Gute städtische Wirtschaftspolitik darf sich nicht nur auf die erfolgreiche Ansiedlung von Unternehmen beschränken

William Grosser

Die bisherige wirtschaftliche Situation möchte ich so charakterisieren: „Wo Licht ist, da ist auch Schatten.“ Neben den Ansiedlungen der Großen Unternehmen BMW, Porsche, DHL ist ein Aufschwung aus eigener Kraft für hiesige klein- und mittelständige Unternehmen immer noch nicht wirklich gelungen. Er ist leider zu oft von prekären Beschäftigungsverhältnissen geprägt und immer noch liegt das Bruttoinlandsprodukt in unserer Stadt um fast ein Drittel unter dem deutschen Durchschnitt. Das durchschnittliche Haushaltsnettoeinkommen der Leipziger sank im vergangenen Jahrzehnt um fast ein Zehntel. Wir haben deshalb noch viel zu tun.
Städtische Wirtschaftspolitik ist ein sehr komplexes Thema, das alle Bereiche der Verwaltung und des Lebens in unserer Stadt beeinflusst und von diesen ebenso beeinflusst wird. Städtische Wirtschaftspolitik ist deshalb nicht allein eine Aufgabe des Amtes für Wirtschaftsförderung, sondern die aller Verwaltungseinheiten. Städtische Wirtschaftspolitik ist ein wesentlicher Teil der Stadtentwicklung. Leider hat sich dieser Denkansatz bislang noch nicht in der Arbeit von Stadtverwaltung und Stadtrat durchgesetzt.
Gute städtische Wirtschaftspolitik darf sich nicht nur auf die erfolgreiche Ansiedlung von Unternehmen beschränken, sondern muss sich nun und vor allem, in der Pflege und der Verbesserung von bestehenden Unternehmensstrukturen und  Stadtinfrastruktur niederschlagen.
Straßen, Verkehr im Allgemeinen, ÖPNV,  Wasser, Abwasser, Energie, Kommunikation mit einem schnellen Internet und so weiter, müssen den wirtschaftlichen Erfordernissen genügen. Und weil eine sozial-ökologische, effektive Wirtschaft eine tragende Säule für das Wohlergehen der Bewohner unserer Stadt ist, muss unsere städtische Wirtschaftspolitik die realen Bedingungen nicht nur beachten, sondern sie in ihrer Komplexität positiv beeinflussen. Das kann sie auf vielfältige Weise tun, denn sie hat dafür Instrumente. Ich möchte hier nur einige benennen:
Die kommunalen Unternehmen unserer Stadt, insbesondere die im LVV-Konzern zusammengefassten, gewährleisten maßgeblich die öffentliche Daseinsvorsorge und bilden damit das Rückgrat der öffentlichen Infrastruktur. Sie schaffen die wesentlichen Grundlagen für die wirtschaftliche Entwicklung und für das Leben hier. Deshalb ist es gut, dass Privatisierungsversuche in der Vergangenheit am Willen der Bürgerinnen und Bürgern gescheitert sind. Aber diese Unternehmen dürfen auch nicht als Melkkuh des städtischen Haushalts gesehen und missbraucht werden.
Mit der neuen Invest Region Leipzig GmbH haben wir ein weiteres hervorragendes Instrument. Mit ihr können wir uns gemeinsam mit den Landkreisen Nordsachsen und Leipzig auf Maßnahmen zur Stärkung der Wirtschaftskraft in der Region konzentrieren. Die IRL ist eine gute Ergänzung zur Arbeit des Amtes für Wirtschaftsförderung. Manchmal allerdings habe ich den Eindruck, dass sie auch als Konkurrenz im Dezernat VII gesehen wird. Ich hoffe, dass mich mein Eindruck täuscht.
Mit  der Leipziger Stiftung für Innovations- und Technologietransfer fördern wir den Auf und Ausbau der Infrastruktur auf dem Gebiet der wirtschaftsnahen Forschung und den Transfer der Forschungsergebnisse in die Produktion. Die Stiftung macht eine sehr gute Arbeit. Ihre größten Erfolge waren bisher die Ansiedlung des  Fraunhofer Institutes und des Deutschen Biomasse Forschungszentrums. Die Stiftung trägt wesentlich zur Vernetzung des Leipziger Wissenschaftspotentials mit den lokalen Unternehmen bei. Wir sollten deshalb überlegen, wie wir ihre Wirkungskraft stärken können. Eine Möglichkeit wäre es, ihr Stammkapital zu erhöhen.
Mit der Metropolregion Mitteldeutschland Management GmbH erhalten wir die Chancen Mitteldeutschlands, im Reigen der großen Wirtschaftsregionen Europas einstimmen zu können. Auch wenn unser Stimmchen hierbei noch sehr dünn ist, sollten wir in dieser Hinsicht nicht aufgeben. Gemeinsam mit den Städten und Regionen Halle und Jena können wir Leipziger nur gewinnen.
Eine Herausforderung ist die Flächenpolitik unserer Stadt. Der Erwerb und der Verkauf von Flächen muss sowohl nach wirtschaftlichen Erfordernissen als auch nach städtebaulichen Aspekten erfolgen. (Stichwort: Stadt der kurzen Wege) Das wird immer schwieriger, weil Flächen immer knapper werden. Deshalb ist es höchste Zeit das Handling von Flächen professionell zu managen.
Unsere Clusterpolitik hat sich in den letzten Jahren gut bewährt. Der Ansatz ist erfolgreich und muss weiter verfolgt werden. Allerdings mahnen wir an, dass die zusätzlichen Stellen, die der Stadtrat beschlossen hat, immer noch nicht besetzt sind. (Cluster Medien- und Kreativwirtschaft)
Meiner Damen und Herren,
aus unserer Sicht ist eine Wirtschaft nur zukunftsfähig, wenn sie sozial-ökologisch ist. Fatale Auswüchse, wie Billiglohnarbeitsverhältnisse, führen zu Verarmung und zu Kaufkraftverlust. Das ist nicht nur für die Betroffenen schlecht, sondern auch für den Wirtschaftsstandort als solchen. Deshalb muss sich eine kommunale Wirtschaftspolitik auch an diesem Kriterien messen lassen. Bei Vergaben von Leistungen muss deshalb u. a. gewährleistet sein, dass wenigstens Mindestlohn gezahlt wird. Auch die Leiharbeit muss auf ein sachlich begründetes Mindestmaß zurückgeführt werden. 
Neben den Großen müssen auch den zahlreichen klein- und mittelständischen Unternehmen, dem Handwerk und Gewerbe und auch alternativen Wirtschaftsformen, wie Genossenschaften oder kollektiv organisierte Unternehmen, gleiche und gute Chancen eingeräumt werden.
Wir legen Wert auf die Stärkung der regionalen Wirtschaftskreisläufe. Wir wollen das Stadtverwaltung und Stadtrat an der Gestaltung der Metropolregion arbeiten. Wir wollen, dass Unternehmen mit eigener Forschung und Entwicklung Unterstützung erhalten, wenn sie diese benötigen. Wir wollen das bei Ausschreibungen auch mittlere und kleinere regionale Unternehmen mitmachen können und Chancen haben. Meine Fraktion wird alle Maßnahmen, die einer sozial-ökologischen Wirtschaftsentwicklung dienlich sind, unterstützen. Wir wollen eine Wirtschaft, die sich am Gemeinwohl orientiert.


Vielen Dank 


Im Vergleich der fünfzig größten bundesdeutschen Städte  beträgt im Jahr 1012 das BIP je Einwohner in Leipzig 26.979.- € . Im Schnitt der genannten Städte liegt es bei 38.166.- €.
Die Einkommenssteuerkraft je Einwohner betrug in Leipzig im gleichen Jahr 156.- €. Im Schnitt der anderen  fünfzig größten Städte belief sie sich auf 295.- €.
Das verfügbare Einkommen je Einwohner betrug in Leipzig 15.928.- €    - zum Vergleich: im Schnitt der anderen  o.a. Städte  waren es 19.487.- €.

Rede zur Wirtschaftspolitischen Stunde.