Leipzig ist bunt. Leipzig ist vielfältig!

Olver Gebhardt

Es passt zur Fraktion einer völkischen Partei, für die die Nazizeit mit dem Holocaust an Millionen von Menschen laut ihres Ehrenvorsitzenden nur ein „Vogelschiss der deutschen Geschichte“ ist, einen Antrag zu stellen, der noch weit unter dem Niveau der hinlänglich berüchtigten Hufeisentheorie verbleibt.

Nach der letzten Ratsversammlung wundert uns diesbezüglich aber auch gar nichts mehr. Im April lernten wir, dass der Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende der Leipziger AfD Siegbert Droese in der Vergangenheit gerne zum politischen Gedenken an den Widerstand für Zitat „Schnappschüsse“ vor dem Führerhauptquartier posiert. Aber auch seine Neigung zu speziellen Autokennzeichen wie GD3345, vermutlich eine Anspielung an Groß-Deutschland 1933-45, ist für ihn, genauso wie das Kennzeichen AH1818 nur ein unglücklicher Zufall. Zufall ist sicherlich auch, dass auf dem Facebookprofil fleißig Beiträge von Bernd Höcke geteilt und geliket werden. Ebenso zufällig ist sicherlich auch die Teilung der Forderung, dass Andreas Kalbitz weiterhin Mitglied der AfD sein soll. Für Andreas Kalbitz ist die AfD nämlich „die letzte evolutionäre Chance für dieses Land. Danach kommt nur noch Helm auf…. Wir werden auf den Gräbern tanzen“.

Ähnlich mit der Maus abgerutscht ist auch der Stadtrat und Landtagsabgeordnete Ulbrich. Er stellte nach den rechtsradikalen, antisemitischen Anschlägen in Halle mit unverhohlenem Zynismus die Frage: „Was ist schlimmer, eine beschädigte Synagogentür oder zwei getötete Deutsche?“

Man könnte nun denken, dass sind unglückliche Ausrutscher. Man braucht im Internet aber kaum mit der Recherche zu beginnen, wird man fündig. Im von Ulbrich mit unterzeichneten Aufruf zum Sturz von Parteichef Meuthen heißt es: „Man kann von (Bernd alias) Björn Höcke halten was man will, aber er hat sich seit seiner Dresdner Rede, die auch niemals so schlimm war, wie von der uns feindlich gesinnten Presse dargestellt, extrem zurückgehalten. […] Auch hat er, so wie der Flügel, sich auf Parteitagen und in öffentlichen Auftritten sehr gemäßigt, ja fast schon handzahm, gezeigt.“  Ein Mann, der gerichtsfest als Faschist benannt werden darf, von einer erinnerungspolitischen Wende um 180 Grad phantasiert oder beim Holocaust-Denkmal vom sogenannten “Denkmal der Schande“ spricht, ist nach dem Urteil von AfD-Stadtrat Ulbrich handzahm?

Genauso perfide – wenngleich in die entgegen gesetzte Richtung – argumentiert ein anderes Mitglied der AfD-Fraktion, dass die systematische Ausgrenzung, Verfolgung und Vernichtung von Juden mit der Aussage: "Früher hieß es 'Kauft nicht bei Juden!', heute heißt es 'Verkauft keine Produkte von AfD-Mitgliedern!'" herunterspielte.

Dass diesen Worten auch leider Tag für Tag üble Taten folgen, zeigt ein Blick in die Dokumentation faschistischer, rassistischer und diskriminierender Ereignisse in und um Leipzig. Mein herzlicher Dank gilt an dieser Stelle den Herausgebern von Chronik-LE.

1.April: Neonazi bedroht Personen in Leutzsch als „Kanacken“ und „Zecken“

4.April: Zwei Frauen werden in Plagwitz attackiert und als „Zecken bezeichnet“. Es fallen die Worte „Euch machen wir alle platt“

6.April: zwei Jugendliche bepöbeln Menschen in Plagwitz rassistisch. Eine Täterin ruft „Sieg Heil“ und sei „stolze Deutsche“

6.April: Zwei Frauen mit Kindern werden von Neonazi bedroht und als „Zecken“ beschimpft.

12.April: Neonazistische Gesänge in Connewitz

12.April: Hakenkreuz Aufkleber in Lützschena-Stahmeln

17. April: Hakenkreuzschmierereien am bayrischen Bahnhof

25. April: Neonazistische Graffiti in Stötteritz und Lindenau

26.April: Neonazi greift Personen an, die neonazistische Schmierereien mit Plakat überkleben wollen

Mit ihrem vorliegenden Antrag machen sie nun genau eines: Sie setzen Links und Rechts gleich und verharmlosen damit den wirklichen Naziterror der letzten Jahre, wie er zuletzt in Halle und Hanau seine verhängnisvolle Blutspur zog. Sie lenken bewusst und gezielt von den wirklichen Gefahren, die unserer Gesellschaft drohen, ab: von dem unsäglichen Hass gegen Menschen anderer Herkunft, anderen Glaubens und anderem Aussehen. Diese gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit können sie aber zum Glück nicht ungestört ausleben: gemeinsam mit den anderen demokratischen Fraktionen treten wir ihnen hier im Saal aber auch im öffentlichen Raum immer wieder entschieden entgegen.

Dass wir dieses Gremium nicht für ihre Propaganda missbrauchen lassen, wurde bereits vor einem Monat offensichtlich. Mit der überwältigenden Mehrheit des Stadtrats haben wir durch den Beschluss des Programms „Leipzig. Ort der Vielfalt“ ein entscheidendes Signal gesetzt. Leipzig steht für Toleranz. Leipzig ist bunt. Leipzig ist vielfältig. Menschenverachtung hat hier keinen Platz.

Rede zum Antrag der AfD-Fraktion A 00504 "Bekenntnis zum gemeinsamen Handeln des OBM und des Stadtrates gegen antidemokratische, antipluralistische, anarchistische, linksextreme sowie linksterroristische Entwicklungen in Teilen der Leipziger Stadtgesellschaft".