Unsere Solidarität gilt allen antisemitisch Angefeindeten und Angegriffenen. Unmissverständlich.

Dr. Adam Bednarsky

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

Bürgermeisterinnen und Bürgermeister,

Stadträtinnen und Stadträte,

sehr geehrte Damen und Herren,

 

durch die Straßen unserer Stadt laufend fallen auf vielen Leipziger Gehwegen frisch polierte Stolpersteine in den Blick. Blumen, Kerzen, geschriebene Worte sprechen still. Und sprechen doch hörbar Erinnerung aus, an jenen 9. November 1938 und an die Schicksale jüdischer Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt. Geflohen, verschleppt, ermordet ….

Aus diesem stillen Gedenken, aus den Reden und den Veranstaltungen zum 9. November spricht ein lautes „Nie Wieder“, so könnte man meinen. Wir sind uns einig gegen jede Form von Antisemitismus in unserer Stadt, so könnte man meinen. Jüdisches Leben 2023 könne einfach und unbehelligt gelebt werden, so könnte man meinen. Die Realität sieht auf verstörende, auf erschreckende, auf nicht hinnehmbare Weise anders aus.

In unmissverständlicher Weise heißt es in der Leipziger Resolution zum terroristischen Angriff auf Israel vom 10. Oktober: „Am 7. Oktober 2023 haben die terroristischen Gruppen Hamas und Islamischer Dschihad in einem barbarischen und menschverachtenden Angriff vom Gazastreifen aus Israel überfallen. Wir verurteilen die heimtückischen, gegen Israel gerichteten Attacken auf das Schärfste. Das Existenzrecht Israels ist unantastbar. Im Bewusstsein der völkerrechtskonformen Anwendung des Selbstverteidigungsrechts durch Israel, erfüllen uns die in den kommenden Tagen zu erwartenden Kämpfe mit großer Sorge um die Zivilbevölkerung auf beiden Seiten.“

Wir als Stadtratsfraktion DIE LINKE stehen klar, zu den Inhalten dieser Resolution. Seit dem Überfall der Hamas in Israel ist die Anzahl antisemitischer Vorfälle auch in Leipzig enorm gestiegen. Für sämtliche jüdische Einrichtungen mussten die Schutzmaßnahmen verstärkt werden.

Dennoch gab es eine Zunahme antisemitischer Vorfälle seit dem 7. Oktober. Ob bei politischen Versammlungen oder außerhalb dieser. Wir verurteilen sie alle aufs Schärfste. Jüdinnen und Juden fühlen sich seit dem 7. Oktober noch unsicherer als zuvor. Für uns steht fest: Jeder Angriff auf Jüdinnen und Juden, auf jüdische Einrichtungen, auf ihre Würde, auf ihre Ehre ist schlicht Antisemitismus, nichts anderes. Angriffe auf jüdisches Leben sind keine „Israelkritik“ und kein „Widerstand“, sie sind verbrecherischer Antisemitismus, nichts anderes. Unsere Solidarität gilt allen antisemtisch Angefeindeten und Angegriffenen. Unmissverständlich.

Die Resolution dokumentierte auch die Sorge um Zivilistinnen und Zivilisten. Hunderttausende Israelis sind aus grenznahen Orten geflohen, noch immer werden israelische Städte attackiert, noch immer sind Zivilistinnen und Zivilisten als Geiseln verschleppt. Heute haben wir auch ein dramatisches Bild für die Zivilbevölkerung in Gaza. Von den zwei Millionen, die jetzt noch prekärer auf noch engerem Raum leben, ist die Hälfte nicht einmal 14 Jahre alt.

Unvermeidlich treffen militärische Aktionen auch Zivilistinnen und Zivilisten. Dabei ist es offensichtlich, dass sie von der Hamas als menschliche Schutzschilde missbraucht werden. Hilfsgüter werden von der islamistischen Hamas vorenthalten, Finanzmittel in Waffen gesteckt, Krankenhäuser für militärische Zwecke genutzt. Die Lage für die Zivilbevölkerung verschärft sich Tag für Tag.

Diese humanitäre Krise treibt daher viele Leipzigerinnen und Leipziger um. Viele Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt möchten daher ein Zeichen der Humanität an die palästinische Zivilbevölkerung in Gaza senden. Vor allem diejenigen, die selbst Angehörige dort haben, diejenigen, die sich mit den Menschen verbunden fühlen oder schlicht an die Gleichwertigkeit jeden menschlichen Lebens glauben, sind voller Solidarität und manche auch voller Empörung.

Daraus darf nicht ungeprüft allen Demonstrierenden oder Angehörigen einer Bevölkerungsgruppe pauschal eine Solidarität mit der Hamas, unterstellt werden. Die Fragen nach Grundsätze der Verhältnismäßigkeit, der Vermeidung ziviler Opfer und der Führung eines Krieges mit der Aussicht auf künftigen Frieden müssen dabei leitend sein.

Doch alles Mitleid, auch jede Wut rechtfertigen nicht, abzugleiten in Israelhass und Antisemitismus. Bei aller Sorge um das Schicksal der palästinensischen Bevölkerung verrutschen die Maßstäbe der Beurteilung völlig, wenn dem israelischen Vorgehen genozidale Absichten zugeschrieben werden. Insbesondere rechtfertigt das Vorgehen Israels in keiner Weise antisemitische Reaktionen, erst recht nicht in Deutschland.

Mit dem demokratischen, an der Verpflichtung zur Achtung der Menschenwürde orientierten Selbstverständnis der Bundesrepublik verbindet sich eine politische Kultur, für die im Lichte der Massenverbrechen der NS-Zeit jüdisches Leben und das Existenzrecht Israels zentrale, besonders schützenswerte Elemente sind. Das Bekenntnis dazu ist für unser politisches Zusammenleben fundamental. Die elementaren Rechte auf Freiheit und körperliche Unversehrtheit sowie auf Schutz vor rassistischer Diffamierung sind unteilbar und gelten gleichermaßen für alle.

Daran müssen sich auch diejenigen in unserem Land halten, die antisemitische Affekte und Überzeugungen hinter allerlei Vorwänden kultiviert haben und jetzt eine willkommene Gelegenheit sehen,

sie ungehemmt auszusprechen.

 

Ich danke für ihre Aufmerksamkeit.