Ein Statistikreport – leider ohne Handlungsorientierung

Sören Pellmann

Beim heute vorliegenden Sozialreport handelt es sich unbenommen um ein statistisches Fleißwerk, dafür zunächst einen Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Sozialamtes.

Am Ende bleibt für DIE LINKE die Frage, weshalb das federführende Sozialdezernat nicht sagt, was die Ergebnisse des Reports denn nun sozialpolitisch für die Stadt Leipzig jetzt und in den nächsten Jahren bedeuten.

Ich kritisiere klar, dass es keinen feststellbaren Gestaltungswillen gibt, auch wenn ein Sozialdezernat natürlich nicht für alle sozialpolitischen Entwicklungen allein verantwortlich sein kann. Sozialpolitik ist immer eine Querschnittsaufgabe.

Aber wird nicht dadurch auch eine Chance vertan, sich für diejenigen sozialen Gruppen, denen es in unserer Stadt nicht so gut geht -  einzusetzen und ihnen eine Stimme zu geben? Oder eine Zusammenstellung der Ziele darzulegen, mit denen die kontinuierlich steigenden Sozialausgaben zumindest gedämpft werden können?

Ich zitiere aus dem Vorwort „Als Arbeitsmaterial für Politik und Verwaltung, aber genauso für interessierte Bürgerinnen und Bürger hat er sich bewährt und soll Anregungen für öffentliche Diskurse geben. Ich hoffe, dass er auch dieses Jahr wieder das Interesse zahlreicher Leipzigerinnen und Leipziger weckt.“

Es scheint ein wenig der Beliebigkeit der Interpretation ausgesetzt, wenn doch Statistik an Statistik gereiht wird und an keiner Stelle eine Zusammenfassung der wesentlichen Entwicklungen folgt, die die Herausforderungen der Sozialpolitik in Leipzig in den nächsten Jahren darstellen.

Das ist noch keine „Sozialberichterstattung“, die genau dieses Ziel hat: Begründete, durch Statistik untermauerte Maßnahmen vorzuschlagen, um negativen Entwicklungen gegenzusteuern. „Das Interesse wecken“ ist da zu kurz gesprungen.

Lassen Sie mich das an zwei Beispielen verdeutlichen:

a) Seite 43: Nach mittlerweile 11 Jahren Hartz IV-Gesetzgebung/SGB II (2006 bis Datenbasis 2016) es als Erfolg zu verkaufen, dass die Zahl der Menschen, die diese Leistungen erhalten, von etwas mehr als 84.000 (2006) auf ca. 67.000 (2016) gesunken ist – da braucht man schon viel Phantasie. Genau hier müsste in einem ehrlichen Sozialreport viel tiefer geschaut werden – wer ist davon seit wie vielen Jahren im Langzeitbezug? Wie viele Personen davon haben aufstockende Leistungen, sprich: können nicht von ihrem Einkommen auskömmlich leben? Wie viele arbeiten knapp über der Mindestlohngrenze? Der Anteil derjenigen steigt kontinuierlich. Und vielleicht positiv gesehen – wer ist durch welche Maßnahmen aus diesem Kreislauf herausgekommen? An diesen guten Beispielen wäre gemeinsam mit der Arbeitsagentur und dem Jobcenter anzusetzen. Angebracht wäre auch, die Zielvereinbarung der Trägerversammlung mit dem Jobcenter aufzunehmen – was wurde davon umgesetzt und was nicht, wo gilt es, nachzusteuern?

b) Wir haben in Leipzig nach wie vor eine Armutsproblematik bzw. „Geringe-Einkommens-Problematik“.

Ich zitiere (S. 38): „Das durchschnittliche Einkommen der einkommensschwächsten 20 Prozent hat sich im Jahr 2016 gegenüber dem Vorjahr geringfügig verringert, während sich das durchschnittliche Einkommen der einkommensstärksten 20 Prozent erhöht hat.“

Die Schere geht also weiter auseinander, trotz verbesserter Wirtschaftssituation. Hier muss man sich doch Gedanken machen und nach Instrumenten und Ansätzen der Gegensteuerung suchen. Wo finde ich diese im Sozialreport? Ein Verweis auf entsprechende Handlungskonzepte der Stadt Leipzig wäre sicher auch ein Schritt nach vorn – beides vermisst DIE LINKE.

Folgewirkungen spüren wir seit Jahren – siehe beispielsweise die kontinuierlich steigenden Ausgaben für die Hilfen zur Erziehung – die familiären Erziehungsprobleme stehen doch eindeutig mit Langzeitarbeitslosigkeit und Niedrigeinkommen im Zusammenhang. Seit Jahren diskutieren wir die gleichen Entwicklungen und streiten uns um den Haushalt und Nachtragshaushalt. Nur eben von Jahr zu Jahr um einen immer größeren Betrag sozialer Leistungen.

Ich weiß, Herr Bürgermeister Fabian, dass Sie nichts mit Absicht verschleiern oder Informationen weglassen – aber eigentlich müsste ein fundierter Bericht viel mehr in die Tiefe gehen und Wege, wenn nicht sogar Maßnahmen aufzeigen. Ob das die benannten zwei Beispiele sind oder die noch nicht von mir benannten Entwicklungen im Bereich der Pflegeversicherung, der Altersarmut oder der Teilhabe behinderter Menschen.

Bei letzterem (Seite 82 f.) fällt man sogar hinter den kürzlich beschlossenen Teilhabeplan der Stadt Leipzig zurück, indem hauptsächlich auf Menschen mit Schwerbehinderung bzw. diejenigen, die einen entsprechenden Ausweis besitzen, eingegangen wird sowie die reinen Leistungen der Eingliederungshilfe. Hier wäre doch eine Verbindung zum Kapitel „Familie, Jugend, Bildung“ (S. 53 f.) sinnvoll sowie eine zusammenhängende Interpretation der Entwicklungen, z. B. wenn es um die stetig steigende Zahl von Schulassistenzen (in Sozialhilfe und Jugendhilfe) geht.

Hier wird eine große Chance vertan! Wir finden, es ist eine defensive Strategie, wenn Verwaltung lediglich Statistiken vorlegt und diese nicht in ein Handlungsprogramm umsetzt. Hier muss die Verwaltung gemeinsam mit der Politik Verantwortung übernehmen.

Die AG, die den Sozialreport erarbeitet, nennt sich AG Sozialberichterstattung. Und Sozialberichterstattung nimmt laut Definition des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge die Handlungs- und Zielperspektive immer mit auf – sonst ist es keine Sozialberichterstattung, sondern ein reines Statistisches Jahrbuch mit dem Schwerpunkt „Soziale Leistungen“. Hier bestehen noch eine Menge Handlungsoptionen.

Rede zur Vorlage VI-Ifo-05029 "Sozialreport 2017".