Keine städtische Zusammenarbeit mit Antisemiten!

Werner Kujat

Spanien, August 2015. Beim Rototom Sunsplash Musikfestival wird von dem jüdischen Künstler Matisyahu eine pro-palästinensische Erklärung verlangt. Dieser weigert sich und unter dem Druck einer Boykottdrohung der lokalen BDS-Gruppe wird er ausgeladen.
Der Künstler ist kein Israeli, sondern Amerikaner.
Bedrängt wurde er, weil er Jude ist.
Von anderen Musikern wurde keine derartige Erklärung eingefordert.
Man muss das Kind beim Namen nennen: Antisemitismus.

Die BDS-Kampagne kritisiert nicht einfach das Staatshandeln Israels. Das wäre legitim.
Als Demokrat und Humanist kritisiere ich auch Putin und Trump – ohne dabei Russland oder die USA zu verteufeln.
Ebenso darf man die Politik von Netanjahu kritisieren.
Doch die BDS-Kampagne dämonisiert den jüdischen Staat, delegitimiert das Existenzrecht Israels und arbeitet mit Doppelstandards.
Israel wird als alleiniger Aggressor im Nahostkonflikt dargestellt und nicht selten mit dem südafrikanischen Apartheidsregime verglichen.
Durch „Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen“ wird versucht, Israel international zu isolieren und mit Hilfe von wirtschaftlichem und intellektuellem Boykott zu schädigen.
Antizionismus, Antisemitismus: Quod erat demonstrandum.

Wir unterstützen das Anliegen „Gegen jeden Antisemitismus“.
Eine inhaltliche Kritik am Antrag will ich jedoch benennen:
Der Punkt 4 suggeriert, dass MigrantInnen aus muslimisch geprägten Ländern antisemitische Einstellungen mitbringen.
Ich halte das für falsch. Erstens sind viele der MigrantInnen ChristInnen oder AtheistInnen,
und zweitens werden über 90 % der antisemitischen Straftaten in Sachsen der „politisch motivierten Kriminalität – rechts“ zugeordnet. Die größte Gefahr sind nach wie vor die Nazis.
An dieser Stelle bedanke ich mich für den Vorschlag vom Migrantenbeirat, alle Formen von Antisemitismus zu berücksichtigen.
Durch eine scheinbar nicht rechtskräftige Beschlusslage vom Migrantenbeirat kann deren Änderungsantrag leider nicht gestellt werden. Ich bitte die Vertreter vom Migrantenbeirat, im Nachgang der heutigen Sitzung auf die Barrikaden zu gehen und das Problem klären zu lassen.

Und noch etwas:
Wenn wir sagen, „Gegen jeden Antisemitismus“, dann darf dies keine leere Parole bleiben.
Das heißt nämlich auch: Gegen den Antisemitismus aus der Mitte. Antisemitismus, Rassismus, Demokratiefeindlichkeit und andere Einstellungen der extremen Rechten sind in der so genannten Mitte der Gesellschaft weit verbreitet.
Schauen Sie sich die Mitte-Studien an!
Gut verdienende Bürgerliche sind nicht gegen Hass immunisiert.

Noch einige Worte an die Antragstellerinnen:
Ich halte es für skandalös, dass Sie DIE LINKE ausgeschlossen haben.
Vom Antrag habe ich erst in der Zeitung gelesen.
Es gab keine Gespräche, keine Anfrage, nichts.
Dabei ist die Bekämpfung von Antisemitismus eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und beim besten Willen verstehe ich das Verhalten von SPD und Grünen nicht.
Dass die CDU selten mit uns stimmt, ist klar.
Nicht cool, aber man erwartet es.
Aber warum haben SPD und Grüne nachgegeben und uns LINKE nicht gefragt?
Ich bitte künftig um mehr Rückgrat gegenüber den Konservativen.

Dass Sie die AfD nicht gefragt haben, erschließt sich mir.
Ich erinnere an Höcke, der das Holocaustmahnmal in Berlin als „Mahnmal der Schande“ bezeichnete,
oder an Gauland, der den Nationalsozialismus und damit die Shoah als „Vogelschiss in der Geschichte“ wertete.
Das ist unausstehlich und geschichtsvergessen, und es zeigt: Solche falschen Freunde braucht Israel nicht.
Sehr deutlich will ich sagen: Für die Verbrechen der Deutschen tragen wir auch heute noch eine Verantwortung, „dass Auschwitz nicht noch einmal sei“ (T. W. Adorno).

Trotz aller Kritik:
Ich appelliere, gemeinsam jedem Antisemitismus eine Absage zu erteilen!
Keine städtische Zusammenarbeit mit Antisemiten!

Rede zum Antrag A 06623 der Fraktionen SPD, CDU und Bündnis 90/Die Grünen "Gegen jeden Antisemitismus!"