Wir fordern eine neue Kommunikationskultur zwischen der Stadt und ihren Bürgern

Dr. Ilse Lauter

„Wir fordern eine neue Kommunikationskultur zwischen der Stadt und ihren Bürgern. Zudem wollen wir die Ortschaftsräte in ihrer Vielfalt erhalten und die Stadtbezirksbeiräte analog dazu stärken.“
Das, liebe Kollegen der CDU-Fraktion, ist kein linker Irrglaube. Das ist Teil Ihres Kommunalwahlprogramms „Leipzig – eine Bürgerstadt“. (S. 16)
Auch die SPD fordert in ihrem Kommunalwahlprogramm „die Stärkung der Position der Stadtbezirksbeiräte“.
Und da sind wir voll auf Ihrer Seite. Und wir tun auch etwas dafür.
Unser Antrag begehrt – nun zum dritten Mal – mit der Einführung der Ortschaftsverfassung die Beendigung der ungleichen Rechtsstellung der Stadtbezirksbeiräte und Ortschaftsräte in unserer Stadt.
Ungleiche Rechtsstellung – was heißt das?
Die Stadtbezirksbeiräte werden nicht direkt gewählt, sondern von den im Stadtrat vertretenen Parteien berufen.
Sie haben im Stadtrat zwar inzwischen das Recht, in wichtigen, sie betreffenden Angelegenheiten angehört zu werden, mehr aber auch nicht.
Sie haben kein Haushaltsrecht in den sie betreffenden Ortsteilen, im Unterschied zu den Ortschaftsräten.
Obwohl die Stadtbezirke nach ihrer Einwohnerzahl deutlich größer sind als die Ortschaften, haben die Stadtbezirksbeiräte keine Brauchtumsmittel, sodass sie über keine mit Geld verbundenen Gestaltungsmöglichkeiten verfügen.
Sie wählen aus ihrer Reihe keinen Vorsitzenden (Ortsvorsteher), sondern der Verantwortliche wird durch die Verwaltung gestellt. Dieser steht im Dienstverhältnis zur Stadt und ist so vielleicht nicht immer frei in seinen Entscheidungen.
Unser Antrag soll dieses ungleiche Recht durch eine einheitliche Ortschaftsverfassung aufheben, so unser Beschlussvorschlag 1.
Dabei werden die Rechte der Ortschaften nicht angetastet, im Gegenteil, sie sollen unbefristet weitergeführt werden, so unser Beschlusspunkt 2.
Der dritte Beschlusspunkt hat es allerdings in sich, obwohl er nur ein Datum betrifft:
“Der Oberbürgermeister unterbreitet dem Stadtrat bis Dezember 2015 einen Organisationsvorschlag und einen Zeitplan zur Einführung der Ortschaftsverfassung“.
Was hätte in diesem Vorschlag alles stehen können?
Dieser Punkt – ins Verfahren gegeben im April 2015 - hat die Verwaltung offenbar so heftig erschreckt, dass sie für eineinhalb Jahre in Schockstarre verfallen ist. Keine Zustimmung, aber auch keine Ablehnung. Kein Alternativvorschlag und schon gar kein Verwaltungshandeln. Stattdessen Schweigen im Amte, trotz aller Nachfragen und Kritiken.
Ein ganzes Jahr nach dem geforderten Organisationsvorschlag kam der alternative Verwaltungsstandpunkt daher.
Welche Alternative schlägt uns die Verwaltung vor?
Sie will bis zum Sommer 2018 ergebnisoffen prüfen, ob die bestehenden Strukturen für 2019 bis 2024 anzupassen sind.
Diese „Alternative“ können wir nicht akzeptieren:
Zum einen hatte die Stadtverwaltung genug Zeit, um darüber nachzudenken, wie sie zu unserem Vorschlag steht. Ein klares Ja oder Nein wäre besser als dieser Vorschlag, der nicht Fisch noch Fleisch ist.
Zum anderen haben wir eine nun fast zwanzigjährige leidvolle Erfahrung, dass „ergebnisoffen“ auf diesem Gebiet nur allzu oft „ergebnislos“ bedeutet.
Zum dritten: Selbst, wenn die Verwaltung bis Sommer 2018 oder auch bis Ende 2017 zu einem positiven Standpunkt käme, ist es rein aus Zeitgründen nicht mehr möglich, die notwendigen Veränderungen bis zu den Kommunalwahlen 2019 durchzusetzen. Diese müssten doch zumindest folgendes beinhalten:
1. Klärung grundsätzlicher Fragen
a. Abstimmung und Abgrenzung der Aufgaben der verschiedenen kommunalpolitischen Gremien
b.  Vorbereitung entsprechender Beschlüsse
c. Gespräche mit den betroffenen Stadtbezirksbeiräten und Ortschaftsräten
2. Konkrete Ausgestaltung der Ortschaftsverfassung
a. Abstimmung und Abgrenzung der Aufgaben der Verwaltung
b. Festlegungen über die finanziellen Auswirkungen (mitten im Haushaltsdoppeljahr)
c. Weitere organisatorische Festlegungen
3. Änderung der Hauptsatzung (unser Beschlusspunkt 4), der Geschäftsordnung und sonstiger erforderlichen Rechtsvorschriften.
All das rechtzeitig bis zum Frühjahr 2019 zu schaffen, kann - beim besten Willen, Herr Bürgermeister Hörning -, nach Ihren bisherigen Leipziger Erfahrungen doch nicht Ihr ernstgemeinter Glaube sein.
Deswegen bleiben wir bei unserem Beschlusspunkt 2 und fordern einen Organisationsvorschlag und Zeitplan, nunmehr als Neufassung bis zum 30.12.2017.
Alles andere wäre für uns ein placebo ohne Wirkung. Und diejenigen Stadträte, die sich auf den Verwaltungsstandpunkt einlassen, sollten wissen, dass sie damit die Idee der Ortschaftsverfassung erneut für Jahre begraben.
Sehr geehrte Damen und Herren Stadträte, in den Stadtbezirksbeiräten stieß unser Vorschlag auf positiven Widerhall:
43 Mitglieder der SBB stimmten fraktionsübergreifend unserem Vorschlag zu, 22 dagegen, 10 enthielten sich der Stimme.
Auch 22 Mitglieder der Ortschaftsräte votierten positiv, 7 negativ, 5 enthielten sich der Stimme.
Alle blicken mit großem Interesse auf Ihr Stimmverhalten, sehr geehrte Stadträte. Deshalb beantragen wir namentliche Abstimmung zu unserem Antrag.

Rede zum Antrag A-01220 der Fraktion DIE LINKE "Einführung der Ortschaftsverfassung für das gesamte Stadtgebiet Leipzig"