Mit weniger Geld wird in soziokulturellen Zentren mehr bewegt

Dr. Volker Külow

Die kulturpolitische Großwetterlage hat sich in Leipzig dieser Tage offenkundig dem regnerischen Novemberklima angepasst. Obwohl die finanzielle Aufstockung des Sächsischen Kulturraumgesetzes der Stadt über 3 Mio. EURO zusätzliche Einnahmen für 2005 sichert, flackern insbesondere bei den Leuchttürmen der Kultur die Lichter.

Die kulturpolitische Großwetterlage hat sich in Leipzig dieser Tage offenkundig dem regnerischen Novemberklima angepasst. Obwohl die finanzielle Aufstockung des Sächsischen Kulturraumgesetzes der Stadt über 3 Mio. EURO zusätzliche Einnahmen für 2005 sichert, flackern insbesondere bei den Leuchttürmen der Kultur die Lichter. Die personalpolitischen Hiobsbotschaften wollen nicht abreißen und in vielen Häusern herrscht angesichts der dramatischen Haushaltsituation Irritation und Verunsicherung. In diesem Zusammenhang dürften die populistischen, geradezu bühnenreifen Wahlkampfauftritte von Herrn Achminow und Herren Morlok in der heutigen Haushaltsdebatte - beide im neu begründeten Rollenfach „haushaltspolitische Heldentenöre“ – kaum zu mehr Optimismus in den Leipziger Kultureinrichtungen beitragen.

Vor diesem komplizierten Hintergrund hält die PDS es gerade jetzt für wichtig, dass der Stadtrat ein deutliches Bekenntnis zur Basiskultur im Allgemeinen und zu sechs soziokulturellen Zentren im konkreten ablegt. Zum Stellenwert und zur enormen Ausstrahlungskraft dieser Einrichtungen im kulturellen Leben Leipzigs ist in der Begründung für die Rahmenvereinbarungen fast alles Notwendige gesagt.
Auf zwei Aspekte möchte ich kurz näher eingehen: mit den genannten Einrichtungen wird insbesondere die Generation der 15- bis 30jährigen unabhängig vom sozialen Status und Bildungsniveau erreicht, eine Altersgruppe, die gegenwärtig überdurchschnittlich den rechtsextremistischen Sirenengesängen folgt. Nicht zuletzt durch die vielen interkulturellen Projekte in der Soziokultur erreicht man ein hohes Maß an Miteinander von deutschen und ausländischen Mitbürgern, das erheblich zur Integration beiträgt. Es dürfte gerade auch ein Verdienst dieser und vieler anderer Einrichtungen der Basiskultur zu sein, dass Leipzig trotz des größten Ausländeranteils in Sachsen bei der Landtagswahl am 19. September 2004 das geringste großstädtische NPD-Wahlergebnis zu verzeichnen hatte, wenngleich ich das keineswegs als Beruhigung auffasse. Und es ist erst recht kein Zufall, dass am 3. Oktober 2004 die Karl-Liebknecht-Straße, in deren Umfeld mit naTo, Haus Steinstraße, Frauenkulturzentrum und Conne Island immerhin vier der sechs Einrichtungen beheimatet sind, den Kristallisationspunkt für den friedlichen Widerstand tausender Bürgerinnen und Bürger gegen den Neonaziaufmarsch bildete. Im Übrigen zeugt auch das Bauvorhaben der IG Feinkost von der einmaligen und für die gesamte Stadt bedeutungsvollen Lebens- und Ausstrahlungskraft der Karli.
Der zweite Aspekt meines Beitrages bezieht sich auf die eingangs geschilderte Haushaltslage. Hier lohnt sich ein genauerer Blick auf die Zahlen, denn in kaum einem Kulturbereich wird mit weniger Geld mehr bewegt als in den soziokulturellen Zentren - nicht zuletzt wegen des hohen Grades an Selbstausbeutung der Mitarbeiter der Einrichtungen. Die Zuschüsse für die besagten sechs Einrichtungen betragen jährlich insgesamt ca. 1 Mio. EURO, das sind knapp 1,5 % der Zuschüsse für die großen kulturellen Eigenbetriebe der Stadt Leipzig. Damit werden immerhin fast 300.000 Besucher erreicht. Zum Vergleich: das Gewandhaus hat beispielsweise jährlich ca. 170.000 Besucher.
Auch die Haushaltstruktur der Häuser zeigt, wie verantwortungsvoll mit den städtischen Zuschüssen umgegangen wird bzw. wie angesichts der Ebbe in der Stadtkasse um Drittmittel, Sponsorengelder und eine Erhöhung des Anteils der Eigenfinanzierung gerungen wird. Während sich die Begegnungsstätte Mühlstraße und der Anker zu zwei Dritteln aus kommunalen Zuschüssen finanzieren, sinkt der Anteil beim Haus Steinstraße und der Frauenkultur auf ca. 50 Prozent und bei der naTo und beim Conne Island beträgt er sogar nur noch knapp ein Fünftel. Damit ist aber nunmehr jeweils das Ende der Fahnestange erreicht. Wir unterstützen daher nachdrücklich den vorliegenden Beschlussvorschlag, denn Leipzig und seine Besucher brauchen in stürmischen Zeiten zur Orientierung nicht nur kulturelle Leuchttürme, sondern auch Bojen, kleine Lotsenschiffe und last but not least den einen oder anderen Anker.