Rassistische Stimmungsmache zurückweisen – Schutzsuchenden ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen!

Juliane Nagel

Zuerst will ich betonen, um was es in unserer Debatte geht: Es geht um Menschen, die aus Krisenregionen zu uns kommen und Schutz suchen. Um Menschen, die vor dem Terrorregime der Taliban in Afghanistan fliehen, vor Assads Regime und Gewalt aus Syrien, aus den politischen Wirren im Irak oder auch Venezuela. JA, die Zahlen Flüchtender steigt derzeit wieder, viele Menschen, die beispielsweise jahrelang in der Türkei unter unwürdigsten Bedingungen festsaßen, machten sich im vergangenen Jahr auf den Weg, und auch in Osteuropa werden gefährliche Grenzen überwunden.

Anstatt sichere Fluchtwege zu schaffen und eine gerechte Verteilung innerhalb der EU zu organisieren, arbeiten die EU Staaten an tödlicher Abschottung. Das ist falsch! Die Asyl-Anerkennungsquoten hierzulande waren im letzten Jahr auf einem hohen Niveau, von irregulärer Migration zu sprechen läuft daher fehl.

Als LINKE stehen wir glasklar zu unserer humanitären Verantwortung, schutzsuchende Menschen aufzunehmen. Asyl ist ein Menschenrecht! Und mehr noch werben wir dafür, die Zuwanderung auch über Asyl als Chance zu begreifen – als Chance für unsere Gesellschaft. Viele Menschen, die 2015/2016 in unserer Stadt Zuflucht fanden, sind längst Teil unseres Gemeinwesens, sind in Ausbildung, studieren, arbeiten, haben Familien gegründet: Jedes für sich ist eine kleine Erfolgsgeschichte, viele von uns kennen wohl mindestens eine von ihnen.

Kein Verständnis haben wir dafür, dass auch von Teilen dieses Stadtrats Hass geschürt und Unsicherheit verstärkt wird. Klar, Fragen müssen beantwortet werden, wir brauchen gerade bei diesem Thema Transparenz und eine gute Informationspolitik durch das Sozialdezernat. Es ist aber auch unsere Aufgabe als gewählte Vertreter:innen Grenzen zu setzen, wenn die Würde von Menschen verletzt wird, zu widersprechen, wenn rassistische Erzählungen über Geflüchtete verbreitet werden. Denkweisen wie „Hauptsache nicht in meiner Nachbarschaft oder Ortschaft“ sind falsch und unsolidarisch und gehören zurückgewiesen. Wir sind alle in Verantwortung!

Das, was wir vor allem in Lindenthal und Böhlitz-Ehrenberg (wo es ja noch gar keine konkreten Pläne für eine Unterkunft gibt) und abgeschwächt auch in Stötteritz erleben, erinnert an die asylfeindlichen Proteste vor neun, zehn Jahren in Wahren, Schönefeld, in Grünau. Geflüchtete werden zur Projektionsfläche für alles Negative gemacht und Verantwortlichenschelte betrieben. Das geht nicht!

 Wir brauchen jetzt, wie schon vor zehn Jahren, einen Stadtrat, der an der Seite der Verwaltung steht, wenn es um menschenwürdige Unterbringung und Aufnahme geht und eine starke solidarische Zivilgesellschaft, die unterstützt und vernetzt. In Leipzig werden derzeit etwa 5500 geflüchtete Personen in Gemeinschaftsunterkünften und Gewährleistungswohnungen untergebracht. Im ersten Quartal des laufenden Jahres sollen fast 600 Personen neu nach Leipzig zugewiesen werden, Ukrainer:innen ausgenommen. In einer Stadt, in der vor allem bezahlbarer Wohnraum knapp ist, ist dies eine Mammutaufgabe. Und es braucht mehr: Kita- und Schulplätze, Sprachmittlung, Gesundheitsversorgung und den Ausbau von Beratungs- und Integrationsangeboten.

Wir stehen als LINKE zu den Zielen des 2013 beschlossenen Unterbringungskonzeptes, vorrangig dezentrales Wohnungen zu ermöglichen, verstanden als Wohnen mit eigenem Mietvertrag, sowie kleinteilige Unterbringungsmöglichkeiten zu schaffen, wie wir sie in 23 Fällen über die gesamte Stadt verteilt schon haben (Lindenthal). Die Unterbringung in großen Sammelunterkünften oder gar Zelten muss zeitlich stark limitiert sein. Dazu brauchen wir Angebote von und Kooperationen mit fairen Vermieter:innen, die Möglichkeit, die Zweckentfremdung von dringend benötigtem Wohnraum durch Ferienwohnungsnutzung oder spekulativen Leerstand Einhalt zu gebieten, mehr sozialen Wohnungsbau und den Abbau rassistischer Diskriminierung. Das selbstbestimmte Wohnen in den eigenen vier Wänden ist kein Luxus, sondern Teil eines selbstbestimmten Lebens. In diesem Sinne wollen wir weiterarbeiten und neue Lösungen finden. Und: In diesem Sinne werden wir Rassismus und rassistischer Stimmungsmache weiter entgegentreten.