Leipzig hat ein Konzept für Erinnerungskultur

Marco Götze

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Anwesende,

 

mit dem Konzept Erinnerungskultur ist ein Meilenstein gelungen, der die Bemühungen unserer Stadt auf diesem Gebiet bündelt und zusammenfasst. Dies ist durch viele Beteiligte im Vorfeld in Abstimmung geschehen. Eigentlich sollte nun an diesem Paket nicht herumgeändert werden, da es eben ein konsensuales Bemühen hin zu dem vorliegenden Ergebnis gewesen ist.

Daher haben wir uns trotz so mancher Kritik mit Änderungsanträgen zurückgehalten. Es liegt trotzdem einer von Bündnis 90/Die Grünen vor. Der Änderungsantrag ist dennoch ein großer Wurf. Zum einen ist der Verweis darauf, dass eben auch die Geschichte der Aufarbeitung der NS-Vergangenheit in der alten Bundesrepublik – und nicht nur in der DDR – in den ersten Jahrzehnten ein äußerst problematischer war, angebracht. Immerhin ist die Geschichte beider deutscher Staaten nunmehr vereinigte Geschichte und mithin die des anderen Teils auch jeweils die eigene. Zum anderen führte uns die Änderung endlich auch aus der Einseitigkeit der Betrachtungen und auch der Kritik heraus.

Sehr viel bedeutet uns auch die zweite Änderung hinsichtlich des Antifaschismus in der DDR. Ja, natürlich gab es einen staatsdoktrinären, bestimmte Widerstandsgruppen überbetonenden Antifaschismus, der allerdings nicht vollkommen jeglichen anderen Widerstand wegließ. Allen Antifaschismus in der DDR als verordnet, zwangsweise und missbräuchlich verwendete Gründungsideologie zu brandmarken wird den Einstellungen der Menschen in der DDR nicht gerecht.

Natürlich sah die überwiegende Mehrheit der DDR-Bürgerinnen und -bürger die Gräuel des NS-Regimes mit Abscheu, natürlich sahen sie auch den Widerstand dagegen als zu würdigende Tat. Das rückwirkend zu negieren und eine eigene, in den Jahrzehnten und Generationen gewachsene Erinnerungskultur zu negieren oder ihre Ehrlichkeit zu relativieren, spräche den Menschen im Osten Deutschlands ab, einen eigenen wachen Verstand und ein eigenes Geschichtsbewusstsein gehabt zu haben.

Diese Erinnerungstradition unterschied sich geringfügig von der alten Bundesrepublik, teilungs- und systembedingt. Wurde in der DDR der kommunistische Widerstand überbetont und alles in sein Zeichen gestellt, so war es in der alten Bundesrepublik nach langer Verdrängung der NS-Vergangenheit die starke Fokussierung auf den militärischen Widerstand, die lange dominierte. Bis zur Rede Richard von Weizsäckers 1985 war die Würdigung des kommunistischen Widerstands nahezu ein Problem. Während der 40. Jahrestag der Befreiung in der DDR ein Feiertag war, musste Richard von Weizsäcker herausstellen, dass es für alle ein Tag der Befreiung war.

In der gemeinsamen Bundesrepublik ist ein neues, breiteres und umfassenderes Bild zum Nationalsozialismus und zum Widerstand gewachsen, das es weiterzuentwickeln gilt. Eingedenk des Genannten stimmen wir dem Antrag der Grünen zu. Bündnis 90/Die Grünen wünschen wir, dass ihre antifaschistischen Überzeugungen auch auf ihre Haltung bei Debatten um den Erhalt antifaschistischer Namen auf ihr Handeln durchschlagen.

 

Vielen Dank.