Leipzig braucht eine Debatte über den künftigen Stellenwert der Kultur

Dr. Volker Külow

Trotz der zusätzlichen Millionen aus Dresden stehen wir ja mittlerweile vor der abstrusen Konstellation, dass Leipzig prozentual mehr für seine Kultur ausgibt als die meisten anderen deutschen Kommunen und es an vielen Fronten doch nur noch zur Verwaltung des Mangels reicht.

Ich weiß nicht, ob es im gewissen Sinne ein musikalischer Fingerzeig ist, dass heute Abend im Gewandhaus Franz Schuberts große C-Dur Symphonie gespielt wird. Das 1826 geschaffene und der Wiener Gesellschaft der Musikfreunde gewidmete Werk konnte aufgrund seines hohen Schwierigkeitsgrades zunächst nicht aufgeführt werden. Unsere Schwierigkeiten sind heute gewiss ganz anderer Art, aber virtuose Leistungen werden dem Stadtrat zu Leipzig mit seinen Haushaltsbeschlüssen gewiss auch abverlangt. Bevor ich jedoch die Probleme des Wirtschaftsplanes des Gewandhauses etwas näher beleuchte, scheinen mir einige Bemerkungen zur derzeitigen Kulturdebatte in unserer Stadt angezeigt.
Die jüngste Wortmeldung des Oberbürgermeisters in dieser Sache trug eher zwiespältigen Charakter, nicht zuletzt weil man seine Aufforderung an die Stadträte, auf schnellen Beifall zu verzichten und die „Balance zwischen Wirtschaftlichkeit und Akzeptanz in der Bevölkerung“ zu halten, zunächst gern von ihm selbst realisiert gesehen hätte. Wer quasi im Alleingang die 3,5 Mio. Mehreinnahmen aus dem Kulturraumgesetz weitgehend in die musikalischen Leuchttürme am Augustusplatz steckt bzw. Herrn Chailly als zusätzliche Morgengabe andient, sollte diesbezüglich vielleicht etwas mehr Zurückhaltung üben.
Trotz der zusätzlichen Millionen aus Dresden stehen wir ja mittlerweile vor der abstrusen Konstellation, dass Leipzig prozentual mehr für seine Kultur ausgibt als die meisten anderen deutschen Kommunen und es an vielen Fronten doch nur noch zur Verwaltung des Mangels reicht. Wir werden vor diesem Hintergrund und angesichts der knappen Kassen um strukturelle Lösungen nicht umhinkommen, die der Stadtkasse Entlastung verschaffen.
Ob eine Generalintendanz neudeutsch Kultur-Holding der richtige Weg ist, bleibt abzuwarten; die PDS – das Bekenntnis wird jetzt den ein oder anderen von Ihnen vielleicht überraschen - will jedenfalls Karl Kayser nicht wiederhaben. Wie die künftigen Strukturveränderungen in der Kultur auch ausfallen mögen: das Thema ist zu sensibel, als dass es von schwarz-gelben Krämerseelen bedenkenlos hinausposaunt werden darf. Diesen Kollegen möchte ich einen Satz des Regisseurs Peter Konwitschny, Mitglied der Freien Akademie der Künste zu Leipzig, zurufen: „Eine Theaterschließung ist ein Akt der Barbarei.“

Die PDS ist der Auffassung, dass Leipzig im Rahmen der Diskussion zur strategischen Kommunalpolitik endlich eine prinzipielle Debatte über den künftigen Stellenwert der Kultur im Leitbild der Stadt benötigt. Die von der Rathausspitze immer wieder eingeforderte „europäische Geltung“ Leipzigs existiert - wenn überhaupt – nur im Bereich Kunst und Kultur. Sie ist auch auf lange Sicht nur dort weiter ausbaubar. Die Diskussionen und Beschlüsse der letzten Jahre wurden diesem Stellenwert allerdings nicht gerecht, zumal sich die bundes- und landespolitischen Rahmenbedingungen gravierend veränderten. Vor diesem Hintergrund hat die PDS-Fraktion daher die Ausarbeitung eines Kulturentwicklungsplanes beantragt. Das ist sicher keine Allzweckwaffe, aber es ist aus unserer Sicht der seriöseste Weg, um demokratisch, öffentlich und unter Einbeziehung der Akteure sowie der Bevölkerung eine Debatte über die künftige Kulturlandschaft unserer Stadt in Gang zu setzen. Jetzt aber noch das versprochene Wort zum vorliegenden Wirtschaftsplan des Gewandhauses, der wie manch anderes Zahlenwerk der großen kulturellen Eigenbetriebe inzwischen einem Vabanquespiel gleicht. Fehlbeträge in der Finanzplanung der Folgejahre trotz der einkalkulierten Erhöhung der Zuschüsse in Millionenhöhe gehören mittlerweile zum guten Ton. Schaut man sich die Ergebnisse der vergangenen Wirtschaftsjahre an, wird zudem deutlich, dass Einnahmen nahezu durchgehend am Maximum und die Ausgaben am Minimum angesetzt werden. Finanzielle Risiken werden somit kaum erkannt bzw. berücksichtigt; Einnahmeunter- und Ausgabenüberschreitungen sind quasi vorprogrammiert. Auch manch eher fiktiver Sponsor dürfte im vorliegenden Zahlenmaterial verborgen sein. Und nicht immer hat man auf der Suche nach versteckten Dingen so viel Finderglück wie einst Robert Schumann, der 1838 Wien besuchte und im Nachlass des zehn Jahre zuvor verstorbenen Franz Schubert die Partitur der eingangs erwähnten C-Dur Symphonie entdeckte. Ihre Uraufführung - vielleicht ist das zum Schluß ja noch ein gutes Omen - fand unter Leitung von Felix Mendelssohn-Bartholdy am 21. März 1839 im Leipziger Gewandhaus mit riesigem Erfolg statt.