Ausarbeitung eines Kulturentwicklungsplanes

Dr. Volker Külow

Mit dem Antrag zur Ausarbeitung eines Kulturentwicklungsplanes trägt die PDS einer Reihe von objektiven Herausforderungen Rechnung, vor der Leipzig mit seiner weithin gerühmten Kultur in nächster Zeit steht.

Mit dem vorliegenden Antrag trägt die PDS einer Reihe von objektiven Herausforderungen Rechnung, vor der Leipzig mit seiner weithin gerühmten Kultur in nächster Zeit steht. Da ist zum einen die unumstößliche Tatsache, dass sich seit dem nicht verabschiedeten Entwurf eines Kulturentwicklungsplans vor 10 Jahren und den Kulturpolitischen Leitlinien aus dem Jahre 1999 die bundes- und landespolitischen Rahmenbedingungen für alle kommunalen Belange grundlegend verändert haben - zumeist zum schlechteren. Zum anderen ist weltweit zu beobachten, dass Kultur und Kunst an Bedeutung gewinnen; im Zeitalter der Globalisierung werden die jeweils mit solider Infrastruktur ausgestatteten Städte immer austauschbarer. Wirklich Originäres, sowohl für die Einwohner als auch für potenzielle Investoren Attraktives, lässt sich oftmals nur noch durch unverwechselbare kulturelle Leistungen erbringen. Innerhalb kurzer Zeiträume haben daher ganze Regionen wie beispielsweise das Ruhrgebiet einen Imagewechsel durch gezielte Förderung von Kunst und Kultur vollzogen. Fast vor unserer Haustür ist es übrigens Chemnitz innerhalb weniger Jahre gelungen, sein vormaliges „Aschenputtel“-Image abzulegen und mit furiosen Kunstausstellungen und hochkarätigen Wagner-Inszenierungen den Beinamen „Sächsisches Bayreuth“ zu erwerben. Chemnitz hat im übrigen vor knapp einem Jahr einen Kulturentwicklungsplan verabschiedet.

Mit diesem Antrag eröffnet sich nunmehr auch für Leipzig die Chance, im Rahmen der begonnenen Diskussion zur strategischen Kommunalpolitik eine prinzipielle Debatte über den künftigen Stellenwert der Kultur in der Stadt zu führen. Der Kulturentwicklungsplan und die ihn begleitende Diskussion sollten dabei sowohl die Potenziale der Kultur für die künftige Stadtentwicklung erschließen helfen als auch die über Jahrhunderte gewachsene kulturelle Identität Leipzigs befördern. Die angesichts schrumpfender Finanzen zu ziehenden Schlussfolgerungen müssen daher konsequent mit inhaltlichen Fragen verknüpft werden. Aus dem Bauch losgetretene Schließungsdebatten sind dafür kontraproduktiv. Insofern zeugt der vorliegende Änderungsantrag der CDU von neuer Konstruktivität; wir bedanken uns dafür und übernehmen den Antrag gern.

Die akuten Probleme der Leipziger Kultur beruhen nicht zuletzt darauf, dass viel zu wenig darüber diskutiert wird, was man eigentlich haben will. Mit welchen Leuchttürmen möchten wir einerseits überregional ausstrahlen, was ist andererseits nötig für die kulturelle Grundversorgung der Leipziger Bevölkerung? Es genügt nicht zu sagen, wir sind Musikstadt, wir haben einen Weltklassedirigenten, und alle Probleme sind gelöst. Mit Riccardo Chailly ist für das Gewandhaus ein toller Dirigent gewonnen – aber die künstlerischen und vor allem finanziellen Probleme der Oper existieren weiter und werden sich höchst wahrscheinlich verschärfen. Auch zu Lasten anderer Kulturstätten.

Leipzig muss die Frage nach den Kosten für die Kultur endlich mit der Frage nach den Inhalten beantworten. Ansonsten kollabiert das zwangsläufig immer teurer werdende System in absehbarer Zeit. Und dann wird eines Tages nur noch sinnlos gestrichen; und zwar bei denen, die sich am wenigsten wehren können, die kritisch sind oder Volkstheater spielen, also bei der Soziokultur, beim Schauspiel und bei der Muko. Gegen diesen drohenden Kollaps hilft nur langfristige Strukturentwicklung mit klaren Plänen und Prioritäten. Und da sollten wir Kommunalpolitiker uns nicht drücken, sondern kühne und unorthodoxe Ideen einbringen, wobei durchaus von anderen Städten sowie aus den Erfahrungen der eigenen Vergangenheit gelernt werden darf. Stuttgart und Essen beweisen z. B.: eine gemeinsame Verwaltung für Oper, Schauspiel und Gewandhaus wäre sinnvoll. Man könnte Geld sparen und die einzelnen Einrichtungen wären mit einem geschäftsführenden Direktor und drei künstlerisch autonomen Intendanten flexibler. Gleichzeitig würde sich eine organisatorisch und finanziell transparentere Außendarstellung von Leipzig als Musik- und Theaterstadt ergeben.

Es darf auch nicht als ketzerisch gelten, das Gewandhausorchester in Diskussionen inhaltlicher Art einzubeziehen. Natürlich bleibt es die Einrichtung mit der größten internationalen Ausstrahlung. Außerhalb unserer Stadt ist sich die Fachwelt allerdings einig: dass ausgerechnet am historischen Ort, in der Thomaskirche, Bachs Musik nicht auf historischen Instrumenten musiziert wird, ist ein Anachronismus. Die Bach-Pflege des Gewandhausorchesters ist überregional nicht konkurrenzfähig und dass Barockopern am Augustusplatz von einem französischen Spezialorchester gespielt werden, ist eigentlich traurig. Es wäre m. E. eine Überlegung wert, ob nicht innerhalb des Gewandhausorchesters an Stelle des jetzigen Bachorchesters eine Formation von 20 - 25 Musikern gebildet werden könnte, die auf historischen Instrumenten musiziert - es gibt ja Gewandhausmusiker, die das außerhalb des Gewandhauses zusätzlich tun - oder ob ein gesondertes, fest angestelltes Barockorchester zu formieren ist. Die Bachstadt hätte mit einem eigenen Barockorchester einen ganz speziellen Trumpf; das jetzige Leipziger Barockorchester, das sich erfreulich entwickelt hat und mehr außerhalb Leipzigs erfolgreich ist, könnte eventuell den Grundstock bilden. Mit einem berühmten Dirigenten wäre das ein Exportartikel und eine künstlerische Sensation. Das Bachfest besäße dann im Übrigen einen eigenen künstlerischen Mittelpunkt.

Mit diesen sicher nicht unumstrittenen Anregungen soll an dieser Stelle nicht provoziert, sondern eine breite demokratische Debatte unter Einbeziehung möglichst vieler Akteure aus Kunst, Kultur, Politik und Verwaltung sowie natürlich auch aus dem Publikum angestoßen werden. Wenn uns das heute gemeinsam gelingt, wäre ein erster wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem zukunftsfähigen Leipziger Kulturentwicklungsplan getan.

Anmerkung:

Der Antrag wurde beschlossen.