Lieber Gott, bin ich froh, dass wir jetzt den Bonew haben!

William Grosser

Lieber Gott, bin ich froh, dass wir jetzt den Bonew haben! Denn wenn es nach seiner Vorgängerin, der ehrenwerten Bundestagsabgeordneten Bettina Kudla ginge, wären bestimmt auch zwei oder mehrere Millionen Euro Zuschuss für den 100. Katholikentag 2016 eine angemessene Summe.
Ja, am 11. September wurde Vertretern der Stadtratsfraktionen ein schlüssiger Finanzplan des 100. Katholikentages vom Generalsekretär des Zentralkomitees der deutschen Katholiken in einer Diskussionsrunde vorgelegt. Herr Dr. Vesper und seine Mitstreiter haben das in einer sehr freundlichen, offenen und nachdrücklichen Weise getan. Wir wissen jetzt, dass zur Organisation dieses Festes der katholischen Laien tatsächlich insgesamt 9,9 Mio. Euro gebrauchen werden, sonst kann das Fest nicht wie geplant ablaufen. Der Millionenzuschuss von der Stadt Leipzig spielt da eine wichtige Rolle. Auch das Bistum Meißen bezuschusst den Kirchentag mit 600.000 Euro, obwohl es kein reiches Bistum ist.
Schön, doch hat sich mit dieser Erkenntnis seit Juli etwas in der Sache selbst geändert?
Ich sage nein.
Dabei will ich nicht darüber sprechen, ob es in der reichen katholischen Kirche eine gerechte Verteilung der Mittel gibt. Ich bin kein Katholik, deshalb geht das mich nichts an.
Ich will auch nicht darüber reden, dass der deutsche Staat jährlich mit fast einer halbe Milliarde Euro die Gehälter der Würdenträger der Kirchen zahlt. Das Problem der Trennung von Staat und Kirche kann nicht im Stadtrat Leipzig geregelt werden.
Aber ich will darüber reden, dass auch Leipzig nicht reich ist. Wir befinden uns seit Juli auch nicht in einer besseren finanziellen Lage. Die Situation der Schulen, Kindergärten und Straßen hat sich nicht wesentlich entspannt. Kaputte Fenster, unhygienische und ruinöse Sanitäranlagen sowie unzureichender Brandschutz in vielen Schulen sind keine Hirngespinste, sondern Realität. Viele Straßen und Brücken in unserer Stadt verdienen ihre Bezeichnung nicht. Jeder Cent ist wichtig, der für ihre Instandhaltung frei gemacht werden kann.
Es gibt immer noch über 42.000 Bedarfsgemeinschaften, für die wir die Kosten der Unterkunft bezahlen und immer noch fast 22.000 langzeitarbeitslose Menschen in unserer Stadt. Die Nennung solcher Probleme ist kein Populismus, sondern die Wahrheit.
Immer wieder war Geldmangel die ablehnende Begründung der Stadtverwaltung, wenn es darum ging, politische Ansätze zu entwickeln, um diese Probleme anzugehen.
Dinge, die den Leipzigern wirklich auf der Seele brennen wie zum Beispiel die Wiederherstellung des Stadtbades und andere werden immer mit der Begründung der Nichtfinanzierbarkeit abgeschmettert. 
Es gibt immer noch sehr viele Bürgerinnen und Bürger, die jeden Cent mehrmals umdrehen müssen, bevor sie ihn ausgegeben können.
Wie sollen wir diesen Leuten sagen, dass wir mal eben eine Million Euro für einen Kirchentag ausgeben? Ist diese Ansicht populistisch?
Was ist mit dem Argument des Oberbürgermeisters, dass ein Vielfaches der investierten Summe wieder an die Stadt zurückfließt?
Meine Antwort: Das kann schon sein. Aber mal ehrlich, profitiert denn die gesamte Stadtgesellschaft? Händlern und der Gastronomie, einschließlich ihrer Mitarbeiter, sei es gegönnt, wenn sie gut verdienen.
Als Akt der Wirtschaftsförderung wäre das in Ordnung, wenn dabei sichergestellt werden würde, dass mindestens eine Million Euro wieder ins Stadtsäckel zurückkommt. Denn da wird das Geld für die Lösung der von mir aufgeführten Probleme gebraucht.
Meine Damen und Herren, natürlich ist es schön, wenn unsere Stadt viele  Menschen aus ganz Deutschland und aus anderen Ländern zu Gast hat. Es ist schön, wenn sie Leipzig erleben können und anschließend nach ihrer Heimkehr über unsere schöne Stadt berichten. Es ist auch schön, wenn katholische Menschen, hier in der Diaspora, anderen zeigen können, wie sie leben, was sie träumen und was sie wollen.
Und da es ja ganz bestimmt ohne missionarischen Ansatz geschieht, wäre alles gut, wäre alles richtig.
Nur bezahlbar ist das für unsere Stadt derzeit leider nicht.
Angesichts der finanziellen Lage Leipzigs ist die Forderung von einer Million Euro unangemessen. Da vergeht den meisten Leipzigern die Lust, gute Gastgeber zu sein. Hier irrt Frau Bettina Kudla in ihrer Einschätzung über die Freude der Leipziger. Und Frau Kudla, wie würden Sie sich eigentlich verhalten, wenn morgen Buddhisten oder andere Religionen Gleiches in gleicher Höhe verlangten?
Nein, meine Damen und Herren, wir sind Stadträte und als solche den Leipzigern verpflichtet, nicht der katholischen Kirche. Die Mehrheit meiner Fraktion wird, so wie ich, diese Vorlage ablehnen.
Vielen Dank.

Rede zur Drucksache DS 3795 "100. Deutscher Katholikentag  vom 25. bis 29. Mai 2016".