Diese Vorlage ist kein Riesenschritt

Margitta Hollick

Am 7. Juli 2016 verabschiedete der Deutsche Bundestag ein Arbeitsmarktprogramm für Geflüchtete nach § 5 a Asylbewerberleistungsgesetz uns bekannt als Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen abgekürzt FIM.
Staatsministerin Özoguz sagte in ihrer Rede vor den Bundestagsabgeord-neten: Die Bundesregierung beabsichtigt, denjenigen Teilhabe zu ermöglichen, deren Asylverfahren noch laufen und die in der Vergangenheit bis zum Ende ihres Verfahrens warten mussten… bis sie endlich einen Sprachkurs oder überhaupt etwas machen durften obwohl sie die ganze Zeit über hier (in Deutschland) waren.“
Die Bundesregierung stellt 300 Mio. € für 100 000 Arbeitsgelegenheiten zur Verfügung. Die Staatsministerin für Integration bezeichnet das als Riesenschritt. Naja, dass ich das anders sehe, wissen oder vermuten sie. Über AGH kann man streiten und darüber gibt es unterschiedliche Standpunkte. Das eigentlich erklärte Anliegen - diese als Brücke zum Arbeitsmarkt zu benutzen, gelingt nur selten. Aber Menschen haben Beschäftigung, können mit anderen kommunizieren, vereinsamen nicht. Auch diese Möglichkeit sehe ich. Nun kommt das aber:
AGH‘s werden bei deutschen SGB II-Empfänger mit 1,05 € bis 1,50 € vergütet. Flüchtlinge sollen für gleiche Leistungen, wie sie auch deutsche SGB II-Empfänger erbringen, nur 80 Cent erhalten.
Leipzig hat für das Jahr 2016 für 617 Geflüchtete derartige AGH‘s beantragt. 100 für die Kommune und 517 bei freien Trägern.
Für 30 Stunden wöchentlich darf – kann – muss ein Flüchtling an dieser Maßnahme „Sauberes Leipzig“ teilnehmen. Übrigens gibt es nur eine bedingte Freiwilligkeit, deshalb die drei Verben.
Der Kommunale Eigenbetrieb hat die Probleme erkannt und diese Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen „modernisiert“. Im Ausschuss wurde seitens des KEE erklärt, dass die Fahrtkosten vermutlich übernommen werden. Es ist ja auch ein einfaches Rechenbeispiel: 6 Stunden mal 80 Cent sind 4,80 €. Allein die Fahrtkosten für Hin- und Rückfahrt betragen für einen Erwachsenen in Leipzig 5,20 €. Aber zu den Fahrkosten sind keine Aussagen in der Vorlage. Und wie werden sich die freien Träger dazu verhalten?
Einige von ihnen wissen, dass ich in einem ESF-Projekt mit tätig bin. Dort erhalten die Teilnehmerinnen 5 € täglich für 6 Stunden Tätigkeit und das Sozialticket. Konnte sich die Bundesregierung nicht an solchen Richtlinien orientieren? Weiß die Bundesregierung überhaupt, dass Geflüchtete bereits AGH‘ s in den Gemeinschaftunterkünften haben und diese mit 1,05 € vergütet werden? Ab Oktober soll für die gleiche Tätigkeit  24  % weniger gezahlt, nämlich 80 Cent.
Welche Auswirkungen in den Flüchtlingsunterkünften wird das haben?
Werden hier nicht wirtschaftlich Schwache, also Geflüchtete untereinander, Deutsche und Geflüchtete gegeneinander ausgespielt? Wollen wir so Integration bewältigen? Ich bin überzeugt, dass wir damit das Zusammenleben erschweren. Ich will jetzt nicht weiter über Ausländerfeindlichkeit reden. Aber diese Maßnahme wird nicht helfen die Probleme in Deutschland, in Sachsen und auch in Leipzig zu entschärfen, Mit unserem Änderungsantrag wollen wir deshalb Deutsche und Geflüchtete AGH-Teilnehmer gleichstellen. Die jährlichen Zusatzkosten würden etwa 40 000 € betragen
Unsere Stadt hat  einen hohen Anteil von Sozialarbeitern, die  viel zum Erhalt des sozialen Friedens beigetragen und das sollte unser Maßstab sein.
1650 Kinder und Jugendliche von Geflüchteten werden an Leipziger Schulen täglich unterrichtet und integriert. Das ist zweifellos nicht leicht. Für Erwachsene heißt Integration auch Sprache erlernen und das möglichst schnell und Arbeit aufnehmen in einem gelernten oder zu erlernenden Beruf. Hier sollte die Bundesregierung mehr Anreize schaffen.
Übrigens erhalten die Träger für Maßnahmen außerhalb der Flüchtlingsunterkunft monatlich Pauschale pro besetzten Platz eine 250,00 €; also auch der KEE. Für Maßnahmen innerhalb der Flüchtlingsunterkunft erhalten die Maßnahmeträger eine Pauschale von 85 €. Das wird vorrangig die freien
Träger betreffen. Von Vornherein belastet aber der Bund wieder die Kommune mit einer sehr umstrittenen Maßnahme.. Das können sie an den Kosten sehen. Der Bund hat ein eigenartiges Verhältnis zu den Kommunen. Unverständlich.
Übrigens  bitte ich, in Zukunft die Einnahmen auch korrekt in der Vorlage auf dem 2. Deckblatt auszuweisen. Im Punkt 1. heißt es “nach Abzug der Bundesförderung“- bitte haushalterische Klarheit und Wahrheit. Wir wollen wissen, wie viele Euro der Bund Leipzig überweist.
Diese Vorlage ist kein Riesenschritt wie sich die Bundesregierung feiert, sondern für mich ein Schrittchen oder drastischer ein Rohrkrepierer. Im heute vor der Ratsversammlung stattfindenden Ausschuss wurde mitgeteilt, dass sich die Stadt Leipzig in den nächsten 4 Jahren fast ausschließlich bei den Arbeitsmarktbeschaffungsmaßnahmen für Geflüchtete auf diese AGH’s konzentrieren will und die eingestellten Mittel nur dafür verwenden will.
Das halte ich nicht für gut, weil es die Integration nicht befördern wird.

Anmerkung:
Beide Änderungsanträge der Fraktion Die Linke . zur Erhöhung der Aufwandsentschädigung
von 0,80 € auf 1,05 € und die Übernahme der ÖPNV-Kosten wurden mehrheitlich abgelehnt. 

 

Rede zur Drucksache DS 02408 "Flexible Beschäftigungsmöglichkeiten für Asylbewerber/-innen (Arbeitsgelegenheiten auf Grundlage des Arbeitsmarktprogramms "Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen – FIM" (§ 5a AsylbLG))".