Ein würdiges Gedenken für die Opfer des Kapp-Putsches

Dr. Volker Külow

Der vorliegende Antrag der Linksfraktion führt uns genau 100 Jahre in die deutsche und Leipziger Stadtgeschichte zurück. Am 13. März 1920 versuchten konterrevolutionäre Kräfte unter Führung von General Walter von Lüttwitz und dem Ministerialbeamten Wolfgang Kapp die von Gustav Bauer (SPD) geführte Regierung zu stürzen und die im Gefolge der Novemberrevolution entstandene Weimarer Republik zu beseitigen. Die Putschisten wollten das Trauma der Rechten vom 9. November 1918 beseitigen – mit der geballten militärischen Macht der Marinebrigade Ehrhardt im Rücken, einem schon Hakenkreuz tragenden präfaschistischen Freikorps. 1920 war zweifellos ein fürchterliches Menetekel für 1933. Zahlreiche führende Nazis und SS-Generäle verdienten sich mit der Beteiligung an den Morden der Freikorps ihre ersten Sporen in der faschistischen Bewegung.   

Die dramatischen Ereignisse im März 1920 führten das Land an den Rand eines Bürgerkrieges und zwangen die Mitglieder der Reichsregierung zur Flucht aus Berlin. Den entscheidenden Anteil am Scheitern des militärischen Umsturzversuchs hatte der größte Generalstreik in der deutschen Geschichte, an dem sich 12 Millionen Menschen beteiligten. Im Zuge der erfolgreichen Niederschlagung des Kapp-Putsches kam es auch in Leipzig ab dem 13. März zu schweren Kämpfen, die in der zeitgenössischen Publizistik als „Leipziger Revolutionswoche“ bezeichnet wurden. Bei diesen gewalttätigen Auseinandersetzungen kamen nach offiziellen Polizeiangaben rund 150 Menschen ums Leben, vornehmlich Arbeiterinnen und Arbeiter, die sich an Protestaktionen gegen den Putsch aktiv beteiligt und die noch junge Weimarer Demokratie verteidigt hatten.

Besonders viele Opfer unter den Demonstrierenden (mindestens 15 Tote und 40 Verwundete) kostete ein Feuerüberfall auf dem Augustusplatz am 14. März 1920, dem sogenannten „Leipziger Blutsonntag“. Ein Großteil der Schüsse fiel aus dem Hauptgebäude der Universität, das von Zeitfreiwilligen besetzt war. Die anschließenden Kämpfe zwischen Zeitfreiwilligen und Reichswehrangehören auf der einen und Arbeitern auf der anderen Seite dauerten noch bis zum 19./20. März an, bis alle Arbeiter entwaffnet waren. Insbesondere die Erstürmung des Volkshauses und die anschließende Brandstiftung durch Reichswehrsoldaten am 19. März blieben noch lange Jahre im historischen Gedächtnis der Leipziger Bevölkerung tief verankert. Das gilt ebenso für die am gleichen Tage stattfindende Beerdigung der ersten sieben Toten, vorwiegend Opfer der Kämpfe auf dem Augustusplatz. Die Kosten für diese und weitere Beerdigungen der Opfer des Kapp-Putsches trug per Stadtratsbeschluss vom 16. März 1920 die Kommune. Ich möchte auch deshalb die Namen dieser sieben Arbeiter hier in Erinnerung rufen: den 43-jährigen Maurer Adolph Brettschneider, den 48jährigen Gummiarbeiter Louis Gossmann, den erst 18-jährigen Friseurlehrling Arno Herrmann, den 29-jährigen Tischler Ferdinand Hübener, den 53-jährigen Arbeiter Karl Jänichen und den 42-jährigen Revolverdreher Oswald Kempe. An der Trauerfeier auf dem Südfriedhof nahmen über 10.000 Menschen teil. Die Stille der Beisetzung wurde vom Geschützdonner des Reichswehrüberfalls auf das Volkshaus durchbrochen. 

Auf den Tag genau zwei Jahre später, am Sonntag, den 19. März 1922, wurde mit einer Feierstunde das bis heute bestehende und gemeinsam von der Paul-Benndorf-Gesellschaft zu Leipzig e.V. und der Abteilung Friedhöfe des Amtes für Stadtgrün und Gewässer gepflegte Grabfeld auf dem Südfriedhof mit 38 Gräbern von Opfern der „Leipziger Revolutionswoche“ eingeweiht. Dabei wurde auch ein Findling mit folgender Inschrift aufgestellt: „Den gefallenen Kämpfern aus den Kapptagen. Das dankbare Proletariat“. Die Feier an diesem Tag begann mit einer Kundgebung auf dem Augustusplatz - ein Grund mehr, genau dort ein Denkzeichen zu setzen. Der anschließende Trauerzug führte mit 70.000-80.000 Teilnehmenden zum Südfriedhof, wo auf der Gedenkfeier der frühere Vorsitzende des Reichsrätekongresses und Reichstagsabgeordnete Friedrich Seger (USPD) die Festrede hielt.                       

Es steht Leipzig gut zu Gesicht, die Erinnerung an die damaligen Geschehnisse zu pflegen und derjenigen öffentlich zu gedenken, die mit ihrem Leben die junge Weimarer Demokratie verteidigten. Das Stadtzentrum ist dafür genau der richtige Ort. Insofern freuen wir uns, dass die Verwaltung unseren Kompromissvorschlag - eine Bodenreliefplatte auf dem Augustusplatz statt eins Denkmals - mitträgt.         

Das neue Denkzeichen bildet auch eine würdige Ergänzung zum „Volkshaus-Geschichtsboden“, der seit 20 Jahren an einem anderen authentischen Ort lebendige Geschichtsanschauung ermöglicht. Unter Leitung der rührigen Kulturwissenschaftlerin Dr. Monika Kirst wird hier im Ehrenamt spannendes Originalmaterial präsentiert. Zu den wohl gehüteten Schätzen gehört der Inhalt einer Flaschenpost, die beim Wiederaufbau des Volkshauses Anfang der 1920er Jahre eingemauert wurde. Die Flaschenpost wurde 1998 bei Sanierungsarbeiten von Leipziger Bauarbeitern gefunden. Sie enthielt eine Botschaft von Gewerkschaftsmitgliedern: „Wir wünschen den Findern eine bessere Zeit als wir sie hinter und vor uns haben.“

Diese Hoffnung erfüllte sich zum Glück, aber es gibt keine Garantie, dass es auch so bleibt. In diesem Sinne sind die damaligen Ereignisse auch eine Mahnung für die Gegenwart und Zukunft, unser demokratisches Gemeinwesen gegen alle völkisch-reaktionären Bedrohungen von rechts aktiv zu verteidigen. Auch in diesem Sinne bitte ich um Zustimmung für unseren Antrag mit der besagten Modifizierung, d.h. mit einer Bodenreliefplatte auf dem Augustusplatz. 

Rede zum Antrag der Fraktion DIE LINKE A 00775 "Erinnerung und würdiges Gedenken an die Opfer der Leipziger Arbeiter­bewegung bei der Niederschlagung des Kapp-Putsches im März 1920 (Neufassung)".