Ich kann nur eindringlich davor warnen, Antisemitismus an irgendeiner Gruppenzugehörigkeit festzumachen

Michael Neuhaus

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Beigeordnete, liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen,

Meine Damen und Herren von der CDU, Sie wollen keine Antisemiten im Klimabeirat? Ich kann Ihnen versichern: Nur, weil Abba für 50 Jahren den Eurovision Songcontest gewonnen hat, Schweden nun NATO-Mitglied ist und es in der Nähe Leipzigs ein IKEA gibt, sitzt Greta Thunberg noch lange nicht im Leipziger Klimabeirat.

Ich kann ihnen auch versichern, dass zumindest die Vertreterin von Fridays For Future Leipzig ganz sicher keine Antisemitin ist. Fridays For Future ist keine antisemitische Bewegung, aber ja, natürlich es gibt auch Antisemitismus in der Klimabewegung.

Denn wissen Sie was? Es gibt ihn keinen Verein, keine Bewegung, keine Partei, schlicht nichts und niemanden, der oder die immun gegen Antisemitismus ist und ich kann nur eindringlich davor warnen, Antisemitismus an irgendeiner Gruppenzugehörigkeit festzumachen. 21 Prozent der Deutschen befürworten laut Mitte-Studie ganz oder teilweise antisemitische Aussagen. Die meisten Antisemiten in Deutschland lassen sich eben nicht an irgendeiner Mitgliedschaft erkennen.

Und genau da liegt ihr Problem, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU: Antisemiten sind für sie leider immer die anderen. In der Regel die, gegen die sie ohnehin etwas haben: Migrantinnen und Migranten, oder eben Klimagruppen. Ihnen geht es nicht um Antisemitismus, Ihnen geht es um Wahlkampf. Kommen Sie mal runter von ihrem hohen Ross. Sie maßen sich eine olympische Position an, die Ihnen nicht zusteht.

FridaysForFuture Deutschland hat sich nach dem Massaker vom 7. Oktober in schnell und unmissverständlich zu Antisemitismus in den eigenen Reihen positioniert. Deswegen Frage an Sie: War es nicht die CDU, die nach dem zweiten Weltkrieg Nazis, reihenweise Karriere machen ließ und Antisemiten vor Strafverfolgung geschützt hat? Hat nicht Adenauer mit Hans Globke einen Architekten der Nürnberger Rassegesetze zum Kanzleramtschef gemacht? Zugegeben, das sind historische Beispiele.

Aber es gibt auch aktuellere: Waren es nicht Mitglieder der Jungen Union, Ihres Jugendverbandes, die 2018 ausgerechnet am 9. November in einer Berliner Kneipe Wehrmachtslieder gesungen haben? Sagte nicht Michael Kretschmer vor ein oder zwei Jahren, dass – Zitat – „ein großes Vertrauen zwischen Deutschen und Juden gewachsen“ ist, als gäbe es keine deutschen Juden? Oder rechnen Sie mal nach, wie viele Waffen die CDU-geführten Bundesregierungen an Hamas-Freunde, wie Erdogan oder andere antisemitische Regime, geschickt haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Bevor sie von FridaysForFuture die Umbenennung fordern, denken sie doch einmal selbst darüber nach. Der Logik ihres Antrages folgend, müssten Sie jedenfalls selbst dem Klimabeirat fernbleiben, bis sie ihr instrumentelles Verhältnis zum Antisemitismus reflektiert haben. Aber ich nehme an, dass Sie sowieso nie vorhatten, zu kommen. Wir lehnen diesen Antrag jedenfalls ab.

Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit.