Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.

Sören Pellmann

In unserem gemeinsamen Antrag geht es um den Erhalt des Druckereistandortes Leipzig. Im Verwaltungsstandpunkt steht, dass dem Beschlussvorschlag bereits entsprochen wurde. Ich sage ehrlich: Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.

Vor wenigen Tagen am 25. Januar fand in der LVZ-Kuppel der Jahresempfang der Mittelstandsinitiative "Gemeinsam für Leipzig" statt. Dort referierte der Geschäftsführer der Leipziger Druckerei- und Verlagsgesellschaft (LVDG) BJÖRN STEIGERT über die glänzenden Vorzüge unserer Stadt und über verantwortungsbewusstes unternehmerisches Handeln. So etwas kommt bekanntlich immer gut an. Falls nicht alle Anwesenden vom parallel laufenden Handball-Halbfinale der deutschen Mannschaft total abgelenkt waren.

Herr Jung, wie haben Sie die STEIGERT-Ansprache wahrgenommen? Kommt es oft vor, dass elf Monate vor der Schließung eines Betriebes der Geschäftsführer einen Vortrag über unternehmerische Verantwortung hält? Oder über Engagement? Und über die glühende Zuneigung zu unserer Stadt obendrein?

Leider, ohne ein einziges Wort zu den insgesamt 270 vernichteten Arbeitsplätzen zu verlieren.

Natürlich auch kein Wort darüber, dass die Transfergesellschaft davon nur 94 Beschäftigte über lediglich 1 Jahr auffangen wird; und natürlich auch kein Wort, dass die Kolleginnen und Kollegen die Hälfte selbst tragen müssen, mit denen die Transfergesellschaft finanziert wird.

Herr STEIGERT bekam für seine Rede Applaus. Wofür um alles in der Welt aber denn eigentlich? Dafür, dass er lässig über unternehmerische Verantwortung schwadroniert, aber Ende 2019 die letzte große Druckerei in Leipzig, dem einstigen "Weltzentrum der Polygraphie", sang- und klanglos verschwinden lässt? Dafür, dass sich in Stahmeln schon die Maschinenaufkäufer die Klinke in die Hand geben, um die Druckerei auszuschlachten?

Wo bleiben die gesamtstädtische und die gesamtwirtschaftliche Verantwortung, die so etwas stillschweigend zulässt?

Zum Schluss: Wie oft zitieren Politiker verschiedener Lager ROSA LUXEMBURGS berühmten Ausspruch, dass die Freiheit immer die Freiheit der Andersdenkenden ist.

Ob Sie es wollen oder nicht, Sie zitieren eine auch nach einhundert Jahren strahlende, epochale Redakteurin der Leipziger Volkszeitung. Bedenken Sie dann bitte auch, dass sich die Wirkung ihrer Worte über einhundert Jahre daraus speist, dass in unserer Stadt exzellente Geister sprühten und dass sich hier eifrig Tag für Tag und Nacht für Nacht die Rotationen drehten, die den fortschrittlichen Geist zuverlässig zu den Menschen brachten. Beides gehört unauflöslich zusammen - 2019 wie 1919. Ich hoffe, dass wir gemeinsam mit Energie und Leidenschaft dafür kämpft, dass das freie Wort und seine Verbreitung zusammengehören.
Lassen Sie uns den aktuellen Bedrohungen nüchtern ins Auge schauen. Der Medienstandort Leipzig ist akut in Gefahr - da helfen alle Blütenträume von der digitalen Zukunft nicht hinweg. Wir brauchen ebenso wie die digitale Zukunft unsere ANALOGE HERKUNFT, sonst bleiben alle Zukunftsträume nur eine Utopie ohne Unterbau.

Über ROSA LUXEMBURG und ihre Ideen vom freien Geist werden fortschrittliche Menschen auch dann noch sprechen, wenn sich - hoffentlich - niemand mehr an BJÖRN STEIGERT und die Bosse der Madsack-Holding und ihre fatale Mission in Sachen Maximalprofit erinnert.

Ich wünsche von ganzem Herzen, dass unsere Stadt dann noch über leistungsfähige Druckereien verfügen wird. Im Geist der Demokratie und im Sinne eines fairen, aber leidenschaftlichen Wettbewerbs, also im Sinne unserer Stadt Leipzig und ihres weltweiten Ansehens.

Rede zum Antrag der Fraktionen DIE LINKE und SPD A 06690 "Druckereistandort Leipzig erhalten".