungsbereiche berücksichtigen. Damit wird gewährleistet, dass alle Angebote diskriminierungsfreie Räume bieten und aktiv gegen Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit vorgehen.

In der Abteilung Kindertageseinrichtungen sind mit ZEOK e.V. Fortbildungsangeboten der „diskriminierungssensiblen Zusammenarbeit mit Familien“ geplant.

Der VKKJ hat zudem ein Gewaltschutzkonzept entwickelt, welches neben lebensweltorientierten Kriseninterventionsmethodiken auch Handlungsparameter der Konfliktprävention beinhaltet. Dies gilt sowohl für die Kinder und Jugendlichen, aber auch als Orientierung für die Mitarbeitenden. Absichtlich wurde dabei auf eine Allgemeingültigkeit abgezielt, um eine Stigmatisierung migrantischer Gruppen zu vermeiden. Wesentlich ist im sozialpädagogischen Kontext die Berücksichtigung sozialer Bezüge, Traumata-Bezug und (vorhandener) Gelingensfaktoren in der Perspektivplanung junger Geflüchteter.

Im August 2023 erfolgte die Unterzeichnung der Kooperationsvereinbarung zur Umsetzung der Landesstrategie „Prävention im Team“ (PiT) zwischen der Stadt, dem Landesamt für Schule und Bildung und der Polizeidirektion Leipzig. Auf dieser Grundlage werden die Strukturen und Präventionsangebote an Leipziger Schulen behördenübergreifend noch stärker miteinander verknüpft und aufeinander abgestimmt werden. Zu den Zielen der Kooperation in Leipzig zählen unter anderem die bedarfsgerechte und nachhaltige Gestaltung sowie die qualitative Weiterentwicklung der Präventionsarbeit. Durch Lebenskompetenzförderung sollen individuelle Schutzfaktoren bei der Zielgruppe gestärkt werden, um riskante bzw. problematische Entwicklungen zu verhindern.

Im Rahmen der Partnerschaft für Demokratie erfolgt 2024 die Förderung von Projekten, um Zivilcourage und das demokratische Miteinander zu stärken sowie demokratie- und menschenfeindlichen Einstellungen entgegenzuwirken. Im aktuellen Förderjahr sind u. a. Leitprojekte mit einer Förderhöhe von 20.000 Euro zur Antisemitismusprävention, Gewaltprävention an Schulen sowie zur Stärkung junger männlicher Migranten durch geschlechtssensible Ansätze ausgeschrieben.

Über das Referat Migration und Integration werden öffentlichkeitswirksame, interkulturelle Projekte unterstützt, die das Wissen über und die Akzeptanz von ethnischer, kultureller und religiöser Vielfalt in der Stadtgesellschaft fördern. Gestärkt werden soll die Prävention vor und der Abbau von Ressentiments, Vorurteilen und Diskriminierungen aufgrund ethnischer oder religiöser Zugehörigkeit.

Im IV. Quartal 2023 wurde das „Konzeptpapier zur Weiterentwicklung der Antisemitismusprävention der Stadt Leipzig“ abgeschlossen. Das Konzeptpapier versteht Antisemitismusprävention als ämterübergreifende Aufgabe.

Ergänzend hierzu ist im Dezernat Jugend, Schule und Demokratie im Dezember 2023 das Konzept „Bildungsarbeit gegen Antisemitismus“ entstanden, welches Handlungsmöglichkeiten in Horten, schulischen und außerschulischen Lernorten, Kindertagesstätten, Einrichtungen der Jugendhilfe und Offenen Freizeit- und Jugendtreffs darstellt. Im Konzept wird ausgeführt, dass die Antisemitismusprävention untrennbar mit Demokratiebildung, beginnend im frühen Kindesalter, verbunden ist, da diese maßgeblich zur Prävention beiträgt, indem grundlegende Werte wie Gleichberechtigung, Toleranz, Akzeptanz von Vielfalt und friedliche Konfliktlösung vermittelt werden.  Dem Konzept können bereits durchgeführte Maßnahmen entnommen werden.