Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern muss entwickelt werden

Dr. Lothar Tippach

Selten genug nimmt sich der Stadtrat die Zeit, zu kommunalpolitischen Strategie Meinungen auszutauschen. Nun liegt seit Juli vergangenen Jahres ein Diskussionsangebot des Oberbürgermeisters vor.

Selten genug nimmt sich der Stadtrat die Zeit, zu kommunalpolitischen Strategie Meinungen auszutauschen. Ich will keine zweite Haushaltsrede halten, obwohl es mich nach den Ausführungen des Oberbürgermeisters reizen würde.

Nun liegt seit Juli vergangenen Jahres mit der heute zur Beratung stehenden Vorlage ein Diskussionsangebot des Oberbürgermeisters vor. Es ist sehr zu unterstützen, dass mit der Vorlage ein konzeptioneller Ansatz zu den strategischen Zielen der Stadt Leipzig vorgelegt wird. Dies hat bisher gefehlt. Die PDS-Fraktion hat sich sehr intensiv mit dieser Vorlage befasst. Im Ergebnis des Meinungsaustauschs entstand eine umfangreiche Stellungnahme, die Ihnen Herr Oberbürgermeister zugegangen und deren Extrakt in der Begründung zu unserem Änderungsantrag nachzulesen ist. Der von uns Anfang Januar eingereichte umfängliche Änderungsantrag ist ein weiteres Resultat.

Zum zweiten sehen wir es als positiv an, dass unsere Forderung nach einer Leitbildentwicklung für die Stadt im Beschlusstext aufgenommen worden ist. Wir halten eine solche Diskussion für dringend notwendig, da ein Leitbild als „reale Vision einer Stadt“ für Leipzig fehlt. Mit dem Leitbild wird eine verlässliche Grundlage für Ziele, Strategien und langfristige Programme der Stadtentwicklung gegeben. Erst dann können Prioritäten und Nachrangigkeiten in der Kommunalpolitik auch für den Haushalt bestimmt werden. So genannte fiskalische Zwänge dürfen kein Ausgangspunkt für Leitbilddiskussionen sein. Es sind schwierige Zeiten, wie Sie, Herr Oberbürgermeister, es bemerkten. Wenn man die gegenwärtige Haushaltssituation beschreiben will, dann haben wir eine Vorstufe der Zwangverwaltung bereits erreicht. An Hartz IV und seinen Haushaltswirkungen sind Sie übrigens nicht ganz unschuldig, wie man weiß.

Die Ableitung eines Leitbilds für die Stadt muss grundsätzlich die Funktion der Stadt für die Region beinhalten. Wesentlich ist, dass eine strategische Kommunalpolitik im frühzeitig beginnenden Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern entwickelt wird. Bürger müssen in geeigneter Weise nicht nur schlechthin beteiligt werden. sondern aktiv einbezogen sein. Nur so kann Identifizierung mit den strategischen Zielen und Motivation für die Ausfüllung einer aktiven Gestaltungsrolle durch die Bürgerinnen und Bürger erreicht werden. „Bürger gestalten ihre Stadt“ war ein Slogan, der zu Beginn der neunziger Jahre wesentlich das Engagement der Bürgerinnen und Bürger in unserer Stadt getragen hat. Knüpfen wir daran verstärkt an.

Als Zielvorstellung wird von Ihnen Herr Oberbürgermeister oft formuliert, dass „Leipzig eine Stadt mit europäischer Geltung“ werden soll. Ist dass angesichts der Ausgangssituation eine „reale Vision“. Wir haben große Zweifel. Es liegt eine französische Vergleichsstudie vor, in der 180 europäische Städte untersucht worden sind. Es wurden 15 Kriterien und eine Gesamtwertung zugrunde gelegt. Leipzig hat in der Gesamtwertung bei 7 Stufen (7=niedrigste Wertung) die 6 erreicht und nur bei dem Einzelkriterium Messe eine 3 von sechs möglichen Wertungen. Das sind die Realitäten. Keine Potemkinschen Dörfer, keine Realitätsverlust, sondern eine „reale Vision“ ist erforderlich.

Wir brauchen also einen intensiven Dialog. An dessen Ende soll ein allgemein akzeptiertes Leitbild stehen. Das Leitbild des Städtetags „Stadt der Zukunft“ ist dabei ein sinnvoller Rahmen.

Zu einigen Anmerkungen zur Vorlage, zum Beschlusstext und zu unserem Änderungsantrag:
Grundziel einer Stadtstrategie muss die konsequente inhaltlich begründete langfristige Ausrichtung der Stadtpolitik an den Interessen und Bedürfnissen, vor allem den sozialen, der Bürgerinnen und Bürger und die Sicherung der eigenen Gestaltungs- und Handlungsspielräume sein. Diesem Anspruch wird die vorgelegte Strategie zu großen Teilen nicht gerecht. Übrigens wird diese Strategie heute auch nicht beschlossen, wie man es aus Ihren Ausführungen, Herr Oberbürgermeister, vermuten könnte.
Ausgangspunkt und grundlegendes Ziel bleibt für uns - wie in unserem Änderungsantrag dargestellt -, die Sicherung und Förderung der Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger. Diesem Grundziel dienen aus unserer Sicht weitere Ziele, wie

• Die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Stadt und Region zur Erhöhung der Wirtschaftskraft und der Schaffung existenzsichernder Arbeitsplätze.

• Die Erfüllung der Aufgaben im Bereich der elementaren Daseinsvorsorge und der finanziellen Grundsicherung.

• Die Bewahrung der die Stadt prägenden unverwechselbaren Leistungen, Werte und Objekte vergangener Jahrhunderte.

• Die Sicherung und Stärkung der Dienstleistungsqualität der Stadtverwaltung.

Der jetzt vorliegende Beschlussvorschlag ist für uns vor allem im Punkt 1 nicht akzeptabel. Er fällt qualitativ wesentlich hinter die Fassung des Beschlussvorschlags vom 7. Januar zurück. Abgesehen davon, dass diese Fassung unseren Änderungsantrag aufgenommen hatte, waren die Ziele besser in ihrem inhaltlichen Zusammenhang dargestellt, wie von mir oben ausgeführt. Die jetzige Formulierung ist sehr viel schwammiger uns missverständlich. Danach dient z.B. die Erfüllung der Pflichtaufgaben im Bereich der elementaren Daseinsvorsorge und der finanziellen Grundsicherung nicht mehr der Sicherung und Förderung der Lebensqualität. Das von uns vorgeschlagene Ziel: Die Sicherung und Stärkung der Dienstleistungsqualität der Stadtverwaltung ist wieder heraus gefallen. Hinzu kommt dass die Zielformulierung ungenau ist. Für uns geht es nicht schlechthin um die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit. Wettbewerbsfähigkeit muss dem Ziel der Erhöhung der Wirtschaftskraft und der Schaffung existenzsichernder Arbeitsplätze dienen.
Hauptpartner und Hauptzielgruppe strategischer Planungen der Stadtpolitik sind für uns die Bürgerinnen und Bürger. Auch auf diese von uns vorgeschlagene Formulierung wurde wieder verzichtet. Sie ist für uns jedoch deshalb wesentlich, weil in dem vorliegenden Strategievorschlag die Bürgerinnen und Bürger real nur als „Konsumenten von Lebensqualität“ vorkommen und nicht als Akteure.

Kritisch sehen wir, dass in der Vorlage Eindruck vermittelt wird, als sei die Arbeit der Stadtverwaltung mit einem Unternehmen gleichzusetzen, bzw. nach gleichen Kriterien zu bewerten. Die Stadtverwaltung ist jedoch keineswegs auf ein am Gewinn orientiertes Unternehmen zu reduzieren. Diese starke Marktorientierung bzw. –unterwerfung durchdringt weite Teile der Ausführungen.Wir unterstützen die Einrichtung eines Zeitweiligen beratenden Ausschuss „Strategische Kommunalpolitik“ und werden uns intensiv an der Diskussion beteiligen.