Gewalt ist für uns kein Mittel der politischen Auseinandersetzung!

Oliver Gebhardt

Die Meldungen der letzten Wochen über Brandstiftungen, Krawalle und zuletzt den Überfall auf die Mitarbeiterin eines Immobilienunternehmens haben die Leipziger Stadtgesellschaft schwer erschüttert. Die gewalttätigen Ereignisse machen meine Fraktion und mich fassungslos. Diese teils schweren Straftaten, an denen aus unserer Sicht nichts, aber auch gar nichts links ist, sind nicht zu entschuldigen und werden von uns strikt verurteilt. Der verletzten Frau wünschen wir auf diesem Wege schnellstmögliche Genesung.

Für die Linksfraktion kann ich klar erklären: Gewalt ist für uns kein Mittel der politischen Auseinandersetzung. Unsere Gesellschaft wird durch Straftaten nicht progressiv verändert. Kriminelle Handlungen können weder als Rechtfertigung für notwendige linke Gesellschaftskritik noch als Form des Protestes akzeptiert und hingenommen werden. Vielmehr wird dadurch dem eigentlichen Anliegen jede Legitimation entzogen und – wenngleich sicher unbeabsichtigt – Schützenhilfe für diejenigen geleistet, die unter Verweis auf derartige Straftaten politische Missstände wie Verdrängung durch Mieterhöhungen und Luxussanierungen gern verdecken wollen.  

Und natürlich werden im Windschatten derartiger Ereignisse schon lange gehegte Ziele umgesetzt. Mit der gestrigen Verkündung der Gründung der Soko LinX  - schon der Name ist eine üble Anspielung auf ein Abgeordnetenbüro der Leipziger LINKEN - hat sich die sächsische CDU einen langjährigen Herzenswunsch erfüllt und zugleich wurde eine neue Facette im Leipziger Oberbürgermeisterwahlkampf eröffnet. Während sich die bereits nominierten Kandidaten in täglichen Pressestatements überschlagen, sei angemerkt, dass die Effektivität derartiger Sonderkommissionen zwingend zu hinterfragen ist. Die Soko gegen den Rechtsextremismus in Sachsen weist nämlich nur überschaubare Erfolge in ihrer bisherigen Arbeit auf. Dies ist aber weniger den Beamtinnen und Beamten selbst geschuldet, sondern der Tatsache, dass die sächsische Staatsregierung über viele Jahre auf dem rechten Auge blind war und darüber hinaus bei der Polizei im Freistaat durch jahrelanges Kaputtsparen eine verheerende Personalsituation zu verantworten hat.

Neben der zwingend erforderlichen Strafverfolgung der Täter muss zugleich hinterfragt werden, welche politischen Faktoren eine derartige Radikalisierung von Menschen mit beförderte. Die stark anwachsende Verdrängung in Leipziger Stadtvierteln durch Luxussanierungen oder kalter Entmietung sowie der Mangel an bezahlbarem Wohnraum  gehören zu den zentralen Problemen in unserer Stadt. Torsten Kracht, Geschäftsführer des Bauprojekteentwicklers Instone Real Estate Leipzig, wird heute in der LVZ zitiert: „Ein Teil des Problems rührt daher, dass die Politik nicht ehrlich offenlegt, wie sie selbst zum Anstieg der Baukosten und damit der Mieten beigetragen hat.“     

Um nicht missverstanden zu werden: Die massiven Wohnungsprobleme sind ein Katalysator, aber natürlich keine Entschuldigung oder gar Rechtfertigung für die genannten Straftaten. Die neue Soko LinX wird sicher repressives Potenzial entfalten, löst aber keine einzige der genannten Herausforderungen, sondern simuliert gegenüber der Öffentlichkeit Aktivismus, wird im Oberbürgermeisterwahlkampf wahrscheinlich von den Hauptthemen ablenken bzw. als Wahlkampfmunition gegen das linksalternative Milieu missbraucht werden. Hier wird ein gefährlicher Geist aus der Flasche gelassen!   

Das halten wir für falsch. Statt Law-and-Order müssen komplexere Lösungsansätze her, denn die zu Tage tretenden Probleme sind sehr vielschichtig. Zum einen muss sich die Stadtgesellschaft intensiver gegen die Verrohung unserer Gesellschaft einsetzen. Es sind doch vor allem rechte Kräfte und deren Vertreter, die die Spirale der verbalen Eskalation weiterdrehen. Genannt seien nur zwei Beispiele, für die ich nicht einmal den Raum verlassen muss: so schockierte über die europäische Grenze hinweg die Aussage eines Leipziger AfD-Stadtrats, der den antisemitischen Hintergrund des Anschlags in Halle ignorierte und in skandalöser Weise als Sachbeschädigung verniedlichte. Ein neuer AfD-Stadtrat brüstete sich auf Instagram im Wahlkampf damit, im Besitz des Kleinen Waffenscheins zu kommen und die Waffe auch einsetzen zu wollen.

Es ist doch ganz klar, woher die Gefahr für unsere Demokratie in Wirklichkeit droht. Die Ereignisse in Freital, Heidenau und Chemnitz sowie der NSU haben Sachsen weltweit in die Schlagzeilen gebracht. Gestern schickten die sächsischen Modellprojekte im Bundesprogramm „Demokratie leben!“ einen offenen Brief an Familienministerin Giffey, weil 2020 nur noch sechs von 18 Projekten gefördert werden sollen. Hier sind schmerzhafte Einschnitte bei Prävention rund um die Themen Antisemitismus, Rassismus, Sexismus, rechte Gewalt usw. zu befürchten.         

Aber zurück zum Thema Wohnen: hier herrscht enormer Handlungsdruck in Leipzig, bei dem wir auf Unterstützung von Land und Bund angewiesen sind. Aus eigener Kraft haben wir mit den Milieuschutzsatzungen bereits etwas Wichtiges auf den Weg gebracht. Ebenso muss nun die künftige Landesregierung ihre Positionen zu Mietendeckel und Mietpreisbremse zwingend korrigieren. Insbesondere in den Ballungsgebieten Dresden und Leipzig muss nachgesteuert und der immer gierigere Immobilienmarkt beschränkt werden. Wohnraum muss für alle Menschen bezahlbar bleiben! Für diese und weitere soziale Themen streiten wir und hoffen sehr, dass die Soko LinX die einzige Nebelkerze im Wahlkampf bleiben wird.

Rede zum Bericht des Oberbürgermeisters u. a. zum Anschlag auf eine Mitarbeiterin einer Immobilienfirma.