Eine moralische Verpflichtung!

Marco Götze

Vor uns liegt eine Vorlage, die nicht allein juristische Relevanz hat, die nicht allein bedeutend für den Fundus des Grassimuseums ist, die im höchsten Maße von moralischer und geschichtlicher Bedeutung ist.

Daher seien hier einige Bemerkungen gestattet, obwohl sicher – das wäre gut – die übergroße Mehrheit des Hauses dem Anliegen folgen wird, so wie wir es als LINKE aus großer Überzeugung tun werden.

Die Vorlage enthält den Auswirkungen nach ein Bekenntnis unserer Stadt zu einer, wie es heißt „Wiedergutmachung“ von vor Generationen während der Nazizeit begangenem Unrecht gegenüber den Erben der Betroffenen, wie es genannt wird, den „Alteigentümern“.

Nun sind dies Begriffe, die notwendigerweise vom rechtlichen Wortlaut her so formuliert sind, im tieferen geschichtlichen Sinne aber anders gemeint sein werden.

Das damalige Unrecht der Nazizeit auch in unserer Stadt, der Willkürakt erzwungener Verkäufe und alle damit verbundene Demütigung werden durch das in der Vorlage beschriebene Tun, durch Zahlungen und teilweise Rückübertragungen im Wortsinne nicht wieder gut gemacht.

Aber es wird damit getan, was wir heute überhaupt noch tun können.

Es wird Unrecht genannt, was Unrecht war. Es wird anerkannt, dass trotz Verjährung und ohne rechtliche Verpflichtung, dennoch eine moralische Verpflichtung zur teilweisen Restitution von Gegenständen und Kompensation durch Zahlung einer symbolischen Summe besteht wenigstens gegenüber den Familien, Erben bzw. deren Nachkommen.

 

Wiedergutmachung ist es schon deshalb nicht, weil die unmittelbar Betroffenen aufgrund des Zeitablaufs nicht mehr entschädigt werden können.  Und das unsere Stadt dies in Übereinstimmung mit den Erben trifft ist ein symbolischer und doch später Akt, den wir begrüßen.

Beabsichtigt ist sicher mehr als der Ausdruck von Selbstverpflichtung nach den Washingtoner und Berliner Erklärungen,

jenseits einklagbarer Ansprüche Rückübertragungen zu prüfen, sondern vielmehr die von uns geteilte Überzeugung,

dass dies vor dem Hintergrund unserer geschichtlichen Verantwortung geboten ist.  Das gilt nicht nur im Hinblick auf die Erben, sondern durchaus auch für uns selbst und das Grassimuseum.

Etwas sehr Wichtigste ist am Schluss der Begründung hervorgehoben:

Die Gegenstände,

die das Grassimuseum und somit im weitesten Sinne die Stadt Leipzig vereinbarungsgemäß behalten darf, werden nicht frei von der mit ihnen verbundenen Geschichte, aber erst durch die Vereinbarung mit den Erben frei von moralischem Unrecht der Aneignung durch Museum und Stadt.

Auch mag das Wort Alteigentümer zwar einer juristensprachlich korrekten Umschreibung der Rechtslage entstammen, vor der geschichtlich-moralischen Seite her ist wohl eher von den eigentlichen Eigentümern zu sprechen, die in ganz Deutschland und Europa, in Leipzig, in der Zeit von 1933 bis 1945 aus rassistischen Gründen auf mannigfaltige Arten unter dem schlimmen Unwort „Arisierung“ der Zwangsverschleuderung, Zwangsenteignung bzw. des Raubes um ihr Vermögen gebracht wurden, so wie die Erben von Margarete Oppenheim.

Dass neben den zurückgegebenen Kunstgegenständen, die sie in der Anlage sehen, ein Teil auch hier in Leipzig verbleibt,

wo er nach dem Willen Oppenheims als Sammlung verbleiben sollte, ist sicher auch in ihrem Sinne.

Es bleibt zu wünschen, dass wir die uns verbliebenen Gegenstände der Sammlung über ihren kunsthistorischen Eigenwert hinaus stets auch sichtbar mit ihrer Geschichte verbinden. Und dem – wie ich finde – vorbildhaften Kompromiss mit den Erben jener, denen er eigentlich und an sich vollumfänglich zustünde.

Redebeitrag zur Drucksache DS 08197 "Wiedergutmachung des Grassi/Museum für Angewandte Kunst Leipzig gegenüber jüdischen Alteigentümern nach Margarete Oppenheim".