Wenn die Erde krank ist, kann der Mensch nicht gesund sein.

Dr. Volker Külow

Wenn die Erde krank ist, kann der Mensch nicht gesund sein. Der beschleunigte weltweite Klimawandel - einige sprechen zu Recht schon von Klimakrise - hat dramatische Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit. Der kapitalistische Wachstumswahn befeuert die Erderwärmung, die wiederum die Ökosysteme auf unserem Planeten weltweit massiv schädigt. Die wachsende Mobilität von Menschen und Waren befördert den Import von exotischen Lebewesen und damit neuen Infektionskrankheiten sowie Pandemien wie jüngst bei Corona. Stark verändern sich allergene Pflanzen und ihre Pollen. Die gesundheitlichen Auswirkungen der Klimakrise sind jedoch nicht nur physischer Art, sondern verursachen psychische Belastungen wie Angstzustände, Depressionen, Stress und Traumata.         

Für die Menschen in der Bundesrepublik geht es bekanntlich vor allem um die Folgen ansteigender Hitze und zunehmender Extremwetterereignisse. Von den sich häufenden Hitzesommern ist auch Leipzig nachdrücklich betroffen, wie die signifikante Übersterblichkeit im Sommer 2018 unterstreicht; ich verweise auf die entsprechenden Grafiken im Sozialreport 2021 auf Seite 168. Auch der aktuelle Quartalsbericht IV/2021 liefert ein entsprechendes Alarmsignal: Auf Seite fünf ist eine Karte des Umweltbundesamtes zur Verschiebung der klimatischen Bedingungen deutscher Städte in Vergangenheit und Gegenwart sowie bis Mitte und Ende dieses Jahrhunderts abgedruckt. Dieser Abbildung zufolge werden sich die klimatischen Bedingungen Leipzigs in Richtung Südwesten verschieben. In den Jahrzehnten 2031 bis 2060 erreichen wir Zentral-Frankreich und mit fortschreitendem Klimawandel könnte Leipzig von 2071 bis 2100 mit einem eher warm-trockenen Klima wie in Regionen im zentralen Süden Frankreichs vergleichbar sein.

Im gleichen Quartalsbericht ist übrigens eine interessante Studie zur Unsicherheit mit dem Klimawandel im direkten Wohnumfeld. Konkret geht es um Grünau und wie die dortigen Bewohnerinnen und Bewohner die Auswirkungen des Klimawandels und insbesondere die Anpassungsmaßnahmen gegen Hitzestress im Quartier wahrnehmen. Die Ergebnisse zeigen, dass bei vielen Befragten das Thema durchaus schon angekommen ist. Das ist sicher auch darauf zurückzuführen, dass das Sofortmaßnahmenprogramm zum Klimanotstand 2020 in Leipzig gut kommuniziert wurde. Auf diesem Fundament wird nun aufgebaut, um die Leipziger Klimaanpassungsstrategie zu einem integrierten, nachhaltigen, gesamtstädtischen Anpassungskonzept weiterzuentwickeln, das dann auch einen Hitzeaktionsplan enthält. Auch die Stadtklimaanalyse Phase 2 liefert sicher gewichtige Erkenntnis für den künftigen Hitzeaktionsplan.      

Die Fortschreibung des Sofortmaßnahmenprogramms zum Klimanotstand 2020 mit seinen 24 Punkten ist auch deshalb unverzichtbar, weil das Handlungsfeld Klimawandel und Gesundheit nicht explizit darin benannt ist. Bisherige Aktivitäten der Stadt wie z.B. Stadtkühlung durch einzelne Begrünungsmaßnahmen, mehr Trinkbrunnen oder die Gesundheitstipps bei Hitze in gedruckter und digitaler Form usw. können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Ausarbeitung eines strukturierten Hitzeaktionsplanes erst noch erfolgen muss, damit Klimaschutz und Gesundheit in unserer Stadt künftig eine engere Allianz bilden und zur Lebensqualität der gesamten Bevölkerung besser beitragen können.

Natürlich geht es in erster Linie um den Schutz besonders hitzesensibler Gruppen, dazu zählen u.a. ältere Menschen, Kinder, pflegebedürftige, körperlich und psychisch vorerkrankte, geistig behinderte und suchtkranke Menschen, Schwangere und unter freiem Himmel Arbeitstätige. Wir knüpfen dabei an den Antrag der Grünen „10-Punkte-Programm gegen Hitze im Stadtgebiet“ vom Dezember 2018 an, der im letzten Punkt den Gesundheitsaspekt erwähnte. Uns geht es nunmehr darum, dieses Themenfeld explizit in den Mittelpunkt zu stellen, um die Steigerung der Hitzeresilienz der Leipziger Bevölkerung, das Management von Akutereignissen und vor allem langfristige Maßnahmen zur Vorbeugung hitzebedingter Gesundheitsschäden zu befördern.  

Bei der intersektoralen Erarbeitung des Hitzeaktionsplanes sollen neben den zuständigen Verwaltungsstellen auch umfassend die gesundheitsbezogenen Institutionen, wissenschaftliche Institute, die Stadtgesellschaft, Träger sozialer Einrichtungen wie Seniorenheime und Pflegedienst, Kindertagesstätten und Schulen sowie natürlich auch externe Fachleute einbezogen werden. Letzteres klappt schon ganz gut, wie das interdisziplinäre Hitzeforum am 24. März 2022 beweist, dass von Mitgliedern der Organisationen Health for Future sowie der Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG) im Rahmen der Fachmesse „therapie LEIPZIG“ organisiert wurde und bei dem auch Bürgermeister Heiko Rosenthal auftrat.    

Es ist daher nur folgerichtig, dass der Verwaltungsstandpunkt zu unserem Antrag sehr positiv ausfällt und mit dem dritten Punkt (Stichwort nationaler Hitzeaktionsplan) sogar noch über unser Begehren hinausweist. Dafür danken wir herzlich und übernehmen den Verwaltungsstandpunkt gern. Das fällt uns umso leichter, weil das Rathaus mit der Umsetzung ultraschnell loslegen will - noch im Juni ist ein Auftaktworkshop geplant. Das Thema verträgt allerdings auch keinerlei Verzögerung, denn für diesen Sommer gibt es leider noch keinen Akutmaßnahmenplan bei der nächsten Hitzewelle, wie die Verwaltung am Montag im Fachausschuss Soziales einräumen musste. Und bekanntlich drohen schon vor Beginn des kalendarischen Sommers megaheiße Tage, wenn man auf das kommende Wochenende blickt. In diesem Sinne wünsche ich uns allen möglichst wenig Hitzestress in nächster Zeit und ein breites Votum für unseren Antrag in Form des Verwaltungsstandpunktes.