Landwirtschaftskonzept ist auf dem Weg!

Michael Neuhaus, Jürgen Kasek, Andreas Geisler, Kola Leipzig, Lisa Falkowski, René Quittenbaum

Mit großer Mehrheit und einem umfangreichen gemeinsamen Änderungsantrag ist gestern das erste Teilkonzept Landwirtschaft in Leipzig auf den Weg gebracht worden. Darin werden erstmals transparente Vergabekriterien für städtische landwirtschaftliche Flächen vereinbart. Vorab hatten sich die Fraktionen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, DIE LINKE und SPD am Runden Tisch mit Vertreter*innen aus Wissenschaft, Agrargenossenschaften, Umweltverbänden und Vertreter*innen der solidarischen Landwirtschaft ausgetauscht. Nachgeschärft wurde vor allen Dingen, dass bei der künftigen Vergabe von Flächen der Komplettverzicht auf Pflanzenschutzmittel und Mineraldünger honoriert wird, während andererseits nicht nur Junglandwirt*innen sondern auch Ausbildungsbetriebe und Existenzgründer*innen Punkte erhalten. Zudem wurde das Ziel von mind. 30 % Biolandbau bis 2030 noch einmal als Zielgröße verankert. Einig sind sich alle Beteiligten, dass zeitnah die weiteren Teilkomponenten des Konzepts etwa zur Frage der künftigen Flächenkulisse und der regionalen Wertschöpfung folgen müssen.

Beispielhaft daher die Stimmen zum Konzept:

Jürgen Kasek, Fraktion BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN:

„Mit dem jetzt vorliegenden Kriterienkatalog zur Vergabe der Flächen haben wir einen Meilenstein bei der Zielstellung der Umstellung der Landwirtschaft auf nachhaltige, ökologische Produktion erreicht. Der Kriterienkatalog macht Leipzig in der Frage deutschlandweit zur Vorreiterin. Gerade vor dem Hintergrund der Belastung von Grundwasser und Böden durch Einträge aus der Landwirtschaft ist der Verzicht auf Pflanzenschutzmittel und Mineraldünger ein wichtiger Punkt.

Allerdings müssen die Bedingungen so formuliert sein, dass auch die Betriebe der konventionellen Landwirtschaft Anreize zum Umstieg auf ökologische Bewirtschaftung bekommen. Deswegen müssen wir verstärkt über regionale Wertschöpfung sprechen und regionale Produkte besser vermarkten.“

Michael Neuhaus, Fraktion DIE LINKE:

„‘Mit Lebensmitteln spielt man nicht‘ heißt auch die Landwirtschaft nicht dem Markt zu überlassen. Obwohl die möglichst billige Produktion von Lebensmitteln die Natur zerstört und die Kosten vieler Landwirte kaum deckt, haben immer mehr Menschen Probleme ihren Wocheneinkauf bezahlen.

Mehr Bio würde für viele weniger Kino, Sport, und, und, und bedeuten.

Die Verlierer dieses Systems sind die Konsumenten, die Landwirte und die Natur. Die Gewinner die Lebensmitteldiscounter.

Unser Ziel sind bezahlbare, gesunde und nachhaltig produzierte Lebensmittel für alle, und vor allem für diejenigen, die kein dickes Portemonnaie haben. Mit dem Vergabekatalog für die landwirtschaftlichen Flächen der Stadt Leipzig wollen wir einen ersten Schritt in die richtige Richtung machen und dafür sorgen, dass derjenige den Acker bekommt, der das beste Konzept hat."

Andreas Geisler, SPD-Fraktion:

„Die Vorlage Gesamtkonzeption Landwirtschaft Teil 1 ermöglicht den Einstieg in ein wichtiges Thema, aber eben auch nicht mehr!

Ursprünglich wollten wir die Vorlage als ungenügend zurückweisen, denn es fehlt eine Gesamtstrategie für die Landwirtschaft, also ein Leitbild für Leipzig. Es fehlen regionale Wertschöpfungsketten und Märkte oder auch der Zugang zur Versorgung von Schulen, Kitas und Krankenhaushäusern mit regionalen Bioprodukten. Auch eine interkommunale Genossenschaft ist denkbar, die helfen könnte, erste Verarbeitungsschritte für Bio-Produkte hier in der Region abzubilden und durch kurze Wertschöpfungsketten Bio-Produkte für mehr Menschen bezahlbar zu machen.

Das Konzept hat also noch einige Fehlstellen, die in Zukunft geschlossen werden sollten.

Unser gemeinsamer Änderungsantrag verbessertdie Vorlage insoweit, dass wir dem Ansinnen als Startpunkt für eine weitere Entwicklung zustimmen können, auch um den Stau bei den Vergaben zu lösen und wieder eine langfristige und nachhaltige Bewirtschaftung der Landwirtschaftsflächen auf Leipziger Flur zu ermöglichen.

Für einen wirklichen Wandel in der Landwirtschaft auf den Flächen der Stadt im Sinne von klimabewusster Bewirtschaftung, mehr Gehölzen und Feldhecken, mehr Wasseraufnahmevermögen und intakten Gewässern 2.Ordnung, mehr Humusbildung, einer Abkehr von Kunstdünger, Stärken der regionalen Nachfrage, einer kritischen Überprüfung von Flächenversiegelungen und einem Auflösen der Flächenkonkurrenzen sowie für den Weg hin zu einer pestizidfreien Landwirtschaft braucht es bei Verwaltung und Betroffenen  noch viel Arbeit und Mut zur Veränderung. Es wird kein Weg daran vorbeiführen, das Ganze mit weiteren Vorlagen zu verfeinern. Wir schlagen deshalb nach drei Jahren eine Überprüfung vor, um Maßnahmen und Vergaben so zu gestalten, wie es notwendig ist, um den Herausforderungen, vor denen wir stehen, gerecht zu werden.

Das heißt, wir müssen bessere Rahmenbedingungen für eine nachhaltige und biologische Landwirtschaft schaffen und dürfen dabei auch die Landschaftspflege außer Acht lassen. Leider spiegelt sich das in der aktuellen Förderpolitik von Bund, Land und EU nicht wieder. Dort werden oft die falschen Anreize gesetzt.

Die bundesweiten Ökofeldtage die im Jahr 2025 hier im Leipziger Raum, auf dem Wassergut Canitz, stattfinden, können wir nutzen, um diese Themen direkt und praxisnah zu erleben. Für die anstehende Evaluierung des Landwirtschaftskonzepts ist das ein wichtiger Impuls. Der Verwaltung wünschen wir mehr Mut bei dieser Umgestaltung, denn sie ist mindestens genauso wichtig wie die Energiewende. Dazu gehört aus unserer Sicht auch der Aufbau eines eigenen Landwirtschaftsbetriebes, um das Thema aus eigenem Erleben mitzugestalten. Andere Großstädte sind dort weiter als wir.“

Kola Leipzig, Solidarische Landwirtschaft:

„Wir, die Gemüsegenossenschaft KoLa Leipzig, begrüßen die Beschlussvorlage zum Flächenvergabekonzept. Wir sind froh, dass die Stadt Leipzig den Mut hat, hier ein deutliches Zeichen auf dem Weg zur Agrarwende zu setzen. Der Zugang zu Land mit guten Bodenqualitäten und erreichbaren Grundwasservorkommen ist eine der größten Hürden für Solawis. Zudem werden Neugründungen von Solawis mit hohem ökologischen Anspruch erleichtert, wenn sie Zugang zu Flächen in unmittelbarer Stadtnähe – also nahe bei ihren Mitgliedern, haben. Das Flächenvergabekonzept beinhaltet nun ganz konkrete Kriterien, welche die Nachhaltigkeit von Betrieben bewertet. Haben mehrere Betriebe Interesse an der Pacht einer Leipziger Fläche, werden nun Betriebe bevorzugt, die nachweislich klimaschonende Anbaumethoden verfolgen, ökologisch, bestenfalls solidarisch wirtschaften, aus der Region kommen, Ausbildungsplätze anbieten und in denen Gehaltsunterschiede zwischen Frauen und Männern reduziert werden.

Wir befinden uns als solidarische Landwirtschaft umgeben von Flächen, welche der Stadt Leipzig gehören und aktuell konventionell bewirtschaftet werden. Der Kauf von Flächen ist mit den aktuellen Bodenpreisen wirtschaftlich nicht stemmbar. Für den Fall, dass unsere aktuellen Pachtverträge nicht verlängert werden oder wir neue Flächen benötigen, ist es für uns eine große Sicherheit, zu wissen, dass Leipzig unseren hohen ökologischen und sozialen Anspruch bei der Flächenvergabe berücksichtigt.

Wir denken, dass die Verfügbarkeit von lokalen, erschwinglichen gesunden und frisch produzierten Lebensmitteln für die Leipziger*innen damit erhöht wird.“

Lisa Falkowski (Vorstand BUND RG Leipzig, Beisitzerin Landesvorstand, Sachsen) und René Quittenbaum (Vorstand BUND RG Leipzig):

"Wir als BUND Leipzig sind aus der Perspektive der Ökologie und des Naturschutzes nicht 100 Prozent glücklich mit dem erstellten Vergabekonzept. Aus unserer Sicht müsste Pestizidverzicht eine Grundvoraussetzung sein. Wir befinden uns gerade in Zeiten massiven Artensterbens und Verlust an Biodiversität. Es ist unabdingbar, die Verwendung von Pestiziden einzustellen, um einen landwirtschaftlichen Wandel in Richtung Nachhaltigkeit und Artenvielfalt zu begünstigen. Wenn wir die Pestizideinsatzmenge nicht drastisch reduzieren, vergiften wir uns selbst und auch eine Vielzahl an Nicht-Zielorganismen. Ebenso reichern sich die Stoffe im Grundwasser an und werden über weite Strecken transportiert. Im Fokus sollte daher vor allem auch der Gesundheitsschutz für Mensch und Tier stehen.

Positiv ist, dass wir uns zumindest auf eine Verschärfung bei einigen bedeutsamen Kriterien einigen konnten und es nach 3 Jahren eine Evaluierung geben wird. Dabei wird sich zeigen, inwieweit wir in Richtung Nachhaltigkeit und Förderung der Regionalität gekommen sind.

Neben den regionalen Einflussmöglichkeiten, die wir hier in Leipzig haben, ist es vor allem auch wichtig auf Landes- und Bundesebene Maßnahmen zu schaffen, um den Anreiz für biologische Landwirtschaft zu steigern und zu fördern. Es ist essenziell auf eine biologische, ökologische und biodiverse Landwirtschaft zu bauen, um dem Artensterben entgegenzuwirken und auch unsere Gesundheit in den Vordergrund zu stellen."