Das Vertrauen des Stadtrats missbraucht

Dr. Lothar Tippach

Seit 1990 ist es das zweite Mal, dass der Stadtrat über einen Antrag zur Abwahl eines Beigeordneten beraten und entscheiden muss. In beiden Fällen steht Herr Peter Kaminski im Mittelpunkt.

Seit 1990 ist es das zweite Mal, dass der Stadtrat über einen Antrag zur Abwahl eines Beigeordneten beraten und entscheiden muss. In beiden Fällen steht Herr Peter Kaminski im Mittelpunkt. Um eigenmächtiges Handeln ging es auch 1990.
Alte Kamellen?! Nein! Eigenmächtig hieß damals, dass er gegen einen Beschluss der Stadtverordnetenversammlung handelte. Es ging um die Klostergasse. Für den von der Fraktion Grün/Lila eingebrachten Antrag fehlte zum Schluss die notwendige Zweidrittelmehrheit. Doch wurde auf Antrag der PDS zumindest ein Untersuchungsausschuss eingerichtet. Soweit ein Rückblick.

Heute liegt zum zweiten Male ein Abwahlantrag vor. Er betrifft wiederum Herrn Peter Kaminski, und es geht auch in diesem Falle um eigenmächtiges Handeln, am Stadtrat vorbei. Allerdings geht es heute um viel mehr als damals, um viel größere Dimensionen: Zentralstadion, Altes Rathaus usw. – die Themen sind lange genug in der Öffentlichkeit diskutiert worden.

Warum unterstützt die PDS-Fraktion den Abwahlantrag?

 Bereits bei der Behandlung des „Berichts des Rechnungsprüfungsausschusses vom 2. April“ zur umstrittenen Provisionszahlung an Herrn Poser im Zusammenhang mit der Investorensuche für den Umbau des Zentralstadions haben wir erklärt, dass Herr Peter Kaminski durch sein wiederholtes eigenmächtiges Handeln am Stadtrat vorbei das Vertrauen des Stadtrats missbraucht hat. Damit war für uns die Vertrauensbasis zerstört. Hinzu kommt, dass Herr Kaminski in mindestens zwei Fällen im Zusammenhang mit den Provisionszahlungen an Herrn Poser dem Stadtrat nicht die Wahrheit gesagt hat.

 Das Amt des Beigeordneten für Finanzen wird seit der Suspendierung von Herrn Kaminski vertretungsweise wahrgenommen. Angesichts der schwierigen Haushaltsprobleme ist aber eine stabile Besetzung dieses überaus wichtigen Amtes erforderlich. Eine Rückkehr von Herrn Kaminski ist für uns ausgeschlossen. Da er unseren Rücktrittsforderungen vom März 2004, also lange vor den Forderungen des Oberbürgermeisters und anderer Fraktionen, nicht nachgekommen war, bleibt nur die Abwahl. Sie, Herr Oberbürgermeister, hatten den Stadtrat im April aufgefordert, die Abwahl einzuleiten. Dazu ist es nicht gekommen, weil sich damals keine Zweidrittelmehrheit fand.

Natürlich darf die langjährige verantwortungsvolle Tätigkeit von Herrn Peter Kaminski als Kämmerer der Stadt Leipzig nicht darauf reduziert werden, dass er in einigen entscheidenden, stadtpolitisch herausragenden Vorgängen seiner Verantwortung nicht nachgekommen ist, indem er eigenmächtig gehandelt und Pflichtverletzungen begangen hat. Die politische Kultur in unserer Stadt verbietet jedoch jeden Zweifel an der Integrität ihrer politischen Entscheidungsträger. Für den Beigeordneten für Finanzen gelten besonders hohe Erwartungen, dass nach Recht und Gesetz gehandelt und mit finanziellen Mitteln sorgsam umgegangen wird. Es darf auch nicht der Schatten eines Verdachts möglicher Begünstigungen auf einen Funktionsträger der Stadtverwaltung fallen. Insoweit ist Herr Kaminski kein Bauernopfer.
Soweit zu den Gründen.

Das Abwahlverfahren soll nun ohne ersichtliche Gründe unter erheblichen Zeitdruck durchgeführt werden, wofür wir keinerlei Verständnis haben. Dafür tragen Sie, Herr Oberbürgermeister, und die CDU-Fraktion, die volle Verantwortung. Vermutlich soll das Verfahren möglichst schnell vor den Oberbürgermeisterwahlen zum Abschluss gebracht werden. Doch es sei daran erinnert, dass alles mit dem so genannten CDU-Spendenskandal begann. Insofern ist die Eile seitens der CDU auch wieder verständlich.

Einige Worte zur Verantwortungswahrnahme. Der Kämmerer konnte nur so agieren, weil sich ein Klima der Vertrauensseligkeit breit gemacht hatte, und Kontrollmechanismen, wie z. B. das Vieraugenprinzip beim Abschluss von Verträgen nicht eingehalten wurden. Die Verwaltung hat sich mehr und mehr verselbständigt. Informationspflichten gegenüber dem Stadtrat wurden unzureichend wahrgenommen, wie die Information über den Bericht des Rechnungsprüfungsamts zum Stadionneubau vom 30. Oktober 2002. Bekanntlich wurde der Stadtrat davon erst im Jahre 2004 in Kenntnis gesetzt. All das begünstigte das Entstehen von Filz und Vetternwirtschaft. Restlos aufgeklärt werden muss auch die Rolle der Beigeordneten, die ihrer Verantwortung nicht nachgekommen sind. Dafür tragen Sie, Herr Oberbürgermeister, die politische Verantwortung.

Ein Wort zum Argument, dass eine Abwahl der Stadt „teuer“ zu stehen käme. Richtig ist, dass ein abgewählter Beigeordneter die gleichen Bezüge erhält, wie ein Beamter im Ruhestand, solange ihm keine strafrechtliche Verantwortung oder dienstrechtliche Verfehlungen nachgewiesen sind. Aber ein suspendierter Kämmerer erhält auch entsprechende Bezüge. Das ist kein zielführendes Argument gegen eine Abwahl.

Die Befassung mit dem Abwahlantrag ist für uns kein Schlussstrich. Es wird vor allem auch am neu gewählten Stadtrat liegen, dass er solches nicht zulässt. Abgesehen davon ermittelt die Staatsanwaltschaft weiter. Wir wünschen uns baldige Ergebnisse. Außerdem laufen beim Regierungspräsidium die dienstrechtlichen Verfahren. Zu prüfen sind Regressforderungen an alle Beteiligten, z. B. im Zusammenhang mit der Refinanzierung des Winkelbaus am Bildermuseum, in dem das stadtgeschichtliche Museum untergebracht ist.

Was erwarten wir künftig?

1. Tatsächliche Offenheit, Transparenz und Öffentlichkeit in allen noch aufzuklärenden Problemfeldern und im künftigen Zusammenwirken mit dem Stadtrat;
2. Jeder muss sich zu seiner Verantwortung bekennen. Dienstrechtliche Verstöße müssen geahndet werden, und Regressansprüche sind zu prüfen und zu stellen;
3. Kein „Dienst nach Vorschrift“, doch müssen alle Kontrollmechanismen permanent überdacht werden;
4. Der Stadtrat muss seiner Verantwortung nachkommen und über die dazu notwendigen Rechte und Instrumente verfügen

Wir wissen, dass in den letzten Monaten vieles in Bewegung geraten ist, wie die Regelung zu den Eigenbetrieben u. a., aber es darf nicht geschehen, dass man wieder zur Tagesordnung übergeht. Es muss ein heilsamer Schock gewesen sein!

Es sei abschließend herausgehoben, dass die PDS-Fraktion Vertrauen in die Arbeit der Tausenden von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadtverwaltung besitzt. Wir schätzen deren engagierte Arbeit unter schwierigsten Bedingungen.

Anmerkung:

Der Abwahlantrag wurde mit 51 Stimmen für den Antrag, 12 Gegenstimmen und 4 Enthaltungen votiert. Damit wurde die notwendige Zweidrittelmehrheit erreicht. Zur Ratsversammlung am 17. Dezember 2004 steht der Antrag gemäß der Sächsischen Gemeindeordnung ein zweites Mal zur Abstimmung.