Lebensraum Straße

Reiner Engelmann

Im Jahr 1992 sah sich die PDS-Fraktion vor der Verabschiedung der verkehrspolitischen Leitlinien gezwungen, unsere Vorstellungen einer menschenfreundlichen Verkehrsentwicklung in Form eines Antrages darzustellen.Heute kann man feststellen, dass unsere Aussagen von damals heute gut und gern als moderne gelten.

Im Jahr 1992 sah sich die PDS- Fraktion vor der Verabschiedung der verkehrspolitischen Leitlinien gezwungen, unsere Vorstellungen einer menschenfreundlichen Verkehrsentwicklung in Form eines Antrages darzustellen.
Wenn Sie, liebe Zuhörer, einen Bezug zur heutigen Vorlage herstellen, werden sie feststellen, dass unsere Aussagen von damals heute gut und gern als moderne gelten.

Wir definierten damals den "Lebensraum Straße" und verlangten für diesen, dass die Stadtbeziehungen durch Straßen nicht gestört werden dürfen, beschrieben die Multifunktionalität der Straßenräume und verlangten die Dominanz der Lebensqualität für die Einwohner Leipzigs. Für uns war und bleibt Verkehrsplanung integraler Bestandteil der Stadtplanung.

Den Stand der gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnis erfahren wir aus der Anhörung im Bundestag, dort stellte Christine Baumhardt von der TU Berlin fest, dass

• Verkehrsplanung und Siedlungsentwicklung gemeinsam analysiert und geplant werden müssen

• Verkehr ein gesellschaftliches Querschnittsthema ist und zugleich wirtschaftliche, soziale und ökologische Fragen berührt werden.

All das finden wir in der heutigen Vorlage für Leipzig angewandt und weiter entwickelt in der heutigen Vorlage.

Die PDS-Fraktion hat immer wieder, vor allem in den Haushaltsreden, darauf hingewiesen, dass die städtischen Konzepte der entstanden Lage angepasst werden müssen.
Bevölkerungsschwund, Wohn- und Gewerbeleerstand, offene Brücken- und Straßensanierung und die erhebliche Finanznot der Stadt wurden benannt.Mehrfach haben wir zu einer Art modernen Bescheidenheit aufgerufen. Weniger kann mehr sein, vor allem bei der Betrachtung verkehrspolitischer Fragen.

Im Punkt 3 der Präambel finden wir endlich einen solchen Ansatz. Prioritäten setzen, jeden Euro dreimal umdrehen.
Leider, meine Damen und Herren, finden wir eine wichtige These von Baumhardt nicht ausreichend bearbeitet. Sie sagt und beweist, dass Aussagen zur Verkehrsentwicklung, die kontinuierliches Wachstum prognostizieren, tendenziell selbst erfüllte Prophezeihungen sind.
In die Planverfahren fand diese Erkenntnis Eingang, indem bei Verkehrsbauten auch der indizierte Verkehr mit berechnet werden muss.
Schaut man sich die Prognosen in den Anhängen des STEP an, bekommt man einige Zweifel, dass die Verantwortlichen an die eigene Steuerungskraft glauben. (Lineare Entwicklungen, so lehrt eigentlich schon die Statistik, treten nie ein.)

Gestatten sie an dieser Stelle einige Bemerkungen zum Umgang mit der Vorlage.

1. Es geht einfach nicht an, dass bei einer solch wichtigen Entscheidung die Stadtbezirksbeiräte und Ortschaftsräte vergessen werden. Die haben die Vorlage trotzdem beraten.

2. Bei einem solchen politischen Richtungswechsel - und nichts anders ist die Vorlage - sollte von vornherein eine Anhörung der Bürger, die sich in den Entscheidungsprozess einbringen wollen, geplant werden. Letztlich fand die von uns vorgeschlagene Anhörung statt und wir stellten für uns fest, dass die Verwaltung die Einwände sorgfältig abgewogen hat und innerhalb der Abwägung Änderungen am Konzept vorgenommen hat. Wohlgemerkt die Änderungen im Kompromiss geboren, haben uns bei weitem nicht alle gefallen.

3. Die Fraktion betrachtet Straßenplanungen, die die Auwaldquerung betreffen, nicht als integralen Bestandteil der Vorlage. Wir werden einer solche Querung auch niemals zustimmen.

4. Wir sehen die geplanten Straßenneubauten skeptisch. Das trifft auch und besonders auf das Untersuchungsgebiet der B 2 im Süd-Osten und die B 6 im Norden zu.

5. Für uns haben die Erhaltung des Straßenbestands und die Sicherung der Reproduktion höchste Priorität.

6. Für uns sind die Zielvorgaben zum ÖPNV, Rad- und Fußgängerverkehr, möglichst zu überbieten. Auch deshalb erneuern wir unser Bekenntnis zur LVB und der Holding als Finanz- und Arbeitsverbund.
Und wenn wir heute der Vorlage, die einen Quantensprung in der politischen Herangehensweise darstellt, zustimmen, müssen Sie wissen, dass

7. unsere weitestgehend einmütige Ablehnung des City- Tunnels nicht berührt wird. Wir halten die verkehrlichen Effekte, die mit seinem Bau erreicht werden, für viel, viel, viel zu teuer.