Über die Teilhabe von Frauen am politischen Leben öffentlich zu diskutieren, besonders in einem Jahr der Demokratie

Mandy Gehrt

Am 18.1.2017 ist der Antrag „100 Jahre Frauenwahlrecht“ von unserer Fraktion eingereicht worden. Nach einer ersten Lesung in den Fachausschüssen ließ der Verwaltungsstandpunkt jedoch auf sich warten. Erst nach einer offiziellen Anfrage unserer Geschäftsstelle im November 2017 und einem Anruf meinerseits im Dezernat 1 Mitte Januar, wurde uns am 23.1.2018 der Verwaltungsstandpunkt zum Antrag vorgelegt. Sage und schreibe 1 Jahr nach der Einreichung. Das ist kein demokratieförderliches Handeln der Verwaltung.

Uns hat das sehr geärgert, da sich der Antrag auf die Vorlage „Jahr der Demokratie 2018“

bezog und es lange Zeit hieß, das das Thema dort mit aufgenommen werden würde.

Auch in den öffentlichen Vorbereitungstreffen, zu dem Engagierte und Akteure eingeladen waren, wurde das Thema genannt und aufgeschrieben. Dennoch sehe ich in der Vorlage nicht, an welcher Stelle das Thema explizit benannt worden wäre.

In dem sehr kurzen Verwaltungsstandpunkt, den wir wie schon gesagt erst nach einem Jahr erhielten, ist zu lesen: „Auf das besondere geschichtliche Ereignis „100 Jahre Frauenwahlrecht“ wird im Einführungstext der Beschlussvorlage explizit hingewiesen.“ Liebe Kolleg*innen, in der Einführung wird an einer Stelle lediglich gesagt, dass sich die in Leipzig lebende Clara Zetkin um die Jahrhundertwende für die Rechte und das Wahlrecht von Frauen einsetzte.“ Da steht allerdings nichts von dem Jubiläum 100 Jahre und es liest sich auch nicht als Aufforderung an Akteure, etwas dazu machen.

Liebe Kolleg*innen, je länger ich Stadträtin bin, politische Praxis erlebe und in Gremien Auswahlprozesse begleite, um so bewusster wurde mir, wie aktuell und wichtig es ist, Frauen zu stärken und ihre Leistungen zu würdigen. Oder sind sie etwa der Meinung, dass wir uns mit einem Frauenanteil von 34,3 Prozent im Stadtrat zu Leipzig abfinden sollten, im 18. Bundestag lag der Anteil übrigens bei gerade einmal 36,5 Prozent und im 19. Bundestag sogar nur bei 31 Prozent. Tendenz also sinkend...

Und schauen Sie mal in unsere städtischen Museen (nur männliche Direktoren) und in unsere Eigenbetriebe Kultur, insgesamt sehr wenige Frauen in Führungspositionen.

Trotz der formalen Gleichberechtigung sind Frauen, 100 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts, in der Politik, in den Führungspositionen in den Bereichen Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft nach wie vor unterrepräsentiert, auch heute noch müssen Frauen viel mehr kämpfen als Männer, um in die entsprechenden Positionen zu gelangen. Sie werden schlechter bezahlt, verrichten selbstverständlich unbezahlte Reproduktionsarbeit, beziehen oft weniger Rente und sind als alleinerziehende Mütter häufiger von Armut betroffen.

Genau das sollte der Grund sein, um über die Teilhabe von Frauen am politischen Leben öffentlich zu diskutieren, besonders in einem Jahr der Demokratie.

Wir wollten mit unserem Antrag das Thema setzen und einen öffentlichen Diskurs anregen. Leider sehen wir aber im Augenblick keine Chance mehr, eine explizite Einzelsumme in der Vorlage „Jahr der Demokratie 2018“ , so wie sie jetzt vor uns liegt, für diesen Themenbereich festzulegen bzw. herauszuschneiden,

Deswegen werden wir den Antrag in Form des Verwaltungsstandpunktes abstimmen lassen, damit das Thema wenigstens Beachtung im Ausschreibungsverfahren findet und so eine Chance hat, im Jahr der Demokratie aufgegriffen zu werden.

Aber ich möchte hier nochmal nachdrücklich sagen, wir wollen, dass das Thema explizit so im Ausschreibungstext benannt wird.

Außerdem sehen wir in der Vorlage noch einen anderen Programmbereich, der das Thema unbedingt aufgreifen sollte: Das ist der Bereich „Demokratie leben in der repräsentativen Demokratie“ Dort wird als Ziel genannt: Wissen über lokale repräsentative Demokratie zu vermitteln und Barrieren abzubauen, sich zu beteiligen.

Hier sehen wir einen guten Ansatzpunkt, dass unter der Federführung des Dezernates 1, gezielt Projekte angestoßen werden, die die Beteiligung von Frauen in der Politik fördern und Barrieren abbauen helfen.

Wir sind gespannt und hoffen, das Dezernat 1 nimmt sich des Themas an und nimmt es ernst.

Natürlich sollte auch jede Partei und jede Fraktion mit sich selbst ins Gericht gehen und sich im Jahr der Demokratie fragen, wie und ob sie denn Frauen einen gleichberechtigten Zugang zur Teilhabe an Politik gewähren.

Auch nach fast 100 Jahren Wahlrecht für Frauen, ist gleichberechtigte Teilhabe an Politik noch keine Selbstverständlichkeit! Auch nicht in Leipzig!

Bitte stimmen Sie dem Verwaltungsstandpunkt zu!

Rede zum Antrag der Fraktion DIE LINKE VI-A-03666-NF-01 „100 Jahre Frauenwahlrecht".