Gekommen, um zu bleiben?

Franziska Riekewald

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, werte Stadträtinnen und Stadträte, liebe Gäste,

 

Gekommen, um zu bleiben. So hat es die graue Eminenz (wie er sich selbst bezeichnet) der Imfarr aus Wien letztes Jahr gesagt. Gekommen, um zu bleiben, was heißt das aber bei einer Firma, die dafür bekannt ist, Grundstücke zu kaufen, sie (natürlich mit Gewinn) weiterzuverkaufen und so das Grundstücks-Monopoly am Laufen zu halten. Heißt das, Imfarr hat vor, noch mehr Leipziger Grundstücke zu erwerben um damit zu spielen oder heißt das, dass die 416 GmbH wirklich bereit ist, das Areal Eutritzscher Bahnhof in guter Qualität und mit bezahlbaren Mieten zu entwickeln?

Hoffen wir auf das Letztere, denn wir alle wissen aus dem Spiel Monopoly, wer am Ende die Zeche bezahlt: die Mieterinnen und Mieter. Schon zum jetzigen Stand muss der Investor mit einer Miete pro qm von ca. 14 € kalkulieren. Und mit jedem Weiterverkauf wird diese Miete noch steigen. Deshalb gilt es genau diese Spirale von Kauf und Weiterverkauf zu durchbrechen. Denn am Ende so einer Spirale hätten wir als Leipzig vielleicht ein neues Stadtquartier, in dem sich jedoch die/der normale Leipziger*in keine Wohnung mehr leisten kann.

Das Nettoeinkommen in Leipzig liegt im Median nun mal immer noch bei unter 1500,- €. Wenn man davon nicht mehr als 30 % für die Miete zahlen will und sollte, ist das eine Brutto-Miete von 450,- €. Und selbst wenn ich 2 Einkommen habe und somit 900,- € für die Miete - also inkl. Nebenkosten -ausgeben kann, bin ich gewiss nicht in der Lage, eine Kaltmiete von mehr als 9,- € pro Quadratmeter zu bezahlen.
Und genau das ist doch das Problem. In Leipzig entstehen immer mehr hochpreisige Wohnungen. Nur wer die anmieten kann, bleibt mir ein Rätsel. Ich habe manchmal das Gefühl, dass die Immobilieninvestor*innen (ich will sie mal nicht Haie nennen) nach Leipzig kommen, um hier zu fischen und keine Ahnung haben über die Sozialstruktur von unserer schönen Stadt. Ja, Leipzig möchte gerne Hypzig sein, aber die Statistik sagt eben auch, dass wir eine der Armutshauptstädte in Deutschland sind. Da wünsche mir, dass man sich, bevor man kommt, um zu bleiben, ein wenig mehr mit den aktuellen Gegebenheiten vor Ort beschäftigt.

Und Leipzig ist eben trotzdem Leipzig. Hier agiert ein Stadtrat, der nicht alles abnickt, was die Stadtverwaltung mit Investor*innen aushandelt. Denn wir sind das Kontrollorgan und das Souverän und müssen am Schluss unser Ok geben. Genau aus diesem Grund hat die Mehrheit des Stadtrates im September 2019 die Prämissen festgelegt, unter welchen die Bauleitplanung für den Eutritzscher Bahnhof fortgesetzt werden kann: Kurz, es gab zwei entscheidende Punkte:

1. Bei einem nochmaligen Teil- oder Gesamtverkauf soll die Stadt vom Vertrag zurücktreten dürfen und

2. es ist ein verbindlicher Terminplan vorzulegen, welcher bei Nichteinhaltung Vertragsstrafen nach sich zieht

Jetzt liegt uns eine Vorlage der Verwaltung vor und keine dieser 2 Forderungen ist erfüllt. Ja, der Weiterverkauf wird einschränkt, jedoch eigentlich lässt der Vertrag alles zu, was realistisch ist. Vom Verkauf an Tochtergesellschaften bis zum Weiterverkauf an Dritte. Und alles eben ohne, dass die Stadt (wie ursprünglich vom Stadtrat gefordert) vom Vertrag zurücktreten kann. Auch einen klaren verbindlichen Zeitplan gibt es bis heute nicht. Ja, es gibt Eckpunkte und Meilensteine, die erreicht werden sollen. Aber auch das hätten wir uns als LINKE anders gewünscht.

Das solch eine Vertragsverhandlung kein Wünsch- dir-was-Konzert ist, ist auch uns natürlich klar. Wenn aber absehbar ist, dass keine Forderung des Stadtrates erfüllt werden kann, hätte ich erwartet, dass die Stadtverwaltung auf uns zukommt und über Zwischenstände berichtet und nicht einfach den Stadtratsbeschluss neu interpretiert, so wie hier geschehen.

Jetzt ist die Situation, wie sie ist und wir müssen damit umgehen. Von der LINKEN wurde daher ein Vorkaufsrecht über das gesetzliche Maß hinaus für die Stadt Leipzig bei Treffen mit dem Investor ins Gespräch gebracht. Diese Idee ist immer auf Zustimmung von Seiten des Investors gestoßen. Warum auch nicht - an wen der Investor die Grundstücke verkauft, kann ihm ja egal sein.
Daher war ich ein wenig erstaunt, als dann in der Neufassung des Vertrags eine Erstandienungspflicht nur bis zum 31.08.2021 gelten soll. Wir als Stadt sollen uns bis Mitte nächsten Jahres festlegen, an welchen Baufeldern wir Interesse haben. Allerdings halten wir das für nicht ganz fair.

Dass jetzt das Angebot des Investors steht, wenigstens bis zum Offenlagebeschluss die Erstandienungspflicht in den Vertrag zu schreiben, ist ein großer Schritt in die richtige Richtung. Hartnäckigkeit zahlt sich manchmal eben aus. So können wir uns als LINKE wenigstens enthalten und müssen nicht gegen die Vorlage stimmen.

Wir werden diesen jetzt anstehenden Prozess der Entstehung des B-Plans sehr genau beobachten und lieber Herr Dienberg, lieber Herr Oberbürgermeister Jung - am Ende hat wieder der Stadtrat das letzte Wort. Nehmen sie uns also mit in dem Prozess, damit es in naher Zukunft wirklich heißen kann: Ein Stadtteil entsteht.