Was hat Leipzig mit Madrid, Brüssel, Helsinki, Paris, Stockholm und Bern gemeinsam?

Beate Ehms

Was hat Leipzig mit Madrid, Brüssel, Helsinki, Paris, Stockholm und Bern gemeinsam? Alle diese Städte haben die Europäische Charta für die Gleichstellung von Frauen und Männern auf lokaler Ebene, die 2006 vom Rat der Gemeinden und Regionen Europas angenommen wurde, inzwischen unterzeichnet. Insgesamt sind es  mehr als 1.238 Kommunen. Deutschland ist mit 40 Kommunen dabei und 19 von ihnen haben einen Maßnahmenplan.
Leipzig ist nach Dresden die 2. Stadt Sachsens, in der es heute soweit ist. Wir beschließen den Ersten Gleichstellungsaktionsplan.

Im Oktober 2011 hatte die Linksfraktion den Antrag auf Unterzeichnung dieser Charta  eingebracht. Im Juli 2012 unterzeichnete der OB diese und nunmehr geht es an die konkrete Umsetzung.
Vielen Dank für die sehr gute Vorbereitung, liebe Genka Lapön, Ihnen und Ihren Mitstreitenden (dem Gleichstellungsreferat).

Der Gleichstellungsaktionsplan beinhaltet folgende 5 Handlungsfelder: Wissenschaft, Geschlechterspezifische Anti-Gewaltarbeit, Lokale Wirtschaft, Kampf gegen Geschlechterstereotype und vielfältige Diskriminierung sowie Kommunalpolitik. Zu diesen 5 Handlungsfeldern wurden 28 Einzelmaßnahmen erarbeitet.

Erfreulicherweise wurde mit der Umsetzung des Aktionsplans (Punkt 4.4.) bereits begonnen. Denn am 23. Oktober wurde erstmalig der Louise-Otto-Peters-Preis der Stadt Leipzig vergeben. Diesen erhielt das Gleichstellungsbüro der Medizinischen Fakultät und des Universitätsklinikums unter der Leitung von Frau Professorin Katarina Stengler.

ABER

Frauen in Spitzenpositionen sind ein Thema, das auch in Leipzig aktuell ist. Wie sehen die Reihe der Beigeordneten …
und auch in den Aufsichtsräten der Beteiligungsunternehmen (LVV, Leipziger Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft mbH) beträgt der Frauenanteil maximal 30 %. Die Einwohnerinnenanfrage von Katharina Hitschfeld und anderen beweist, dass das ein Thema ist, das auch die Allgemeinheit interessiert. Hier gibt es noch viel  Handlungsbedarf. Ob sogenannte Selbstverpflichtungen, eigene Zielvorgaben, Empfehlungen etc. ausreichen, um eine Verbesserung der Situation zu erreichen, darf erfahrungsgemäß bezweifelt werden. Ich lasse mich aber gern vom Gegenteil überzeugen. Wir werden sehen, wie die Maßnahme Punkt 5.5 (Mehr Frauen in Aufsichtsräte) umgesetzt wird.

(LVV 6/20; Kommunale Wasserwerke 4/21, Leipziger Verkehrsbetriebe 3/10, Stadtwerke 6/20)

Und an dieser Stelle komme ich zum Änderungsantrag der CDU-Fraktion: In diesem wird gefordert, dass das Mentoringprogramm (Begleitung einer Stadträtin bzw. eines Stadtrats bei ihrer Arbeit) nicht nur für interessierte Frauen angeboten wird.

Schauen wir uns doch einmal die Sitzverteilung im Leipziger Stadtrat an. Mit 25 Stadträtinnen haben wir einen Frauenanteil von reichlich einem Drittel (35,7 %).

Große Fraktionen
CDU 3/19 = 15,8 %
Linke 10/18 = 55,6 %
SPD 5/14 = 35,7 %
B 90/Grüne 7/12 = 58,3 %
AfD 0

Ausgerechnet die Fraktion, die eigentlich das größte Interesse daran haben müsste, ihren Frauenanteil zu erhöhen, wendet sich nun gegen eine Maßnahme, die eben das bewirken soll. Mehr Stadträtinnen! Das ist schlichtweg nicht nachvollziehbar!!

Es geht um Maßnahmen, die dazu dienen Gleichstellung herzustellen, mithin ein Ungleichgewicht zu korrigieren. Eine solche Maßnahme ist das Mentoringprogramm für interessierte Frauen unter Punkt 5.1. Es handelt sich um eine 100%-Quote, die ihre Berechtigung hat.

Dass Männer im Aktionsplan keineswegs zu kurz kommen, beweisen allein die Tatsachen, dass das Mentoringprogramm zu Karrierewegen in der Verwaltung auch ihnen offen steht und es Maßnahmen zum Gewaltschutz für Jungen und Männern geben wird.

Ich möchte noch einmal auf Folgendes hinweisen: Nur weil im Grundgesetz und in der Sächsischen Verfassung von Gleichberechtigung die Rede ist, haben wir im realen Leben noch keine Gleichstellung, keine gleiche Teilhabe Aller am gesellschaftlichen Leben. Stichpunkte wie „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“, „Häusliche Gewalt“, „Stereotype Rollenklischees“, „Lohngefälle“, „Elternzeit“ stehen stellvertretend für viele Lebensbereiche, in denen nachweislich tagtäglich bewusst oder unbewusst geschlechtsbedingte Ungleichbehandlungen stattfinden.
Daher ist dieser Gleichstellungsaktionsplan so wichtig.

Im Städteranking der 30 größten Städte Deutschlands zu Zukunftsaussichten und Entwicklungsperspektiven (Hamburger WeltWirtschaftsinstitut/Privatbank Berenberg) nimmt Leipzig einen sehr guten Platz 3 ein. Ich kann nur sagen, mit unserem heute zu beschließenden Aktionsplan, haben München und Berlin, die noch vor uns liegen und selbst keinen Gleichstellungsplan haben, keine Chance gegen uns beim nächsten Vergleich.

Ich bitte um Ihre Zustimmung und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

 

Rede zur Drucksache DS 01650 "EU-Charta für Gleichstellung von Frau und Mann - Maßnahmenkatalog".