Große Zahl von Gründerzeithäusernist ein Segen

Siegfried Schlegel

Bei der Überprüfung der vom Landesamt für Denkmalschutz erstellten Denkmalinventarisierung gilt den Experimental- und Pilotbauten des 20. Jahrhunderts eine besonderer Augenmerk.

Wir bitten Sie unseren Antrag, Ergänzung der Denkmalschutzliste in der Formulierung des Verwaltungsvorschlages abzustimmen, den wir uns zu eigen machen: „Bei der Überprüfung der vom Landesamt für Denkmalschutz erstellten Denkmalinventarisierung durch die untere Denkmalbehörde als Teil der Stadtverwaltung Leipzig gilt den Experimental- und Pilotbauten des 20. Jahrhunderts eine besonderer Augenmerk. Darüber hinaus wird die Behörde die Erarbeitung von Qualifikationsarbeiten zu diesem Thema an örtlichen Hochschulen anregen.Die große Zahl von Gründerzeithäusern in Leipzig ist ein Segen und kein Fluch. Anders als Städte wie Dresden, Halberstadt, Hannover oder Hamburg, in denen die Stadtzentren und angrenzende Stadtteile nahezu vollständig zerstört wurden, ist in Leipzig nur ein Teil davon zerstört worden. Zahlreiche beschädigte Gründerzeitgebäude konnten gerettet werden oder blieben unversehrt. Große Teile des Bestandes wurden nach 1990 saniert und vor dem Verfall gerettet.

Für Leipzig ist nicht die Fixierung auf eine Bauepoche oder einen Stil typisch sondern die Vielfalt. Das hat sich über die Jahrzehnte bis heute so gehalten hat.
Bis zum Erbrechen wird heute oft von den ersten und größten Dingen gesprochen. Bei zahlreichen Leipziger Bauten des 20. Jahrhunderts trifft dies tatsächlich zu.Bis vor wenigen Jahren hatte Leipzig tatsächlich den mit rund 150 m Höhe höchsten Ziegelschornstein Europas. Die Kuppeln der Großmarkthalle waren bei ihrer Errichtung die größten frei tragenden Stahlbetonkuppeln der Welt.Der Impuls der Internationalen Bauausstellung (IBA) von 1913 setzte sich über die Ausstellungskonzepte auf der nach 1920 auf dem IBA-Gelände entstandenen Technischen Messe durch. War die Gartenvorstadt Marienbrunn zur IBA als Alternative zu den hochverdichteten Gründerzeitquartieren, vor allem der sogenannten Arbeiterviertel entstanden, entstanden in den 20-er Jahren zwischen Tabaksmühle und Messegrund neue Wohnungstypen als Messeprojekte, darunter das legendäre als Stahlkonstruktion mit Mauerausfachung errichtete Stahlhaus nach dem Entwurf von Hubert Ritter. Aber auch nach 1945, weil zahlreiche Betriebe der Baub- oder der Baumaschinenbranche hier ihren Sitz hatten, entstanden zahlreiche Experimental- und Pilotbauten, wie das erste Leichtmetallvorhangfassadensystem am Chemieanlagenbau neben der Hauptpost oder das als Stahlleichtbaukontruktion errichtete Experimentalhaus in der Arno-Nitzsche-Straße. Beide sind nach der Wende verschwunden. Weithin sichtbare Zeugnisse indes sind die Hochhäuser wie das Uni-Hochhaus oder das Wohnhochhaus Wintergartenstraße, dass immer noch das höchste Wohngebäude in Ostdeutschland sein dürfte.

In Anlehnung an den bereits erwähnten Stadtbauinspektor Hans Strobel kann man als Fazit ziehen: „Vollkommen schöne Städte werden glückliche sein, wenn die Menschen in Ihnen gern wohnen, arbeiten und die Freizeit verbringen, also wenn sie lebenswert sind.“ Es gehört zu den unbestrittenen Erfolgen Leipzigs, dass vor allem in den letzten 15 Jahren neben neu gebauten, viele Gebäuden unterschiedlichster Epochen, Stile, Konstruktionen oder Technologien durch Sanierung wieder sicht- und erlebbar wurden. Auch das macht die besondere Attraktivität und Einmaligkeit Leipzigs aus.