Wir benötigen für Leipzig dringend mehr Ressourcen für Beratung

Beate Ehms

Am 1. Februar 2018 ist die, bereits 2014 beschlossene Istanbul-Konvention in Deutschland in Kraft getreten. Sie ist damit geltendes Recht. Die Istanbul-Konvention ist das „Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt“. Es handelt sich um einen völkerrechtlichen Vertrag und ist einzuhalten.

Staaten, die die Konvention ratifiziert haben, verpflichten sich, dass alle staatlichen Organe – darunter Gesetzgeber, Gerichte und Strafverfolgungsbehörden alle Verpflichtungen, die sich aus der Konvention ergeben, umsetzen müssen.

Die Konvention besteht aus insgesamt 81 Artikeln, die sehr detailliert und teilweise richtlinienartig formuliert wurden. Das Übereinkommen verpflichtet die Staaten zu umfassenden Maßnahmen in allen Bereichen, von der Prävention (Kapitel III), über Unterstützungsangebote (Kapitel IV) bis hin zum Straf-, Zivil- und Ausländerrecht (Kapitel V, VI, VII).

Bürgerinnen können sich bei etwaige Klagen vor deutschen Gerichten direkt auf die Bestimmungen der Konvention stützen.

Gemäß Artikel 20 (Allgemeine Hilfsdienste) ist z. B. zu gewährleisten:

„Abs. (1) Sicherstellung, dass Opfer Zugang zu Diensten erhalten, die ihre Genesung nach Gewalt erleichtern. Diese Maßnahmen sollen, sofern erforderlich, Dienste wie rechtliche und psychologische Beratung, finanzielle Unterstützung, Unterkunft, Ausbildung, Schulung sowie Unterstützung bei der Arbeitssuche umfassen.“

Soweit zur Istanbul-Konvention.

Zur Vorlage:

Der Gleichstellungsbeirat sieht ebenfalls die Notwendigkeit eines weiteren Schutzhauses und unterstützt die Vorlage der Stadtverwaltung. Darüber hinaus sehen wir weiteren Finanzierungsbedarf. Diesem Bedarf gilt unser Änderungsantrag. Der Gleichstellungsbeirat hat in seiner Sitzung am 6.7. dazu beraten und einstimmig votiert.

Wir haben im Vorfeld mit Vereinen gesprochen und möchten an dieser Stelle ausdrücklich würdigen, was für eine tolle Arbeit sie leisten teilweise seit vielen, vielen Jahren.

Da ist: der Verein „Frauen für Frauen“ und ich nenne die Stichworte: 1. Autonomes Frauenhaus, Schutzhaus S.H.E, Frauenberatungsstelle, Frauennotruf, Girls*Space (die offene Jugendarbeit für Mädchen und Frauen) und das KIS. KIS ist die Koordinierungs- und Interventionsstelle gegen häusliche Gewalt und Stalking, die seit 2003 einen Kooperationsvertrag mit der Polizeidirektion Leipzig hat.

Da ist: Triade, die Beratungsstelle zur täterorientierten Anti-Gewaltarbeit.

Da ist: Lemann eV, das Netzwerk für Jungen- und Männerarbeit, das die Männerschutzwohnung in Leipzig betreut.

Und da ist : BELLIS, ein neuer Verein, der das Modellprojekt „Medizinische Soforthilfe nach Vergewaltigung und häusliche Gewalt“ umsetzt.

Wir stehen ebenfalls in Kontakt mit dem Dezernat Jugend, Soziales, Gesundheit und Schule und wissen, dass wir dort auf offene Ohren stoßen und die Brisanz der Probleme erkannt wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wir benötigen für Leipzig dringend

  • mehr Ressourcen für Beratung (Das KIS hat im vergangenen Jahr 662 Beratungen durchgeführt. In 50 % der Fälle gab es eine Weiterleitung von der Polizei.)
  • Der Weiße Ring Leipzig berichtet, dass Frauen zur Traumaberatung bis nach Berlin fahren müssen. Das geht nicht. Beratung muss vor Ort stattfinden.
  • einen Betreuungsschlüssel 1:6 (so vorgeschrieben in der Istanbul-Konvention)
  • mehr Ressourcen für Vernetzungs- und Öffentlichkeitsarbeit
     
    Es geht um Leben und Gesundheit.
     
    Die Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) erklärte infolge der Coronakrise Frauenschutzhäuser und Beratungsstellen zu systemrelevanten Einrichtungen. Dies muss sich auch finanziell niederschlagen. Um den wachsenden Bedarf an konkreten Hilfsangeboten und fachlicher Beratung für betroffene Frauen und Kinder zu begegnen, sind die zusätzlichen Mittel in der genannten Höhe dringend erforderlich.
     
    Im Namen des Gleichstellungsbeirats bitte ich Sie um Ihre Zustimmung.

Rede zum Änderungsantrag zur Vorlage 00705 „Einrichtung eines zusätzlichen Schutzhauses für Frauen mit Clearingstelle“.