Michael Neuhaus zum EKSP: Gute Klimapolitik ist gute Sozialpolitik!

Michael Neuhaus

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Beigeordnete, liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen, liebe Gäste,

Da draußen brennt die Luft, weil in parlamentarischen Räumen die Energiewende verpennt wurde. Der Name „Energie- und Klimaschutzprogramm“ trifft daher eigentlich nicht, worum es heute geht: Es ist ein Programm, dass dafür sorgen soll, dass die Nebenkosten bezahlbar und die Städte im Sommer bewohnbar bleiben. Es ist ein Schutzprogramm für die Menschen.

Und genau deswegen möchte ich heute mal nicht mit Kritik anfangen, sondern mit Lob. Während die Landesregierung bis heute, drei Jahre nach Amtsantritt, immer noch kein Maßnahmenprogramm beschlossen hat, liefert die Stadt nicht nur ein Energie- und Klimaschutzprogramm, sondern gleich noch ein Umsetzungsprogramm für die nächsten zwei Jahre. Das EKSP nennt im Gegensatz zum Landesprogramm ein konkretes Grad-Ziel, ein dazugehöriges CO2-Budget, es quantifiziert seine Maßnahmen und es ist so ehrlich, zu sagen, dass eine Lücke zwischen dem besteht, was wir vorhaben und dem, was eigentlich getan werden muss. Die Stadtregierung ist der Staatsregierung weit voraus.

Ich bitte sie deshalb auch, unsere Kritik und Änderungsanträge als Wertschätzung ihrer Arbeit zu betrachten. Kommen wir nun aber zum Salz in der Suppe: Obwohl sich die Weltgemeinschaft auf das 1,5°C-Ziel geeinigt hat, strebt die Stadt noch immer das 1,75°C-Ziel an. Begründet wird das damit, dass die Kommune 1,5°C alleine nicht erreichen kann. Gleichzeitig stellt die Stadt aber fest, dass auch 1,75°C alleine nicht drin sind. Daraus ergeben sich für mich zwei Fragen, Herr Oberbürgermeister:

Frage Nummer 1: Wenn wir schon Ziele setzen, die wir alleine nicht erreichen können, warum setzen wir dann nicht die richtigen?

Frage Nummer 2:  Wenn das internationale Ziel 1,5 lautet, wir als Stadt aber nur 1,75 Grad anstreben: Was meinen Sie, wer unsere Klimaschulden bezahlt?

Weiter: Das EKSP gibt Ziele bis 2030 vor, das Umsetzungsprogramm soll die nächsten zwei Jahre regeln. Von den fünf Maßnahmen im Handlungsfeld „Kommunale Gebäude und Anlagen“ finden sich vier eins zu eins so im Umsetzungsprogramm wieder. Im Handlungsfeld „Mobilität“ sind es 14 von 17 Maßnahmen. Es gibt nun zwei Optionen: entweder sie wollen tatsächlich ein Großteil der Maßnahmen für 2030 bereits bis 2024 umsetzen, was ja mal ganz geil wäre, oder sie schreiben uns diese Maßnahmen nun alle zwei Jahre in ein neues Umsetzungsprogramm.

Kommen wir aber nun zum größten Manko: Auf dutzenden Seiten wird Klimaschutz eingeordnet und analysiert. Da geht es mal um internationale, bundespolitische, und landespolitische Rahmenbedingungen, die Emissionen verschiedener Brennstoffe, und, und, und. Tausend schicke Tabellen und Grafiken. Nur eine Sache bleibt unerwähnt: Die soziale Frage wird konsequent ausgeklammert. Nirgends steht, dass in Deutschland die reichsten 10 Prozent genauso viel CO2 in die Luft blasen, wie die ärmere Hälfte, sprich 50 Prozent, der Bevölkerung. Nirgends steht, dass gerade diese Menschen besonders viel Geld für Energie ausgeben, weil sie sich einen energieeffizienten Kühlschrank gar nicht erst leisten können. Nirgends steht, dass gerade diese Menschen von bezahlbarer Energie und bezahlbarer Mobilität am meisten profitieren würden.

Und das, meine Damen und Herren, ist fatal! Jahrelang haben Klimaschutzgegner in und außerhalb der Parlamente behauptet, dass Klimaschutz für Menschen mit geringerem Einkommen vor allem Verzicht bedeutet. Wir müssen nun zeigen, dass Klimaschutz gerade denen hilft, die kein prallgefülltes Konto haben. Gute Klimapolitik ist gute Sozialpolitik. Aber gerade da verschenkt das EKSP viel Potenzial. Wir schlagen deshalb in unserem Änderungsantrag ein Förderprogramm für energetische Sanierung mit stabilen Mieten vor. Für Menschen mit geringem Einkommen wäre das eine Win-Win-Situation: eine stabile Miete und weniger Ausgaben für Nebenkosten.

Sehr geehrte Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren,

Gab es je einen besseren und dringenderen Zeitpunkt für ein neues Klimaschutzprogramm? Ein besseren schon, ein dringenderen vermutlich nicht. Am Ende möchte ich mich noch bei allen Kolleginnen und Kollegen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, sowie bei den Aktivistinnen und Aktivisten persönlich und von ganzem Herzen für die unzähligen Stunden gemeinsamer Arbeit an diesem Programm bedanken.

Ihr seid super.

Ansonsten bitte ich um Zustimmung.