Im Kern geht es um die Kompetenz, Entscheidungsfähigkeit und letztlich die Macht von Aufsichtsrat einerseits oder Gesellschafterversammlung andererseits

Dr. Ilse Lauter

Der uns vorliegende Entwurf des Gesellschaftsvertrages hat eine über das Unternehmen hinausgehende Bedeutung, da er der erste von sicher mehr als 25 weiteren Gesellschaftsverträgen ist, die zu ändern sind, und insofern schon musterhaft ist – oder sein sollte.
Dabei soll u. a. auch der Leipziger Corporate Governance Kodex aus dem Jahr2013 umgesetzt werden.
Dieser war bekanntlich weniger das Werk der Verwaltung, sondern Arbeitsergebnis aller demokratischen Fraktionen im vorigen Stadtrat unter Beteiligung der bbvl. Von den heutigen Stadträten waren Herr Rothkegel, Herr Oßwald und ich dabei. Der Kodex wurde vom Stadtrat einmütig beschlossen.
Der Kodex sollte über den Beschluss von Informations- und Zustimmungskatalogen zu Satzungen kommunaler Unternehmen führen, die seine Kriterien umsetzen.
Nun sind wir im Jahr 2017, und einer Umsetzung kaum nähergekommen. Ein erster Gesellschaftsvertrag liegt vor, und wir meinen, der Kodex ist nicht genügend umgesetzt.
Was ist der Streitpunkt?
Wer ist für das strategische Unternehmenskonzept zuständig – der Aufsichtsrat, wie der Kodex vorsieht – oder die Gesellschafterversammlung, wie es der Oberbürgermeister in dieser Vorlage davon abweichend will.
Und wer ist für den darauf fußenden jährlichen Wirtschaftsplan zuständig - der Aufsichtsrat, wie der Kodex vorsieht – oder die Gesellschafterversammlung, wie es der Oberbürgermeister in dieser Vorlage davon abweichend will.
Unser Änderungsantrag möchte den Kodex konsequent umsetzen und die Verantwortung und damit die Beschlusskompetenz beim Aufsichtsrat anbinden, selbstverständlich nach vorheriger Abstimmung mit der Gesellschafterversammlung.
Der Oberbürgermeister beehrt unseren Änderungsantrag mit einem Verwaltungsstandpunkt und bringt Argumente vor, die begründen sollen, warum die Gesellschaftsversammlung über beides entscheiden soll und nicht der Aufsichtsrat. Gleichsam als Appendix wird ein Informations- und Zustimmungskatalog für das Sankt Georg untergeschoben, der rechtlich völlig unwirksam ist. Das bitte ich zu Protokoll zu nehmen.
Zurecht stellt der Verwaltungsstandpunkt fest: „Weder das Gesellschaftsrecht noch das Mitbestimmungsrecht oder die SächsGemO sehen eine explizite Zuweisung der Beschlusskompetenz über den Wirtschaftsplan oder das strategische Unternehmenskonzeptes an den Aufsichtsrat oder die Gesellschafterversammlung vor“. (S. 2)
Dennoch dient im Folgenden als Argument der Wille des Gesetzgebers, vielwortig begründet mit den Kommentaren von Quecke/Schmidt zum § 96a der SächsGemO. Nun sind die Herren Quecke und Schmidt zwar Experten, der Gesetzgeber aber sind sie nicht.
Wenn der Gesetzgeber das so gewollt hätte, hätte er es sicher auch so formuliert. Hat er aber nicht. Und zu mitbestimmten Unternehmen äußert sich die Sächsische Gemeindeordnung gleich gar nicht.
2.: Die Landesdirektion könnte etwas dagegen haben, deshalb war man auch schon im Vorfeld eifrig dabei, sich mit ihr abzustimmen. Es wundert mich schon, wie man Zeit und Geduld der LDL strapaziert. Sie hat ja die Aufgabe die Rechtskonformität nach Beschlussfassung zu überprüfen, nicht, im Vorfeld schon den Zeigefinger zu erheben.
Entgangen ist der Verwaltung allerdings, dass das Staatsministerium des Inneren gemeinsam mit dem Sächsischen Städte- und Gemeindetag und dem Sächsischen Landkreistag im November 2014 einen Leitfaden zum kommunalen Beteiligungsmanagement herausgab. Darin ist ein Mustergesellschaftsvertrag enthalten, der in den §§ 9 (3) 2. und 12 eines ganz klar vorsieht: Die Beschlussfassung des Wirtschaftsplans durch den Aufsichtsrat!
Und das wird ja dann wohl Wille des Gesetzgebers sein! Davon sind die Beteiligten seitdem auch nicht abgegangen.
Der SSG -das ist doch dort, wo Sie 1. Vizepräsident sind, Herr Jung. Vielleicht bringen Sie Ihrem GB II einmal den Leitfaden als Broschüre aus Dresden mit.
Alles in allem: Die rechtlichen Hilfskonstrukte des Verwaltungsstandpunktes sind nicht überzeugend und eher peinlich.
3. Was ist nun das eigentliche Wesen dieses Streits?
Im Kern geht es um die Kompetenz, Entscheidungsfähigkeit und letztlich die Macht von Aufsichtsrat einerseits oder Gesellschafterversammlung andererseits. Wenn die Gesellschafterversammlung letztendlich auch gegen den Willen des AR entscheiden kann, wozu haben wir dann noch Anteilseignervertreter im Aufsichtsrat? Und wer hat Stimmrecht in der Gesellschafterversammlung? Entweder der OBM allein bzw. ein Fachbürgermeister in seiner Stellvertretung? Oder der Stadtrat? Dann sollte doch konsequenterweise der Verwaltungsausschuss als Gesellschafterversammlung definiert werden. Oder ist die Einbeziehung des Stadtrates so gemeint, dass dem Verwaltungsausschuss die Wirtschaftspläne als Powerpoints vorgestellt werden nach dem Motto „gelesen ist gebilligt“? Und das jährlich für etwa 25 Beteiligungen zuzüglich der entsprechenden Jahresabschlüsse…
Eine Befassung durch den Stadtrat, der im Unterschied zu den kommunalen Aufsichtsräten nicht über die notwendige Kompetenz verfügen muss und den betroffenen kommunalen Unternehmen nicht aufsichtsführend und beratend zur Seite steht.
Ich seh‘ es so richtig vor mir, wie das funktionieren wird.
4. Damit wird das Tor geöffnet für Änderungsanträge der Fraktionen zu Wirtschaftsplänen der kommunalen Unternehmen. Und sagen Sie nicht, das ist weit hergeholt, Herr Oberbürgermeister. Das war am vergangenen Samstag Realität. Und diese Büchse der Pandora wollen Sie offenhalten?
Ich halte eine solche Praxis, für den Eingriff in den wirtschaftlichen Alltag der Beteiligungen durch politische Interessenten. Nicht zum Nutzen und zur nachhaltigen Entwicklung der kommunalen Unternehmen. Welcher Geschäftsführer wird das auf die Dauer mitmachen? Und auch Sie, Herr Oberbürgermeister, werden so erpressbar.
Sehr geehrte Stadträte! Geben Sie die Kompetenz für das strategische Unternehmenskonzept dorthin, wo sie hingehört – in den Aufsichtsrat. Setzen Sie so den Kodex um. Stimmen Sie für unseren Änderungsantrag.

Rede zur DS VI-3434 „Anpassung des Gesellschaftsvertrags der Klinikum St. Georg GmbH an die Änderungen der Sächsischen Gemeindeordnung und Umsetzung des Leipziger Corporate Governance Kodexes“.