Machen wir uns gemeinsam auf den Weg zur Inklusion

Werner Kujat

Mit dem Teilhabeplan liegt ein Meilenstein zur Umsetzung des Menschenrechts auf Selbstbestimmung und Teilhabe vor. Sie gestatten mir einige Worte und verzeihen, dass ich nicht auf alle Aspekte des Papiers eingehen werde. Die anderen Fraktionen dürfen ergänzen.

„Auf dem Weg zur Inklusion“ ist ein anspruchsvoller Titel, dem – so will ich behaupten – schon in der Erarbeitung Rechnung getragen wurde. Es gab mehrere Veranstaltungen, in denen gezielt Menschen mit und ohne Behinderung gemeinsam mit Vereinen und Verbänden sowie der Stadt in den Dialog getreten sind. Die prozessorientierte Beteiligung der Betroffenen und jener, die sich für die Rechte von Menschen mit Beeinträchtigung einsetzen, möchte ich hier ausdrücklich hervorheben. Man kann immer Sachen besser machen, aber man muss auch mal ein Lob aussprechen. Und das Ergebnis kann sich sehen lassen.

Inklusion bedeutet die Anpassung der gesellschaftlichen Bedingungen an die Individuen. Es sind also die Verhältnisse, die Umstände, die Rahmenbedingungen, die wir ändern müssen. Dieser Grundgedanke ist im Teilhabeplan erkennbar. Natürlich haben viele der Maßnahmen „nur“ einen integrativen Charakter. Dies ist aber nicht zuletzt den Einschränkungen durch Bund und Land anzulasten, in deren Rahmen wir als Kommune handeln müssen.

Lassen Sie mich einige Anmerkungen zum Inhalt machen.

Wohnen. Viele Menschen mit Behinderung wollen selbstbestimmt wohnen – wie alle anderen auch. Studien vom Paritätischen zeigen, dass der Wunsch in Richtung eigene Wohnung geht. Wir müssen dafür den Zugang zur eigenen Wohnung erleichtern und die KdU anpassen. Die Einzelfallentscheidung sollte nicht die Norm sein.

Bildung. Kitas sind eine Kernaufgabe kommunaler Politik. Akzeptanzförderung und Sensibilisierung beginnen in der frühkindlichen Bildung. Es ist äußerst sinnvoll, die gemeinsame Betreuung von Kindern mit und ohne Behinderung in Komplexkindertagestätten auszubauen.

Bei der Schule wird es schon etwas komplizierter. Das Schulgesetz vom Freistaat zieht Separation der Integration und Inklusion vor, geht nicht über Soll-Bestimmungen hinaus und erhält das Ressourcen-Etikettierungs-Dilemma. Es werden Ausreden bereit gestellt, eben nicht gemeinsam zu unterrichten. Dabei zeigen bildungswissenschaftliche Studien, dass heterogenes Lernen für alle zuträglich ist.

Im Kontrast stehen die Vorhaben im Teilhabeplan, Kooperationsverbünde einzugehen und lernzieldifferenten, inklusiven wie integrativen Unterricht zu fördern.

Barrierefreie Schulen und deren innere Ausgestaltung sind dafür eine Voraussetzung.

Arbeit. Die Stadt als Arbeitgeberin und als Auftraggeberin wirkt vorbildlich. Die Eigenbetriebe und die Stadt selbst beschäftigen überdurchschnittlich viele Menschen mit Behinderung. Und es ist noch Luft nach oben: Sehr gut wären dauerhafte, integrative Maßnahmen in den 1. Arbeitsmarkt, über 2 Jahre. Wir werden das genau verfolgen.

Kultur. Der Zugang zur Hochkultur, zu Museen und den Bibliotheken, das Erleben durch Sehen, Hören und Berühren, Angebote der Musikschule und der Volkshochschule – dies sind alles gute Maßnahmen. Eine konkrete ist die Weiterentwicklung des Kulturführers in Leichter Sprache. Dieser wurde in einem kooperativen Forschungsprojekt von der Erziehungswissenschaft mit Menschen mit Behinderung erarbeitet und ich freue mich, dass es damit weiter geht.

Wir dürfen dabei aber nicht den Blick auf die Freie Szene und die Subkultur verlieren. Menschen mit Behinderung sind auch Punker. Die Rollifahrerin will mitunter Skaten. Der Blinde will vielleicht zum Underground-Gig. Viele Maßnahmen gehen auch genau in die Richtung. Unsere Aufgabe ist es, dafür die Mittel bereit zu stellen.

Öffentlicher Raum und Mobilität. Der barrierefreie Ausbau von Haltestellen ist natürlich eine Priorität. Menschen mit schwerer Behinderung können personengebundene Behindertenstellplätze beantragen. Ein ungeklärter Sonderfall ist der Parkplatz für Assistenzen und Pflegekräfte bei 24-Stunden-Betreuungen, gerade bei Klienten mit hohen Mobilitätseingeschränkungen. Da müssen wir noch eine Lösung finden.

Die Querschnittsthemen Bewusstseinsbildung und Kommunikation halte ich für zukunftsträchtig. Weiterbildung, leichte Sprache, Sensibilisierung: Daraus entsteht ein Umdenken.

Mit dem Beschluss des Teilhabeplans und dem daran gebundenen Entstehungsprozess sind die Weichen gestellt. Die Umsetzung und Weiterentwicklung werden noch spannend.

Es ist Zeit: Machen wir uns gemeinsam auf den Weg zur Inklusion.

Rede zur Drucksache DS-04839 „Auf dem Weg zur Inklusion“ – Teilhabeplan der Stadt Leipzig 2017 bis 2024.